Die Lernkurve der deutschen Politik ist flacher als die Wachstumskurve des Virus
Die Politik wiederholt in der vierten Welle die Fehler aus der Vergangenheit. Sie liegen in der Kommunikation, den Indikatoren und mangelnden Mathekenntnissen.
So trüb und grau wie die Novembertage ist die Stimmung in Deutschland. Alle Hoffnung ist verblasst, dass der zweite Pandemiewinter leichter würde als der erste. Dass die Lage düster ist, hat viel mit der lauten Minderheit zu tun, die sich nicht gegen das Coronavirus impfen lässt. Es hat aber auch mit gravierenden Fehlern zu tun, die die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen in Bund und Ländern gemacht haben – und immer noch machen.
Dass Fehler bei der Bekämpfung einer unbekannten Seuche geschehen, ist beinahe zwangsläufig. Sie im zweiten Jahr zu wiederholen, ist fatal. Denn sie führen dazu, dass das Vertrauen in die Bekämpfung des Erregers geschwächt wird. Die Fehler werden nach wie vor auf drei Ebenen gemacht – der Kommunikation, der Bestimmung der Corona-Indikatoren sowie dem mangelnden Verständnis für mathematische Zusammenhänge.
Bekommen nicht mehr alle den guten Stoff?
Das neueste Beispiel für einen Missgriff in der Kommunikation ist die Aufforderung von Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), ab sofort vordringlich den Impfstoff von Moderna und damit weniger das Serum von Biontech zu verabreichen. Spahns Gründe für seine Entscheidung leuchten ein: Es wäre pure Verschwendung, würde der Moderna-Impfstoff im Lager verfallen, denn er hat wohl sogar eine bessere Wirksamkeit als das Pendant von Biontech.
Dem steht entgegen, dass sich Deutschland wieder in einer Notlage befindet und Biontech das Mittel ist, das das höchste Vertrauen in der Bevölkerung genießt. Laut Spahns Ministerium ist es bei über 70 Prozent aller Impfungen zum Einsatz gekommen. Es ist daher misslich, wenn der Eindruck entsteht, der „gute Stoff“ werde jetzt zurückgehalten.
Spahn müsste nach beinahe zwei Jahren wissen, wie hartnäckig sich Vorbehalte halten. Schon einmal ist in Deutschland das Vertrauen in einen Impfstoff ruiniert worden. Mehrfach wechselnde Empfehlungen, welche Altersgruppe das Serum von AstraZeneca gespritzt bekommen darf, haben den Ruf so stark beschädigt, dass es kaum einer mehr wollte.
Der neue Corona-Richtwert hinkt hinterher
Die zweite Fehlerquelle ist die Bestimmung der Corona-Indikatoren als Maßstab der Pandemiebekämpfung. Bis zum Sommer galt die Inzidenz – also die Zahl der Neuansteckungen – als Richtwert. Sie wurde häufig als zu grob kritisiert, weil zum Beispiel ein Corona-Ausbruch in einem Unternehmen bedeuten konnte, dass das öffentliche Leben in einem ganzen Landkreis heruntergefahren wurde.
Die Inzidenz wurde von der Zahl der Krankenhauseinweisungen als Hauptindikator abgelöst. Doch die sogenannte Hospitalisierungsinzidenz hat einen Haken. Sie ist ein nachlaufender Wert, weil Infizierte im Schnitt erst nach zehn oder 14 Tagen ins Krankenhaus müssen. Zudem gibt es einen Meldeverzug der Kliniken.
Während einer Welle wie der jetzigen kann das Gesundheitssystem an seine Grenzen stoßen, weil die Lage schon schlimmer ist, als es der Indikator anzeigt. Die Ministerpräsidenten müssten also schon gegensteuern, bevor ihr definierter Alarmwert erreicht ist. Doch das ist schwierig zu begründen, weil der Wert nun einmal erst jenes Gegensteuern auslösen soll.
Das dritte Problem der deutschen Corona-Politik ist, dass ein Teil der Entscheider das exponentielle Wachstum der Ansteckungen noch nicht verstanden hat. Das Virus verbreitet sich nicht mit gleichmäßigem Tempo, sondern mit Wucht. Das heißt im Umkehrschluss, dass der Bremsweg lang ist und deshalb nicht bis zum Auftürmen einer Welle gewartet werden sollte. Das ist aber zum Leidwesen aller wieder passiert, genau wie die beiden anderen Fehler. Die Lernkurve der deutschen Politik ist flacher als die Wachstumskurve des Virus.
Die Diskussion ist geschlossen.
Scheinbar ist ein Virus lernfähiger und effektiver als die „Krone der Schöpfung“ Mensch! Intelligenter kann er ja mangels Gehirn nicht sein…
Sarkasmus: Das ist doch verständlich. Es war Wahljahr, da geht es um Wichtigeres als Corona Abwehrplanung. Da geht es um höhere Werte. Keiner der Konkurrenten war da zu bewegen zu heftige wählerverprellende Aussagen zu tätigen; Beschwichtigung war angesagt- "Es wird schon alles gut bleiben und werden". Und nach der Wahl- das bisherige Management ohne Prokura; und die Neuen mit sich selbst und der eigenen Profilierung beschäftigt- das Tagesgeschäft muss ruhen bis der Koalitionsvertrag in warmen Tüchern ist. Danach wird man Mal sehen. Der Bürger hat gewählt; jetzt hat er zu warten.
Es ist einfach nur noch peinlich, erschreckend und nicht mehr in Worte zu fassen: den ganzen Sommer über betreibt man eine Wahlpolitik und Corona gibts nicht - wie im letzten Jahr im Sommer auch. Man baut Landesweit Intensivbetten, Teststationen und Impfzentren ab. Man ignoriert die Kündigungswelle der Pflegeberufe und man schließt flächendeckend Krankenhäuser um hinterher zu jammern dass alles ganz schrecklich ist und den Buhmann mal wieder der Gastronomie, der Beherbergung und dem Handel in die Schuhe zu schieben und Lockdowns zu verhängen dass Deutschland untergeht??? Was bitte ist das für eine Politik?
Ich bin enttäuscht, es macht mich traurig und wütend, dass die Fehler der politischen Entscheider sich immer weiter wiederholen. Wir laufen sehenden Auges von Katastrophe zu Katastrophe.
Ich hätte mir schon gewünscht, dass ich das Weihnachtsfest heuer wieder mit mehr Verwandten verbringen könnte. Das wird wieder ausfallen. Natürlich kann ich froh sein, wenn alle Verwandten gesund bleiben, trotzdem ist es traurig, dass wir uns wieder nicht sehen werden können.
Betrifft das auch die, das mit der Lernkurve, die diese Politik für gut bis sehr gut halten? Das sind ja wohl über 50% der Bevölkerung.
Das halte ich für ein Gerücht.