Sportexperte Froböse: "Bewegungsgipfel ist ein Feigenblatt für die Politik"
Der Sportwissenschaftler fordert mehr Mitdenken bei der Bewegung: von der Kita über Schulen und Unternehmen bis hin zur Städteplanung. Denn der Bewegungsmangel steige dramatisch.
Der zweite Bewegungsgipfel der Bundesregierung am 12. März steht unter keinen guten Vorzeichen: Eigentlich wollen Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) sowie Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) an diesem Dienstag gemeinsam mit vielen Akteuren einen Entwicklungsplan Sport verabschieden. Vor allem sollen konkrete Maßnahmen festgeschrieben werden, um Bewegung und Sport für alle Menschen in Deutschland möglich zu machen. Doch die Landessportbünde erklärten bereits, nicht teilnehmen zu wollen. "Wenn die Landessportbünde nicht mit dabei sind, fehlen die wichtigsten Player", sagt der renommierte Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse gegenüber unserer Redaktion. Für Froböse steht aber ohnehin fest: "Dieser Bewegungsgipfel ist ein Feigenblatt für die Politik. Er springt viel zu kurz."
Denn nach Ansicht von Froböse "fehlen verpflichtende Regeln für mehr Bewegung in allen Lebensbereichen". Dabei sei dies wichtiger denn je, betont der Universitätsprofessor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln: "Wir brauchen verpflichtende Konzepte in allen Lebensbereichen, denn wir bewegen uns ja immer noch weniger, der Bewegungsmangel wird immer noch schlimmer – mit gravierenden Auswirkungen für die Gesundheit und für unsere Gesellschaft insgesamt."
Schon jetzt brächten beispielsweise viele Kinder und Jugendliche gar nicht mehr die körperliche Konstitution mit, um viele Ausbildungsberufe anzugehen. "Etwa 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sitzt im Schnitt rund 10,5 Stunden täglich. Das kann nicht gesund sein", warnt Froböse. In Unternehmen wiederum stiegen die Fehlzeiten infolge von Krankheiten, die aufgrund von Bewegungsmangel zunehmen.
Sportwissenschaftler Froböse: "Parks in Städten müssen Pflicht werden"
Daher ist es für Froböse höchste Zeit, auf allen Ebenen zu handeln. So müsste es beispielsweise in allen Kitas Pflicht sein, dass ausgebildete Expertinnen und Experten die Jüngsten für mehr Bewegung begeistern. Das Gleiche gelte für Grundschulen: "Das Fach Sport darf kein Nebenfach mehr sein, das regelmäßig ausfällt. Denn bekanntlich ist es doch so: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Aber auch in der Stadtplanung sieht Froböse dringenden Handlungsbedarf: "Nicht Parkplätze für Autos dürfen hier Vorrang haben, sondern Parks, die öffentlich zugänglich sind, müssen Pflicht werden. Und warum sind die wenigen Sporthallen so oft geschlossen? Sporthallen müssten rund um die Uhr geöffnet haben und Personal eingesetzt werden."
Aber auch Unternehmen müssen nach Einschätzung von Froböse aktiver werden, "die großen Konzerne bieten hier schon viel an, doch bei kleinen und mittleren Unternehmen fehlt oft ein Kursangebot". Außerdem schlägt der Experte ein Bonussystem vor, damit auch wirklich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitmachen. "Und auf der politischen Ebene brauchen wir Vorbilder: Politiker, die joggen und die vorleben, wie wichtig Bewegung ist. Große, bundesweite Bewegungsaktionen wären wichtiger als ein Bewegungsgipfel." In Deutschland werde dagegen Sport vor allem geschaut, "doch unsere Spitzensportler taugen nicht als Vorbilder, das sind Gladiatoren und Gladiatorinnen".
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