Merkel mit "Denkzettel" wieder zur Kanzlerin gewählt
Mit einem "Denkzettel" ist Bundeskanzlerin AngelaMerkel in ihre Wunschkoalition von Union und FDP gestartet. Neun Parlamentarier aus den Reihen von Schwarz-Gelb stimmten möglicherweise nicht für Merkel.
Berlin (dpa) - Mit einem "Denkzettel" ist Bundeskanzlerin AngelaMerkel in ihre Wunschkoalition von Union und FDP gestartet. Bei derWiederwahl im Bundestag fehlten der CDU-Vorsitzenden am Mittwochmindestens neun Stimmen aus dem Lager der neuen schwarz-gelbenKoalition.
Merkel bekam 323 von insgesamt 612 abgegebenenStimmen. Union und FDP haben zusammen 332 Abgeordnete. Anschließendüberreichte Bundespräsident Horst Köhler der 55-Jährigen im SchlossBellevue die Ernennungsurkunde für ihre zweite Amtszeit. Kurz darauflegte Merkel im Bundestag den Amtseid für ihre zweite Amtszeit ab.Dabei fügte sie die religiöse Formel "So wahr mir Gott helfe" hinzu.
Beieinem Zähl-Appell kurz vor der Wahl waren die Abgeordneten von Unionund FDP vollständig angetreten. In geheimer Abstimmung verweigertendann mindestens 9 Parlamentarier aus dem Regierungslager der Kanzlerindie Stimme. Trotzdem reichte es klar zur Wiederwahl: Merkel bekam elfStimmen mehr als erforderlich. Zu den ersten Gratulanten gehörtenCDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder und der bisherige VizekanzlerFrank-Walter Steinmeier (SPD).
Von den insgesamt 622 Abgeordnetendes neuen Bundestages nahmen zehn Parlamentarier der Opposition nichtan der Wahl teil. Dazu gehörten fünf der 76 Linken-Parlamentarier,darunter Parteichef Oskar Lafontaine. Drei der 146 SPD-Parlamentarier,darunter der Parteilinke Hermann Scheer, waren ebenfalls abwesend. Beiden Grünen waren zwei ihrer 68 Parlamentarier, darunter dieBundestags-Vizepräsidentin Karin Göring-Eckardt, entschuldigt.
Merkelbrauchte für ihre Wahl mindestens 312 Stimmen. Mit Nein stimmten 285Parlamentarier, 4 enthielten sich. Merkels Ergebnis entsprach einerZustimmung von 52,8 Prozent der abgegebenen Stimmen. Der bisherigeCDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nannte die fehlenden Stimmen aus demLager von Union und FDP bedauerlich. In Koalitionen sei dies aber immermöglich. Kauder sagte im Sender N24: "Geheime Wahlen sind wie siesind." Der künftige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte zu demResultat, dass so etwas bei "einer so großen Gruppe" immer passierenkönnte. "Manche denken nicht zu Ende", fügte er leicht verärgert hinzu.Dennoch sei es "ein großer Tag".
SPD und Grüne reagierten empörtauf die Weigerung Merkels, nicht jetzt, sondern erst in der zweitenNovemberwoche eine Regierungserklärung vor dem Bundestag abzugeben.Dies sei eine "Missachtung" des Parlaments, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Der Co-Vorsitzende Jürgen Trittin sprachvon einem "Ausdruck der Arroganz". Nach Ansicht des neuen SPD-Fraktionschefs Steinmeier hat sich der "Fehlstart" der neuen Koalitionauch in den Gegenstimmen aus den eigenen Reihen bei Merkels Wahlniedergeschlagen. Er kritisierte ebenfalls, die Regierungserklärungkomme viel zu spät.
Am Nachmittag sollten die neuen Ministerernannt und vereidigt werden. Das neue Kabinett wollte sichanschließend im Kanzleramt zu seiner ersten Sitzung treffen. Am Abendwollte Merkel zur ersten Auslandsreise ihrer zweiten Amtszeit nachParis aufbrechen. Dort stand ein Abendessen mit FrankreichsStaatspräsident Nicolas Sarkozy auf dem Programm. Am Donnerstag reistsie zusammen mit dem neuen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zumEU-Gipfel nach Brüssel.
In der Geschichte der Bundesrepublik istMerkel jetzt das erste Regierungsoberhaupt, das mit einem anderenKoalitionspartner weiterregiert. Seit Oktober 2005 stand dieCDU-Vorsitzende an der Spitze einer großen Koalition mit der SPD. Nachelf Jahren Opposition kehrt die FDP an die Regierung zurück.
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