Wut in Europa: Großdemos, Generalstreik, Flugausfälle
Madrid/Brüssel/Berlin - Bei wütenden Protesten gegen den Sparkurs ihrer Regierungen sind europaweit Zehntausende von Menschen auf die Straße gegangen. In Brüssel beteiligten sich deutsche Bergleute am Mittwoch an einer Massenkundgebung gegen Sozialabbau.
Ein Generalstreik in Spanien legte zwar nur einen Teil der Wirtschaft des Urlaubslands lahm, führte aber in Deutschland zu Flugausfällen. Auch in Irland, Griechenland und Polen demonstrierten Menschen gegen die Rotstiftpolitik ihrer Regierungen oder legten ihre Arbeit nieder. Eine Abkehr vom Sparkurs nach der weltweiten Wirtschaftskrise ist indes nicht in Sicht: Auf Schuldensünder kommen nach Vorschlägen der EU-Kommission harte Zeiten zu.
Der Generalstreik im Urlaubsland Spanien brachte die Reisepläne tausender Fluggäste durcheinander. Allein am größten deutschen Flughafen in Frankfurt fielen am Mittwoch mehr als 20 Flüge von und nach Spanien aus. Auch in Stuttgart, Köln/Bonn, Berlin, Hamburg, Stuttgart, München und mehreren Regional-Airports wurden einzelne Verbindungen annulliert oder verschoben.
In Brüssel kamen mehrere zehntausend Gewerkschafter aus ganz Europa zum "Aktionstag" des Europäischen Gewerkschaftsbundes ETUC. Zwar sprachen die Veranstalter von mehr als 100 000 Teilnehmern. Die Polizei konnte diese Zahlen aber nicht bestätigen. "Wir wollen, dass die Kosten der Wirtschaftskrise nicht von den arbeitenden Menschen, sondern von den Spekulanten und Banken getragen werden", sagte ETUC-Generalsekretär John Monks.
Beim ersten Generalstreik seit acht Jahren wollten die Gewerkschaften in Spanien das ganze Land für 24 Stunden lahmlegen. Die Proteste richteten sich gegen eine Arbeitsmarktreform, die unter anderem leichtere Entlassungen ermöglicht. Betroffen waren neben Urlaubern vor allem Großbetriebe der Industrie. Die meisten Geschäfte, Gaststätten und Banken waren indes normal geöffnet.
Laut Gewerkschaft beteiligten sich 70 Prozent der Arbeitnehmer, die Regierung machte dazu keine Angaben. Bei Rangeleien zwischen Streikposten und der Polizei wurden laut staatlichem Rundfunk RNE 16 Menschen verletzt. In Spanien hatte es seit der Wiedereinführung der Demokratie zuvor vier ganztägige Generalstreiks gegeben. Nur 1988 war es den Gewerkschaften gelungen, die Wirtschaft komplett zum Stillstand zu bringen.
Die Lufthansa reduzierte ihr Spanien-Programm wegen des Streiks um ein Drittel. Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin strich 20 von 140 Verbindungen. In den Terminals entstand aber meist kein größeres Gedränge. Viele Reisende waren vorab informiert. Trotz des Streiks wurden auf den spanischen Flughäfen ein Großteil der geplanten Flügen abgewickelt. Im Frankfurter Flughafen bildeten sich vor den Abflugschaltern keine überlangen Schlangen. Am Köln-Bonner Flughafen waren rund 600 Passagiere von dem Ausfall von vier Flügen betroffen.
Der erste Generalstreik in der Amtszeit des sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero legte vor allem die Großbetriebe und Fabriken lahm. Mehrere Großmärkte wurden von Streikposten blockiert, so dass in den Supermärkten weniger Frischwaren angeboten wurden. Die Zeitungen erschienen mit Notausgaben und waren mancherorts gar nicht zu haben, weil der Vertrieb bestreikt wurde. Kleinere Läden und Gaststätten waren geöffnet. Nach Umfragen hatte die Mehrheit der Spanier an dem Streik nicht teilnehmen wollen. Die Gewerkschaften konzentrierten sich daher darauf, wirtschaftliche Schlüsselbereiche zu bestreiken.
In Irland hatten Demonstranten aus Protest gegen die Politik der Regierung in der Bankenkrise mit einem Zementmischer den Eingang zum Parlament in Dublin blockiert. In Polen protestierten mehrere tausend Gewerkschafter gegen die Sparpolitik der Regierung in Warschau.
Schuldensünder müssen sich in der EU auf härtere und schnellere Strafen einstellen. Die EU-Kommission schlug dazu eine Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes vor. Die Union zieht damit die Konsequenz aus dem griechischen Schuldendebakel und der Euro-Krise im Frühjahr. Die EU-Kommission fordert quasi-automatische Strafen für Euro-Staaten, die gegen die gemeinsamen Schuldenregeln verstoßen. Das ist unter den Mitgliedstaaten umstritten. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble steht hinter den Vorschlägen von EU- Währungskommissar Olli Rehn.
Der Finne will erreichen, dass ein Defizitsünder schon bei der Eröffnung eines Strafverfahrens ein Pfand von 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung hinterlegen muss. Diese Sicherheitsleistung kann dann im Fall einer gescheiterten Budgetsanierung in eine Geldbuße umgewandelt werden.
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