Schwarz-grüne Koalition: Eine Frage der Zeit
Die schwarz-grünen Sondierungsgespräche haben ein jähes Ende gefunden. Die Zeit für Schwarz-Grün ist noch nicht reif. Dahinter stecken auch persönliche Motive.
Aus der Traum. Für ein, zwei Tage schien das Undenkbare denkbar – eine schwarz-grüne Koalition. Neben einer etwas bockigen SPD, die mit einem Wahlergebnis von 25 Prozent verhandelt als hätte sie 45 Prozent geholt, klangen die Grünen nicht nur im Ton ungewohnt konziliant, auch die kulturellen Gräben zu den Konservativen halten viele Abgeordnete inzwischen für überwindbar.
Dass ihre Unterhändler die Gespräche mit CDU und CSU dennoch abgebrochen haben, ist der vielleicht letzte Triumph von Jürgen Trittin. Am Ende dürfte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann recht behalten: Die schwarz-grünen Sondierungsrunden waren ein Wechsel auf die Zukunft.
Verhältnis zu den Linken überdenken
So selbstverständlich, wie die Sozialdemokraten in den nächsten Jahren ihr Verhältnis zur Linken überdenken werden, wird sich auch das zwischen der Union und den Grünen entkrampfen. Das hat, zum einen, strategische Gründe, weil die Grünen sich aus ihrer Abhängigkeit von der SPD befreien müssen und die C-Parteien sich nicht sicher sein können, dass es die Liberalen bei der nächsten Wahl zurück in den Bundestag schaffen.
Das hat, zum anderen, aber auch seine politisch-praktische Logik: Seit die Union den Ausstieg aus der Kernkraft zu ihrem Thema gemacht hat und die Grünen Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht mehr kategorisch ablehnen, gibt es im Prinzip kein Thema mehr, bei dem man sich nicht einigen könnte.
Hinter der Absage stecken persönliche Motive von Trittin
Dass die Zeit jetzt noch nicht reif war für Schwarz-Grün liegt weder an den Steuerplänen der Grünen noch am Nein der Union zur Bürgerversicherung. Hinter der Absage vom Mittwochabend stecken auch sehr persönliche Motive. Ein Mann wie Jürgen Trittin, der nichts lieber geworden wäre als Finanzminister, hat kein Interesse daran, seinen Nachfolgern den Weg in eine Regierung zu ebnen, der er nicht mehr angehören würde und schon gar nicht als Finanzminister. Auf der anderen Seite sind die Neuen bei den Grünen noch zu unerfahren, um mit Angela Merkel, Horst Seehofer oder Wolfgang Schäuble einen Koalitionsvertrag auszuhandeln, der so viel Grünes enthält, dass ihnen ihre Partei auch folgt.
Welt in Gut und Böse unterteilt
In ein paar Jahren kann das schon anders aussehen. Die grüne Gründergeneration, die sich jetzt allmählich zurückzieht, hat Politik lange als gesellschaftlichen Kampf begriffen und die Welt sauber in Gut und Böse geteilt. Die nächste Generation von Grünen aber ist nicht in Wackersdorf, Mutlangen oder Gorleben politisiert worden, sondern durch die eigenen Eltern, in grünen Hochschulgruppen oder in Organisationen wie Attac. Für sie ist Opposition kein Selbstzweck, sie will gestalten, also regieren. Natürlich verbindet auch viele dieser Grünen mit den Genossen mehr als mit der Union – aber wer garantiert ihnen, dass die SPD sich so fängt, dass es in vier Jahren auch eine gemeinsame Regierungsperspektive gibt?
Nüchtern betrachtet sprach in den vergangenen Wochen alles gegen Schwarz-Grün – die Kräfteverhältnisse im Bundestag, die vielen neuen Gesichter, die Sehnsucht der Deutschen nach einer Großen Koalition. Tatsächlich genügten zwei lange Abende, um mit einem politischen Tabu zu brechen. Konservative und Grüne können miteinander. Sie trauen sich nur noch nicht.
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