
Wie sehr wackelt das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen?


Es bleibt bei 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, betont der Kanzler. Doch vom Mieterschützer bis zur Baubranche gibt es daran massive Zweifel.
Den Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu dämpfen, ist eines der zentralen Versprechen der Ampel-Koalition. Doch der Ukraine-Krieg lässt das Ziel, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen – darunter 100.000 Sozialwohnungen – kaum mehr erreichbar erscheinen. Denn die Preise für Baumaterial und Handwerker sind heftig gestiegen. Die Kreditzinsen haben auch zugelegt. Zahlreiche Vorhaben, ob für Einfamilienhäuser oder Wohnblocks, wurden bereits storniert. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz will trotz der Kosten-Krise nicht vom ehrgeizigen Richtwert im Koalitionsvertrag abrücken. "Wir halten an dem Ziel fest, gerade auch, wenn jetzt die Bedingungen schwieriger werden."
Bauen auf dem Dach, in Serie, aber ohne Stellplatz
Im sonnigen Garten des Bundeskanzleramts stellte der SPD-Politiker am Mittwoch zusammen mit seiner Parteifreundin, Bauministerin Klara Geywitz, die Pläne vor, mit denen das gelingen soll. Zahlreiche Vertreter von Wohnungs- und Bauwirtschaft, Gewerkschaften und Politik haben sich in einem von der Regierung initiierten Bündnis auf ein umfangreiches Maßnahmenbündel geeinigt. 14,6 Milliarden Euro stellt der Bund laut Geywitz in den kommenden drei Jahren dafür zur Verfügung.

Vorgesehen sind etwa eine deutliche Verschlankung und Digitalisierung der Genehmigungsverfahren, eine Förderung serieller oder modularer Bauverfahren sowie von Klimaschutzmaßnahmen bei Gebäuden. Die, das zeige die aktuelle Energiepreismisere, zahlten sich bei den Nebenkosten aus. Abstandsregelungen, Brandschutz, Denkmalschutz, Natur- und Schallschutz - all das solle auf den Prüfstand, so Geywitz.
Zusätzliche Flächen will sie durch Nachverdichtung oder die Bebauung von Gebäude-Dächern gewinnen. Für mehr Neubau seien auch Abstriche bei der bisher nötigen Zahl von Stellplätzen nötig. Sie kündigte zudem steuerliche Erleichterungen für sozialen Wohnungsbau, aber auch Maßnahmen zur Förderung des Erwerbs von Wohneigentum für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen an.
Kann das klappen? Teilnehmer haben Zweifel
Doch selbst Teilnehmer der Runde haben massive Zweifel, ob die zur Verfügung gestellten Mittel genügen, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen. "Die Arbeit des Bündnisses ist von der Realität überholt worden", sagte der Präsident des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. Peter Hübner, Präsident des Branchenverbands Bauindustrie, betonte zwar, dass das Maßnahmenpaket wichtige Punkte enthalte, bemängelte aber die aus seiner Sicht viel zu geringe finanzielle Ausstattung: "Wir befinden uns nicht in Normalzeiten, weshalb mehr nötig sein wird, um den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum auch in Krisenzeiten zu decken." Er forderte "mehr Wucht im Wohnungsbau". Haus-&-Grund-Chef Kai Warnecke sagte: "Man muss offen und ehrlich sagen, da ist vieles völlig unrealistisch, da kann sich die Bundesbauministerin bemühen, wie sie mag."
Auch aus der Union kommt Kritik am Vorgehen der Regierung. Bauexperte Ulrich Lange (CSU) sagte unserer Redaktion: "Das Bündnis war von Anfang an überfrachtet, mit Teilnehmern, mit Vorhaben, mit Erwartungen. Deshalb überrascht es nicht, dass nicht wirklich viel dabei herausgekommen ist." Dagegen sei es "eine echte Überraschung, dass Ministerin Geywitz immer noch an den 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr festhält, obwohl selbst viele Bündnispartner das Ziel nicht für erreichbar halten."
Clara Geywitz winde sich in dieser Frage und betone nun, dass es darum gehen müsse, grundsätzlich in der Lage zu sein, 400.000 Wohnungen bauen zu können. Dabei sei klar, dass nun "eine stabile Förderpolitik und zügige Umsetzung von schon lange vorliegenden Erkenntnissen" nötig sei. Dafür aber reichten die eingeplanten Mittel nicht annähernd, sagte Lange.
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