Die Landwirtschaft ist der Stabilitätsanker in schweren Zeiten
In der weltweiten Lebensmittelkrise dürfen Bauern nicht durch Regulierungswut überfrachtet werden. Minister Özdemir muss den Spagat zwischen grünen Erwartungen und der harten Realität meistern.
Auch über der Grünen Woche in Berlin, der wichtigsten Agrarmesse der Welt, hängt der dunkle Schatten des brutalen Krieges im Osten Europas. Wo es - vor der zweijährigen Corona-Pause - darum ging, das Füllhorn der weltweiten Landwirtschaft zu feiern, Käsehäppchen zu probieren und niedliche Kälbchen zu streicheln, sind viele Gespräche heute von tiefer Sorge erfüllt. Durch die russische Invasion der Ukraine, die einer der wichtigsten Weizenproduzenten der Erde ist, wurde die Ernährungssicherheit vieler Länder schwer erschüttert. Kalorien, so zeigte sich schmerzhaft, lassen sich im gnadenlosen Kampf um geostrategische Macht ebenso als Druckmittel missbrauchen, wie Gas oder Öl.
Zwar sind auch in Deutschland die Lebensmittelpreise massiv gestiegen, doch ums tägliche Brot muss hier niemand fürchten. Denn eine vielfältige heimische Landwirtschaft sorgt dafür, dass Grundnahrungsmittel ausreichend, in hoher Qualität und dennoch bezahlbar zur Verfügung stehen. Unterbrechungen in den weltweiten Lieferketten können kompensiert werden, Lebensmittel sogar in der Krise noch an andere Länder geliefert werden. Die Politik, allen voran der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, muss alles dafür tun, dass die deutsche Landwirtschaft ein solcher Stabilitätsanker bleibt.
Gelingt dies nicht, droht eine Situation wie mit der Energie. Aberwitzige Preisexplosionen bei Gas, Strom und Sprit sind die Folge einer verfehlten Politik, die höchste Ansprüche stellt, die in der Praxis kaum erfüllbar sind. Es besteht ja kein Zweifel, dass ein Ausstieg aus der Kohleverstromung aus Klimaschutzgründen unverzichtbar ist. Wenn aber gleichzeitig auch die - zumindest klimatechnisch gesehen - weniger schädlichen Atomkraftwerke abgeschaltet, eigenes Gas der Umwelt zuliebe in der Erde bleibt und der Ausbau der Erneuerbaren verschlafen wird, sind gefährliche Abhängigkeiten unvermeidlich. Von russischem Öl und Erdgas, französischem Atomstrom oder Fracking-Gas aus den USA.
Die Landwirtschaft ist bunt – und soll es auch bleiben
Sich selbst bloß nicht irgendwie die Finger schmutzig machen, aber bei Einfuhren wegsehen - nach diesem unausgesprochenen Motto laufen auch viele Diskussionen in der Landwirtschaft. Natürlich ist völlig klar, dass es Auswüchse und Fehlentwicklungen gibt, etwa einen teils übermäßigen Einsatz von Chemie auf den Feldern und manche fragwürdigen Bedingungen in der Tierhaltungen. Diese müssen abgestellt werden.
Doch in der Landwirtschaft herrscht bereits die Buntheit, auf die gerade die Grünen so viel Wert legen. Es gibt familiäre Höfe, mittelgroße Betriebe und auch große Einheiten, die gleichermaßen verantwortungsbewusst arbeiten. Ökobauern und konventionelle Landwirtinnen, die ihren Beruf lieben und auf ihre Produkte zu Recht stolz sind. Ebenso vielfältig sind die Verbraucher: Die einen wollen die Kuh, die ihre Milch spendet, mit Namen kennen, andere legen Wert auf die immer zahlreicheren Güte- und Haltungssiegel auf der Packung. Viele schauen, oft gezwungenermaßen, hauptsächlich auf das Etikett mit dem Preis.
Neue Regeln für die Landwirtschaft nur mit Maß und Ziel
So wie hundert Prozent Ökostrom und -wärme wünschenswert wären, sind auch die allerhöchsten Standards bei Umwelt- und Klimaschutz, bei Tierwohl und Nachhaltigkeit, die die grüne Basis fordert, ein hehres Ziel. Doch erreicht werden kann es nur Schritt für Schritt und ohne ideologischen Eifer. Wenn immer mehr Auflagen am Ende dafür sorgen, dass immer weniger heimische Landwirte unter diesen als gängelnd empfundenen Bedingungen produzieren können oder wollen, ist nichts gewonnen. Wie im Bereich Energie wäre Deutschland auf Einfuhren von teils zweifelhaften Waren angewiesen, politisch erpressbar und irgendwann Opfer explodierender Preise. So weit darf es Özdemir nicht kommen lassen.
Die Diskussion ist geschlossen.
" Doch erreicht werden kann es nur Schritt für Schritt und ohne ideologischen Eifer."
Herr Junginger hat da wohl den Sankt Nimmerleinstag im Auge, denn Özdemir ist seit langer Zeit der erste Landwirtschaftsminister, der wieder in die richtige Richtung geht. Und schon beginnt überall das große Geheule.