Kanzler Scholz reist Ende der Woche nach China. Er ist nach Jahrzehnten der erste deutsche Regierungschef, der um den Respekt des Landes werben muss.
China ist praktisch überall: im Essen und in der Verpackung drumherum beispielsweise und bald auch auf dem Smartphone des Kanzlers. Olaf Scholz will sich auf der umstrittenen chinesischen Videoplattform TikTok anmelden. Die Sympathie für den SPD-Politiker schwindet, da kann ein wenig Imagepflege nicht schaden. In Peking werden sie diese Bemühungen mit einem diskreten Schmunzeln zur Kenntnis nehmen. Ende der Woche reist der Kanzler ins Reich der Mitte. Einst saßen deutsche Politikerinnen und Politiker als Geber in der riesigen Halle des Volkes. Heutzutage sind sie Nehmer. Doch sie müssen nehmen, was ihnen angeboten wird.
Mit einem Handelsvolumen von über 250 Milliarden Euro war China 2023 zwar der größte Handelspartner Deutschlands. Das Volumen brach jedoch um etwa 15 Prozent ein, und das Warenbild hat sich komplett verändert. Früher ging Hightech „Made in Germany“ nach China, dafür kamen Billigartikel zurück. Heutzutage produzieren die Chinesen wettbewerbsfähige Autos, Handys, Solaranlagen oder Halbleiter.
Peking verbannt Windows
Die zentrale Volksregierung hat gerade einen 24-Punkte-Plan zur Unterstützung ausländischer Unternehmen vorgelegt, mit dem sie um Investitionen wirbt. Gleichzeitig jedoch arbeitet das Land intensiv daran, Abhängigkeiten in Handelsbeziehungen und in den Lieferketten abzubauen – und zwar tut es das schon viel länger als die EU und die USA, wie der Think Tank Mercator Institute for China Studies (MERICS) beobachtet hat. Demnach ersetzt Peking auf seinen Regierungscomputern Chips westlicher Anbieter und das Betriebssystem MS-Windows durch eigene Produkte.
Die Atommacht China verfügt mittlerweile über eine der größten Armeen der Welt und will zunehmend in der internationalen Politik mitmischen. Mit Staatschef Xi Jinping ist das Land zu einem wichtigen Faktor im Nahen Osten geworden. Dort berühren sich wiederum Chinas Interessen und die der USA. Hinzu kommen andere Konflikte wie die Taiwanfrage.
Scholz muss auftrumpfen
Kanzler Scholz wird nach außen hin zwar versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass Deutschland im Konzert der Supermächte mitspielen darf. Doch in Wahrheit muss sich Berlin mittlerweile in die Schlange derer einreihen, die lange auf einen Termin in Peking warten. Scholz war zuletzt im November 2022 in Peking. Im Mai letzten Jahres lud das Land Finanzminister Christian Lindner kurzfristig wieder aus. Vizekanzler Robert Habeck war noch nicht dort, und um die bevorstehende Scholz-Reise gibt es ein merkwürdiges Gezerre. Seit Wochen schon ist die Reise öffentlich bekannt. Die Details sind aber immer noch nicht geklärt. Ein sicheres Indiz dafür, dass dem Besuch in Peking keine Priorität eingeräumt wird.
Scholz muss in China also Schadensbegrenzung betreiben und dafür sorgen, dass Deutschland nicht noch weiter nach hinten durchgereicht wird und den Anschluss verliert. Handels- und sicherheitspolitisch steht zu viel auf dem Spiel. Gleichzeit sollte der SPD-Politiker aufpassen, dass sich Geschichte nicht wiederholt.
China-Strategie gegen Baerbock
Nachdem sich die Bundesrepublik jahrelang an Russland anschmiegte und es sich wirtschaftlich gut gehen ließ, kam mit dem Ukrainekrieg bekanntlich das böse Erwachen. Damit Deutschland nicht ein zweites Mal in die Diktatorenfalle tappt, stellte die Ampelkoalition im vergangenen Sommer zwar eine China-Strategie vor. China sei „Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale“, heißt es in dem Papier. Sie spricht sich allerdings für eine Risikoverringerung (De-Risking) und ausdrücklich nicht für eine Abkoppelung aus.
Auf seiner letzten China-Reise lächelte Scholz viel. Nun ist es an der Zeit, Zähne und Selbstbewusstsein zu zeigen. Ein nettes Gesicht kann er auf TikTok machen.
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Respekt muss man sich verdienen und zwar in den man andere respektvoll behandelt. Man kann durchaus hart verhandeln, so lange man respektvoll bleibt.
Die permanenten verbalen Ausfälle und Herabwürdigungen gehen China Stunde aber weder respektvoll noch angemessen. Sie Zeugen eher von Ignoranz, Überheblichkeit und Missachtung. So etwas geht nicht lange gut.
Mal schauen was Herr Scholz liefert. Ich traue ihm diplomatisch korrektes Handeln im Sinne der BRD durchaus zu.
„Ich traue ihm [Olaf Scholz] diplomatisch korrektes Handeln im Sinne der BRD durchaus zu.“
Im Moment steigt ganz allgemein das Vertrauen der Bundesbürger zu unserem Bundeskanzler. Und wenn die CDU bei der nächsten Bundestagswahl tatsächlich einen Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten ins Rennen schickt, dann werde ich ganz sicherlich erneut die Union nicht wählen; vielleicht wähle ich dann sogar das erste Mal in meinem Leben die SPD.
Und den Dritten, Robert Habeck von den Grünen, hielt ich noch nie für einen geeigneten Kanzlerkandidaten. In meiner Einschätzung bestärkt hat mich der soeben unter shz.de veröffentlichte Artikel, also dem Zeitungsverlag in Flensburg, der Heimat von Robert Habeck.
