Mehr als 390 Todesopfer im Gazastreifen
Israel und militante Palästinenser im Gazastreifen haben den fünften Tag in Folge ihre gegenseitigen Angriffe fortgesetzt. Fast 400 Menschen sind ums Leben gekommen. Die Raketen der Palästinenser überwinden immer größere Entfernungen.
Tel Aviv/Gaza/Kairo (dpa) - Trotz wachsender internationalerBemühungen um eine Eindämmung der Gewalt im Nahen Osten geht derblutige Schlagabtausch zwischen Israel und militanten Palästinensernweiter. Israels amtierender Ministerpräsident Ehud Olmert lehnte erneuteine begrenzte Waffenruhe ab.
"Wir haben die Gaza-Offensive nichtbegonnen, um sie mit der gleichen Anzahl von Raketenangriffen zubeenden. Israel hatte einer Waffenruhe eine faire Chance gegeben",sagte Olmert laut Regierungssprecher Mark Regev. Israel sei bereit,Vorschläge für eine Waffenruhe zu studieren, "wenn diese eine bessereSicherheit für den Süden garantieren".
Bei der seit Samstagandauernden Offensive sind nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gazabisher 392 Palästinenser getötet worden, darunter auch Frauen undKinder. 1900 weitere Personen seien verletzt worden. Nach Angaben einesSprechers des UN-Hilfswerkes für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) in Gazahandelt es sich bei mindestens jedem vierten getöteten Palästinenser umeinen Zivilisten.
Israel beklagt nach mehr als 250Raketenangriffen aus dem Gazastreifen seit Samstag vier Todesopfer.Wegen der größeren Reichweite der palästinensischen Raketen sind nachAngaben von Polizeisprecher Micky Rosenfeld inzwischen eine MillionIsraelis gefährdet.
Israel setzte am Mittwoch den fünften Tag inFolge seine Militäroffensive mit 35 Luftangriffen auf den Gazastreifenfort, während militante Palästinenser nach Armeeangaben 35 Raketenimmer tiefer ins israelische Kernland abfeuerten. Fünf Raketen schlugenin der südisraelischen Stadt Beerschewa ein, eine davon in einem leerenSchulgebäude. Die rund 40 Kilometer vom Gazastreifen entfernte Stadtist das am weitesten entfernte Ziel, das die Hamas bislang mit ihrenGrad-Raketen angegriffen hat. Auch die Stadt Javne südlich von Tel Avivwurde aus einer Entfernung von mehr als 30 Kilometern mehrmalsgetroffen.
Die israelische Heimatschutzbehörde hat als Konsequenzdes Beschusses angeordnet, dass alle Schulen in einem Radius von 40Kilometer um den Gazastreifen geschlossen bleiben. Die dort lebendenBürger wurden aufgefordert, sich nicht im Freien aufzuhalten. InBeerschewa wurde die Ben-Gurion Universität nach Medienangabengeschlossen.
Ziel der 35 israelischen Luftangriffe vom Mittwochwaren nach Armeeangaben Regierungsgebäude in Gaza, darunter das Bürodes ehemaligen Ministerpräsidenten Ismail Hanija von der Hamas.Außerdem seien Schmugglertunnel an der Grenze zu Ägypten bombardiertworden, hieß es.
Olmert hatte bereits am Dienstag einen Vorschlagdes französischen Außenministers Bernard Kouchner über eine auf 48Stunden befristete Feuerpause mit der radikal-islamischen Hamasabgelehnt. Sein Sprecher sagte, man wolle "den Druck auf dieHamas-Militärmaschinerie fortsetzen". Israel wolle eine dauerhafteLösung und kein "Erste- Hilfe-Pflaster, das in einem Monat wiederabfällt". Es sei wichtig, "die humanitäre Hilfe für die unschuldigenMenschen in Gaza auszuweiten und zu verbessern".
Die Armeebewilligte am Mittwoch erneut rund 100 Lastwagen mit Hilfsgütern dieEinreise in das umkämpfte Palästinensergebiet. Zudem wurden Verletzteaus dem Gazastreifen zur Behandlung in israelische Krankenhäusergebracht. Das Oberste Gericht Israels entschied am Mittwoch, Israelmüsse ausländische Journalisten in kleinen Gruppen zurBerichterstattung in den Gazastreifen einreisen lassen.
Derrussische Außenminister Sergej Lawrow hat sich in einem Telefonat mitder radikal-islamischen Hamas beunruhigt über die Lage im Gazastreifengeäußert. Spitzenvertreter der EU wollen in der kommenden Woche nachIsrael reisen. Das sei bei dem Krisentreffen der EU-Außenminister amDienstagabend in Paris beschlossen worden, teilte eine Sprecherin derEU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mit. Der tschechischeAußenminister Karel Schwarzenberg nannte in Prag den Sonntag als Termindes Besuchs. Er reist zusammen mit EU- Außenkommissarin BenitaFerrero-Waldner und EU-Chefdiplomat Javier Solana.
Mit einemRundumschlag gegen Israel und die rivalisierendenPalästinenserfraktionen begann am Mittwoch in Kairo eineDringlichkeitssitzung der arabischen Außenminister zur Lage imGazastreifen. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa,sagte, er verstehe nicht, weshalb Palästinenserpräsident Mahmud Abbasden brutalen Angriffen der israelischen Armee untätig zusehe. "Du bistdoch der Präsident aller Palästinenser, tue endlich etwas!", forderteer ihn auf.
Israel will mit der Militäroffensive denRaketenbeschuss durch militante Palästinenser soweit wie möglichminimieren. Die Palästinensergruppen beschießen Israels, um dieAufhebung der Blockade und eine Öffnung aller Grenzübergänge zuerzwingen.
Mit ihren Raketenangriffen auf weiter entfernteisraelische Städte will die Hamas demonstrieren, dass sie eine großeZahl von Israelis gefährden kann. Damit will sie ihren "Preis" für einemögliche Waffenruhe erhöhen. Darüber hinaus sollen die jüngstenAngriffe belegen, dass die seit fünf Tagen anhaltenden israelischenLuftangriffe die Hamas weder geschwächt noch ihren Widerstand gebrochenhaben.
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