Der zynische Ego-Trip des Dirk Niebel
FDP-Mann Dirk Niebel war bis 2013 Entwicklungshilfeminister. Jetzt ist er Waffenlobbyist. Damit bestätigt er so manches Vorurteil gegen Politiker. Doch das ist ihm egal.
Dirk Niebel hat sich nie sonderlich darum gekümmert, was andere von ihm halten. Der FDP-Politiker ist einfach seinen Weg gegangen. Wer es gut mit ihm meint, nennt das geradlinig. Wahrscheinlich ist es aber einfach nur ein Beleg für die Ignoranz, mit der Niebel die eigene Karriere vorantreibt. Insofern ist es nur konsequent, wenn der 51-Jährige nun die Seiten wechselt und sich nicht mehr als Minister um arme Kinder in Krisenländern kümmert, sondern als Lobbyist um den Verkauf von Waffen. Dass er mit diesem Schritt nicht nur sämtliche Vorurteile gegen Politiker bestätigt, sondern auch seine eigene Partei dem endgültigen Aus ein Stück näher bringt, ist ihm egal.
Niebel ist bisher der dreisteste Seitenwechsler
Für die Bundesregierung ist die Sache ein Desaster. Denn die Koalition muss sich nun mit einer Frage befassen, die sie gerne ausgesessen hätte: Wie lange müssen Spitzenpolitiker warten, bevor sie einen Job in der Wirtschaft annehmen dürfen? Niebel ist der bisher dreisteste Seitenwechsler. Aber er ist kein Einzelfall. Nehmen wir Ronald Pofalla: Eben noch Chef des Kanzleramts, bald schon Strippenzieher bei der Deutschen Bahn. Oder Gerhard Schröder: Ohne Umwege von der Regierungsbank zu einem deutsch-russischen Energiekonzern. Ist das korrekt? Oder eine Sauerei?
Bis vor ein paar Monaten entschied Niebel über Waffenexporte
Man kann einem Menschen, der am Ende seiner politischen Laufbahn, aber in der Mitte seines Lebens steht, nicht vorwerfen, dass er sich eine neue berufliche Aufgabe sucht. Problematisch wird es, wenn der künftige Job in direktem Zusammenhang mit dem bisherigen steht. Wie bei Dirk Niebel. Noch vor ein paar Monaten entschied er im Bundessicherheitsrat über Waffenexporte. Hinter verschlossenen Türen ging es dabei auch um Geschäfte des Rüstungskonzerns Rheinmetall, auf dessen Gehaltsliste der Ex-Minister ab Januar 2015 stehen wird.
Ist das Stellenangebot für den arbeitslosen Politiker ein später Dank dafür, dass er Rheinmetall Aufträge verschafft hat? Erkauft sich der Konzern mit seinem prominenten Mitarbeiter Kontakte in die Schaltzentrale der Macht oder sogar geheimes Wissen über Konkurrenten? Der Verdacht liegt nahe. Und selbst wenn es keine Beweise gibt: Für die Glaubwürdigkeit von Berufspolitikern und erst recht für die ohnehin als Klientel-Partei verschriene FDP, ist Niebels neuer Ego-Trip verheerend – mag er rechtlich auch noch so einwandfrei sein.
Kommt ein Ehrenkodex für künftige Regierungsmitglieder?
Nun schreit das Volk nach einer Regelung, die früheren Ministern eine Wartezeit vorschreibt, bevor sie in die Wirtschaft wechseln. Und die Bundesregierung fühlt sich ertappt. Sie hatte ein solches Gesetz nämlich schon lange versprochen. Doch dann landete das Projekt auf dem Irgendwann-vielleicht-Stapel. Das ist ärgerlich, doch eines muss man dazu wissen: Niebel hätte sich auch davon nicht stoppen lassen. Denn erstens kann die Regierung einen solchen Ehrenkodex nicht rückwirkend, sondern nur für die Mitglieder des aktuellen und künftiger Kabinette beschließen. Zweitens sehen die Pläne der Koalition eine Karenzzeit von gerade einmal zwölf Monaten vor. Und die hält der abgewählte Ex-Minister ohnehin ein.
Seitenwechsler wie Niebel blamieren die gesamte politische Klasse
Angeblich hat ihn seine ehemalige Chefin Angela Merkel dazu gedrängt, mindestens ein Jahr ins Land gehen zu lassen. Vielleicht verfügt Niebel auch doch noch über einen kleinen Rest von politischem Feingefühl. Wir wissen es nicht. Es spielt auch keine Rolle. Der FDP-Mann reiht sich ein in eine lange, parteiübergreifende Schlange von Seitenwechslern und blamiert die gesamte politische Klasse.
Überspitzt könnte man sagen: Statt sich wie bisher als Entwicklungsminister um die Überlebenschancen von Menschen in Krisenregionen zu kümmern, verkauft er jetzt Waffen dorthin. Das mag zynisch klingen. Doch zynisch ist vor allem Niebels Verhalten.
Vielleicht hat die Sache aber auch ihr Gutes und die Regierung erkennt, dass die bislang diskutierte Schamfrist von einem Jahr viel zu kurz ist. Zumindest dann, wenn ein früheres Regierungsmitglied genau in dem Geschäftsfeld als Lobbyist tätig werden will, für das es schon als Politiker zuständig war.
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