Kiew in Bayern: Vitali Klitschko auf Sicherheitskonferenz in München
Die Ukraine beschäftigt die Experten in München. Doch auch auf der Straße zeigen Menschen ihre Solidarität. Vitali Klitschko ist hier wie dort dabei. Und er kommt gut an
Blau-gelbe Fahnen flattern im Wind, auf Transparenten wird Janukowitsch zum Rücktritt aufgefordert, gemeinsam singt man die ukrainische Nationalhymne – die Stimmung am Sendlinger Tor in München erinnert am Samstag stark an den Unabhängigkeitsplatz in Kiew, den Maidan. Wie dort treten auch die bekanntesten Oppositionsführer auf: erst Arsenij Jazenjuk von der Timoschenko-Partei, dann Vitali Klitschko.
„Euromaidan München“ steht über der Tribüne, Euromaidan heißt die pro-europäische Protestbewegung, die in Kiew seit zwei Monaten in Eis und Schnee gegen den pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch demonstriert. In München scheint die Sonne, als die Vorkämpfer der Protestbewegung vor 500 Auslandsukrainern auftreten. Die Politiker aus Kiew, die bei der Münchner Sicherheitskonferenz den Kontakt zu den Außen- und Verteidigungsministern der westlichen Staaten suchen, genießen den Abstecher zu ihren Landsleuten, die sie mit viel Beifall empfangen. Rhythmische „Klitschko, Klitschko“-Rufe zeigen, wen die Leute als ihren Helden sehen.
Der ehemalige Box-Weltmeister gibt sich kämpferisch: „Ich weiß besser als jeder andere: Ohne Kampf gibt es keinen Sieg“, ruft er den Menschen zu. „Deswegen müssen wir kämpfen. Und wir werden siegen.“ Doch für den athletischen Zwei-Meter-Mann war das nur eine Aufwärmübung.
Klitschkos Gegner ist kein Anfänger
Später, im Festsaal des Hotels Bayerischer Hof, geht es vor großem Publikum zur Sache. Klitschkos Gegner ist kein Anfänger. Der ukrainische Außenminister Leonid Koschara, seit dem Rücktritt der Regierung nur noch geschäftsführend im Amt, zündet Nebelkerzen: „Meine Regierung ist nicht europafeindlich“, behauptet er. Und: „Wir haben alle wichtigen Forderungen der Opposition erfüllt.“ Dann geht er zur Attacke über: Ein Land, in dem acht Millionen ethnische Russen leben, könne man „nicht Russland entreißen“. Und: Die Opposition müsse jetzt Verantwortung übernehmen und verhindern, dass „Terroristen“ mit nazi-ähnlichen Symbolen Molotow-Cocktails auf Polizisten werfen.
Klitschko lässt sich gar nicht erst auf ein Wortgefecht ein. Er hat Beweise dabei. Als Antwort verteilt er auf dem Podium eine Broschüre mit dem Titel „Atrocities“ (Grausamkeiten). Das Heft ist voll von Bildern vom brutalen Vorgehen der ukrainischen Sicherheitskräfte. Selbst Koschara kann nicht umhin, darin zu blättern.
Sachlich erläutert Klitschko, der mit seiner liberalen Partei „Udar“ (Schlag) bei den Parlamentswahlen 2012 drittstärkste Kraft wurde, wie seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 die Hoffnungen der Bürger enttäuscht wurden. Er spricht in München deutsch. Während Nachbarländer wie Polen viel geleistet hätten, habe die Ukraine eine „verlorene Zeit“ erlebt. Der Präsident habe gesagt, die Ukraine gehe ihren eigenen Weg. „Es ist der Weg der Gewalt“, sagt Klitschko bitter. Er fordert Reformen, und er bittet das westliche Ausland um mehr als nur symbolische Unterstützung. Bei den Teilnehmern der Sicherheitskonferenz hat er damit gewonnen: Während diese Versammlung normalerweise nur höflichen Applaus spendet, wird Klitschko fast schon stürmisch gefeiert. Auch viele Prominente unterstützen auf der Sicherheitskonferenz die ukrainische Opposition. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen fordert: „Die Ukraine muss ihre Zukunft frei wählen können – ohne Druck von außen.“ US-Außenminister John Kerry lobt „die mutigen Menschen in der Ukraine“ und versichert den Demonstranten: „Die USA stehen an Ihrer Seite.“ Was das konkret heißt, führt er aber nicht aus.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier versucht, im Kleinen behilflich zu sein. Der Oppositionspolitiker Jazenjuk berichtet auf der Kundgebung am Sendlinger Tor, Deutschland habe medizinische Hilfe für das Folteropfer Dmitri Bulatow zugesagt. Später gibt Steinmeier bekannt, der ukrainische Außenminister Koschara habe auf seine Aufforderung hin zugesagt, Bulatow dürfe zur ärztlichen Versorgung auch ausreisen.
Andere Töne sind erwartungsgemäß vom russischen Außenminister Sergej Lawrow zu hören. „Was hat das Anstiften von Unruhen mit Demokratie zu tun?“ fragt er. Und er kritisiert die EU-Staaten, weil sie radikale Gruppen in Kiew zu Straftaten ermutigten, „die in ihren Ländern geahndet würden“.
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