Nach dem Abgang von Sebastian Kurz geht es in Österreich plötzlich ganz schnell
Die ÖVP versucht, mit einem Umbau der Ministerriege wieder Stabilität in die Regierung zu bringen. Doch Kurz' Strukturen der "Neuen Volkspartei" bestehen zum Teil noch immer.
Es musste offensichtlich schnell gehen. Kaum mehr als 24 Stunden ließ die ÖVP seit der Abschiedsrede von Sebastian Kurz am Donnerstag vergehen, um nach dem Komplett-Rückzug des gescheiterten Ex-„Wunderkanzlers“ ihre Regierungsmannschaft umzubauen. Es ist der Versuch, so rasch wie möglich wieder etwas Stabilität im krisengeschüttelten Österreich zu ermöglichen. Die „Ibiza-Affäre“, die die erste Kurz-Regierung, die Koalition mit der extrem rechten FPÖ, in die Luft jagte, erscheint vielen im Land angesichts der aktuellen Ereignisse wie ein laues Lüftchen. Wieder einmal herrscht Krisenstimmung in Wien.
Wie es nun weitergeht in der Bundesregierung, haben nun nicht mehr die Berater und Vertrauten von Kurz in der Hand. Übernommen hat das alte, das schwarze Machtzentrum: die ÖVP-Länderchefs aus Nieder- und Oberösterreich, aus der Steiermark, aus den westlichen Bundesländern.
Die konservativen Länderchefs wollen nun die Angriffsflächeauf die ÖVP minimieren
Und sie schaffen Fakten: Am Freitagvormittag ist es der steirische ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, der den Medien gegenüber das Ausscheiden des bisherigen Bildungsministers Heinz Faßmann und dessen Nachfolger, den bisherigen Rektor der Uni Graz, Martin Polaschek, verkündet. Dabei hätte Faßmann gerne weitergemacht. Er habe „sein Amt zur Verfügung gestellt“, lässt dieser wissen, von einer verabredeten Entscheidung ist keine Rede. Der neue ÖVP-Chef, der bisherige Innenminister Karl Nehammer, tritt erst danach vor die Fernsehkameras und die Journalisten, um zu erklären, dass nun er das Kanzleramt übernehmen wird. Es ist ein deutliches Zeichen, woher jetzt der Wind weht, und dass Nehammer, anders als Kurz, das zu tun hat, was die Länderchefs von ihm erwarten.
Diese wollen mit ihrem aus dem Hintergrund orchestrierten Rettungsversuch der Koalition von ÖVP und Grünen vor allem zweierlei erreichen: Einerseits die Angriffsfläche, welche die Konservativen seit der Korruptionsaffäre rund um den gescheiterten Kurz bieten, minimieren. Dem geschuldet ist beispielsweise der Rücktritt von Finanzminister Gernot Blümel. Der enge Vertraute des Ex-Kanzlers steht nicht nur für das gescheiterte „System Kurz“, er ist auch selbst Beschuldigter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Gelingt der ÖVP die Kursänderung von Türkis zurück zu Schwarz?
Andererseits, so scheint es, soll der Quasi-Rückbau zu alten Strukturen möglichst schonend verlaufen. Einige Ministerinnen und Minister, die als enge Vertraute von Kurz gelten, behalten ihr Amt – etwa Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, die zudem mit dem ÖVP-Bauernbund über eine eigene Partei-Hausmacht verfügt. Mit Claudia Plakolm rückt die bisherige Chefin der „Jungen Volkspartei“, also Kurz’ politischer Heimat, in ein Staatssekretariat für Jugend nach. Auf Nehammer folgt Gerhard Karner als Innenminister. Magnus Brunner, zuvor „Aufpasser“ von Kurz’ Gnaden im grün geführten Infrastrukturministerium, wird Finanzminister. Und an der Seite des designierten neuen Bundeskanzlers verbleiben zudem engste Berater von Kurz in ihren Funktionen. Auch das wird in Wien als Indiz gewertet, dass es keineswegs ein fundamentaler Bruch mit den Kurz-Strukturen ist, den die ÖVP-Granden am Freitag so eilig präsentieren.
Dennoch: Eine Kursänderung ist offensichtlich. Nach seiner kurzen Antrittsrede – der neue Kanzler wie alle anderen neuen ÖVP-Minister sollen schon an diesem Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen vereidigt werden – sagt Nehammer, angesprochen auf das türkise Parteilogo der „Neuen Volkspartei“, vor dem er steht, etwas Bemerkenswertes. Er glaube nicht, dass es „inmitten einer Pandemie wichtig ist, sich um Marketingfragen zu kümmern“. Nehammer gilt nicht nur als fest in der mächtigen niederösterreichischen ÖVP verankert, sondern auch als Hardliner, besonders in Migrationsfragen. Die Abschiebeaktion von Schülern nach Georgien und Armenien trotz heftiger Proteste aus der Zivilgesellschaft im Januar brachte Nehammer nicht nur den Ruf unmenschlicher Härte, sondern auch heftige Kritik vom grünen Koalitionspartner ein.
FPÖ und SPÖ fordern bereits Neuwahlen
Der aber betont in Person des Vizekanzlers Werner Kogler am Freitag Wohlwollen. Für die Grünen steht nämlich viel auf dem Spiel. Sie wollen und müssen ihre Projekte weitertreiben, brauchen nach der Kurz-Zeit, wo ihnen die ÖVP fast jede Luft zum Atmen genommen hat, schnell Erfolge. Im Fall von Neuwahlen hätten sie sonst wenig vorzuweisen.
Die Opposition hingegen fordert eben jene Neuwahlen. Für die FPÖ führt „daran kein Weg mehr vorbei“, so ihr Chef Herbert Kickl. Auch die liberalen Neos sehen keine Legitimation für den Umbau der ÖVP. Die Sozialdemokraten der SPÖ wiederum zeigen sich nur „bereit für Neuwahlen“ – zu groß ist dort wohl die Angst, im derzeitigen Chaos könnte ein neuerlicher Urnengang auch ihnen eher schaden als nutzen.
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So am Rande kommt mir in den Sinn, wer den Basti so alles zum Vorbild erklärte. Meinte nicht einst ein gewisser Markus Söder sinngemäß "so einen Kanzler bräuchte Deutschland" Er war doch der Star der europäischen Konservativen und vor allen der der CSU. Aber, naja, das war Viktor Orban auch zeitweise.
Scheinbar ist eine konservative Grundhaltung ein guter Nährboden für politisches Abenteurertum bis hin zu schmutzigen Deals, Korruption, Abschottung und Unterdrückung.
"Meinte nicht einst ein gewisser Markus Söder sinngemäß »so einen Kanzler bräuchte Deutschland«"
Hart ins Gericht mit dem Markus geht heute SPIEGEL online:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-versager-markus-soeder-vom-team-maulheld-kolumne-a-cddc0982-e51a-4e81-bf12-8326e5ae32fd