Merkel bei Obama: Snowden darf nicht nach Deutschland
Die Regierung um Angela Merkel will mit der NSA-Affäre das Verhältnis zu den USA nicht weiterbelasten. Snowden soll nicht in Deutschland verhört werden. Klagen nun die Grünen?
Hans-Christian Ströbele ist Rechtsanwalt von Beruf – und ein Mann von stoischer Beharrlichkeit. Seit er sich im Oktober mit Edward Snowden in Moskau getroffen hat, verfolgt der grüne Abgeordnete mit der ihm eigenen Zähigkeit ein Ziel: den 30-Jährigen als Zeugen vor den Untersuchungsausschuss des Bundestages nach Berlin zu holen, der die von Snowden aufgedeckte NSA-Affäre aufklären soll. Notfalls, droht Ströbele, will er dazu auch das Bundesverfassungsgericht einschalten.
Nach übereinstimmenden Berichten verschiedener Medien lehnt die Bundesregierung eine Vernehmung des früheren Geheimdienstmannes in Deutschland ab. Eine Einreise nur zum Zwecke der Aussage und Snowdens anschließende Rückkehr nach Moskau verhindern nach einem Gutachten der Ministerien für Inneres, Äußeres und Justiz vor allem zwei Papiere: der gültige Haftbefehl gegen Snowden, den die US-Justiz ausgestellt hat – und das Auslieferungsabkommen, das die Bundesrepublik mit den Vereinigten Staaten geschlossen hat. Auch Asyl könnte Snowden nicht in Deutschland beantragen, weil er juristisch betrachtet kein politisch Verfolgter ist, sondern ein Straftäter. Wenn der Untersuchungsausschuss ihn trotzdem befragen will, bleiben ihm vermutlich nur zwei Möglichkeiten: eine Videokonferenz – oder die Reise nach Moskau.
Snowden-Gutachten rechtzeitig fertig: Merkel reist in die USA
Dass das Gutachten kurz vor dem Abflug der Kanzlerin nach Washington bekannt wurde, dürfte kein Zufall sein – Angela Merkel will das ohnehin angespannte deutsch-amerikanische Verhältnis nicht noch weiterbelasten. Ihr gehe es nur darum, „dass Obama nicht schimpft“, kritisiert Ströbele. „Merkel zeigt Feigheit vor dem Freund“, sekundiert seine Parteivorsitzende Simone Peter. Bereits in der nächsten Woche wollen die Abgeordneten von Grünen und Linken im Untersuchungsausschuss die Vorladung Snowdens erzwingen. Sollte die Regierung dessen Einreise verhindern, will die Opposition klagen. Obwohl ein solcher Ausschuss weitreichende Befugnisse hat, kann er eines nicht: Edward Snowden einen vorübergehenden Aufenthaltstitel verschaffen. Das ist Sache der Exekutive.
Eine Vernehmung des prominenten Zeugen in Deutschland würde aus Sicht der Regierung die außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik erheblich gefährden. Wörtlich heißt es in dem Gutachten: Es wäre „sehr wahrscheinlich mit schweren und dauerhaften Belastungen des Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten von Amerika zu rechnen“.
Das Verhältnis zu den USA mit Snowden nicht belasten
Snowden lebt seit August vergangenen Jahres in Moskau im Asyl und hat sich prinzipiell bereit erklärt, vor dem Ausschuss auszusagen, sofern die deutsche Regierung ihn vor einer Auslieferung an die USA oder einem Entführungsversuch von amerikanischen Geheimdiensten schützen könne. Gleichzeitig allerdings hat er mehrfach betont, er habe kein brisantes Material mehr, sondern alle Informationen weitergegeben – in diesem Falle dürfte eine Vernehmung vermutlich auch keine neuen Erkenntnisse mehr bringen. Auch in seiner Aussage vor dem Europarat in Straßburg, der mit ihm Anfang April per Video verbunden war, hatte Snowden nichts mehr gesagt, als ohnehin schon in den meisten Zeitungen gestanden hatte.
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