(Quellen:
https://www.n-tv.de/politik/Die-Union-verliert-in-drei-Fragen-article24859882.html;
https://www.shz.de/deutschland-welt/schleswig-holstein/artikel/fachkraeftemangel-kanzleramt-robert-habeck-ist-nicht-beste-loesung-46789983)
Helmut Eimiller
Ach Herr Lange . . .
. . . . ob nun Bundeskanzler Scholz oder sonst wer . . . . .
. . . . im Land des Lächelns Zähne zeigen : - ))
Der Bundeskanzler muß keine Zähne zeigen. Der Bundeskanzler muß zeigen, daß er etwas von Diplomatie versteht. Diploimatie bedeutet, daß man zwar seine Ziele verfolgen muß aber sich von dem Gedanken ... was bringt mir den größten Vorteil ... verabschieden muß. Am Ende muß immer ein für beide Seiten tragfähiger Kompromiß stehen.
NZZ Matthias Sander, Shenzhen 04.04.2023, 11.00: "China sieht Europa teilweise als Vasallen der USA – und will es am liebsten loseisen"
Könnte wohl sein, dass Kanzler Scholz mit aller Härte, Konsequenz und Biss der chinesischen Regierung klar macht, dass weder die EU noch Deutschland Vasallen der Amerikaner und Chinesen sind oder sein werden. Und die USA, China und EU gleichberechtige Partner sind zum Wohle der globalen Wirtschaft, des Friedens und der Demokratie.
Gunther Kropp, Basel
„Könnte wohl sein“
aber da es hier um Olaf Scholz geht, könnte es wohl eher nicht.
Scholz „mit aller Härte, Konsequenz und Biss“ -das glauben Sie doch selbst nicht.
Die Frage ist allerdings auch, ob es eine diplomatisch kluge Idee ist, in Peking „mit aller Härte, Konsequenz und Biss“ aufzutreten. Darauf reagieren Chinesen in der Regel wenig kooperativ.
Ansonsten hat Scholz den Chinesen auch nix anzubieten. Technologisch haben sie von uns alles was sie wollten und als Markt sind wir auch zunehmend uninteressant
@Thomas T.
Antwort von Gunther Kropp, Basel
China hat über 1.4 Milliarden Einwohner. Es gibt Dutzende von Millionenstädte mit Gebäudekomplexen in den zigtausende Menschen leben. Die Chinesen brauchen den Handel mit dem Westen, wenn nicht wird Arbeitslosigkeit und Armut geben, es werden Unruhen ausbrechen. Ein Riesenreich mit 1.4 Milliarden Menschen kann man nicht mehr unter Kontrolle halten und es kommt zum Total-Kollaps, der den gesamten Globus mit in den Abgrund ziehen wird. Man darf wohl annehmen dürfen, dass die chinesische Regierung dieses Szenario schon längst im Hinterkopf hat und hofft der Rest der Welt ist Blind, Taub und Gehorsam.
Sehr geehrter Gunther K.
China ist mit seine. 1,4 Mrd. Menschen ein so gewaltiger Binnenmarkt, dass die eigentlich gar niemanden anderen benötigen. Nur zur Erinnerung- das „deutsche Wirtschaftswunder“ lebte auch vom Binnenmarkt.
Das Wachstum in China wird Wohlstand für alle Chinesen schaffen - wenn die Rohstoffe verfügbar sind - und dafür ist Deutschland irrelevant
Sie tippen Ihre Zeilen auf einer Tastatur, die zumindest in Teilen aus China kommt, Herr K. aus B. in der Schweiz. Ihre Maus genauso und das Tablet/der Läppi/oder der Computer ebenfalls. 40 % der Unterhaltungselektronik in Ihrem Haushalt sind zumindest teilweise chinesischer Provenienz.
Glauben Sie im Ernst, China hätte irgendwelche Angst vor westlichen Drohungen?
@Thomas T.
Antwort von Gunther Kropp, Basel
NZZ Beat Hotz-Hart 02.03.2023, 05.30: "Export als treibender Faktor: China ist viel zu stark von seinen Exporten und damit von der Auslandnachfrage abhängig. Seit 2000 belaufen sich die Exporte als Anteil am Bruttoinlandprodukt auf 24 Prozent und mehr, mit Spitzenwerten von über 35 Prozent in den Jahren 2005 und 2006."
Korrekt China ist "ein gewaltiger Binnenmarkt". Möglich, dass in Peking erkannt wurde, dass es noch zu wenige kaufkräftige Konsumenten im Reich der Mitte gibt, die alle Produkte kaufen können, die im Riesenreich produziert werden.
Die Zeiten haben sich eben gewandelt. China geht seinen Weg zur Weltmacht und DEU mit seiner Wertepolitik, die von den Grünen ständig angepriesen wird, steht da nur noch in zweiter Reihe. Belehrungen und erhobener Zeigefinger sind dort gar nicht beliebt.
Man empfängt Vertreter dieser Klientel einfach nicht wie Habeck und Baerbock. Scholz darf nun den Spagat einer pragmatischen
Kooperation in der Wirtschaftspolitik üben. Das ständige Herumreiten auf Lieferkettengesetz Anwendung und Mahnungen RU nicht wirtschaftlich im UA Krieg zu unterstützen oder gar den Kiewer 10 Punkte Friedensplan andienen laufen in Peking ins Leere.
Berlin muss einfach endlich erkennen, dass auch die Idee Wandel durch Handel im Sinne deu links- grün-liberalen Demokratieverständnisses dort auf Granit beisst.