Eine Frage der Alternativen
Die FDP wollte Gauck. Aber nicht um jeden Preis
Berlin Der Groll legt sich nur langsam. „Einmal ist das in Ordnung“, sagt Thomas Strobl, der Vorsitzende der baden-württembergischen Christdemokraten. „Ein zweites Mal wird es nicht geben.“ Dass die FDP die Union mit einem riskanten Manöver gezwungen hat, Joachim Gauck zum neuen Bundespräsidenten zu wählen, fuchst viele ihrer Koalitionspartner noch immer. Tatsächlich hätte sich Angela Merkel, wie man mittlerweile weiß, den ganzen Ärger sparen können. Denn es gab durchaus noch Alternativen.
FDP-Chef Philipp Rösler wurde zwar schon am Tag von Christian Wulffs Rücktritt von mehreren Präsidiumsmitgliedern signalisiert, dass Gauck aus ihrer Sicht ein guter Kandidat wäre. Nach den Absagen von Bundestagspräsident Norbert Lammert und Andreas Voßkuhle, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, war Gauck für ihn aber keineswegs schon der Favorit. Um einen Hauskrach mit der Union zu vermeiden, diskutierten Rösler und Fraktionschef Rainer Brüderle nach Informationen unserer Zeitung mit der Kanzlerin noch zwei Alternativen: Hamburgs ehemaligen Bürgermeister Henning Voscherau, einen eher konservativen Sozialdemokraten, und den Spitzendiplomaten Wolfgang Ischinger, in den achtziger Jahren einer der engsten Mitarbeiter des damaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher, später Botschafter in London und Washington und inzwischen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz.
Die Kanzlerin fuchtelte wütend mit einem Blatt Papier
Nachhaltig verfolgt wurden beide Pläne nicht. Für den 65-jährigen Ischinger, argumentierte die Union, sei das Amt eine Nummer zu groß. Gegen den fünf Jahre älteren Voscherau sprach seine Parteimitgliedschaft. Zur Not aber, sagt ein liberaler Spitzenmann, hätte man mit ihm leben können: 1997 war Voscherau zurückgetreten, weil er nicht mit den Grünen koalieren wollte – für einige FDP-Präsiden genügte das als Zeichen seiner Überparteilichkeit. Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière hätte die FDP akzeptiert. Nach der Ansage der SPD, sie werde kein Kabinettsmitglied wählen, war das Thema für die Kanzlerin jedoch erledigt. Den Versuch, die Genossen umzustimmen, unternahm sie erst gar nicht mehr.
Die Freien Demokraten waren am Ende gleichwohl zufrieden. „Es tut auch mal gut, wenn der kleinere Partner den größeren überzeugt“, sagt Generalsekretär Patrick Döring. „Ganz partnerschaftlich“, behauptet er, hätten Rösler und Brüderle der Kanzlerin am Sonntag ihre Entscheidung für Gauck mitgeteilt. Tatsächlich war es wohl etwas anders: Nachdem die erste Nachrichtenagentur die Information verbreitet hatte, fuchtelte Angela Merkel bereits wütend mit einem Ausdruck der Meldung, als die beiden Liberalen den Raum betraten.
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