Ihre perverse Leidenschaft: Krieg spielen
Sie sind Arbeiter, Beamte und sogar ein Gefängnisbediensteter gehört zu der Gruppe. "Normale Leute", sagt Augsburgs Kripochef Klaus Bayerl. Doch sie haben eine perverse Leidenschaft: Krieg spielen. Und die Schlachten des Zweiten Weltkriegs sollten möglichst originalgetreu nachgestellt werden.
Von unserem Redaktionsmitglied Holger Sabinsky, Augsburg.
In unserer Region waren die Waffenfreaks laut Augsburgs Polizeichef Klaus Waltrich dabei, eine Wehrsportgruppe zu gründen. Zu diesem Zweck haben sich die Männer offenbar in den vergangenen Jahren mit allen Arten von Waffen versorgt, die auf dem Schwarzmarkt zu bekommen waren. Das Waffenarsenal, das die Augsburger Polizei am Donnerstagnachmittag präsentiert, ist gewaltig: Vier Maschinengewehre, sieben Maschinenpistolen, scharfe Handgranaten, 1,1 Kilo Sprengstoff und Dutzende Gewehre. Dazu Stahlhelme, SS-Uniformen, Nazi-Flaggen. Die Waffen wurden teilweise als Deko-Ware in Osteuropa gekauft und zu funktionsfähigen Waffen umgebaut. Teilweise stammen sie aber auch aus Bundeswehrbeständen. Der Sprengstoff TNT stamme aus Ex-Jugoslawien, so ein Experte vom Landeskriminalamt.
Der entscheidende Tipp kam im November vom Verfassungsschutz. In Süddeutschland solle eine Folgeorganistion des "Europäischen Darstellungsvereins für Lebendige Geschichte" (EDLG) aus Nordrhein-Westfalen gegründet werden. Dieser Verein ist laut Landeskriminalamt in Bayern bislang überhaupt nicht in Erscheinung getreten. Vom nordrheinwestfälischen Verfassungsschutz wurde die Gruppe freilich schon länger beobachtet. Der Vorsitzende des Vereins sei ein "bekannter Rechtsextremist". Laut Augsburger Polizei ist der 31-Jährige aus Bad Oeynhausen erst kürzlich aus dem Gefängnis gekommen, sei aber in Süddeutschland zumindest nicht direkt aktiv.
Die Augsburger Ermittler machten sich ans Werk. Nach Informationen unserer Zeitung sollen auch V-Leute eingesetzt worden sein. Mittwochfrüh um 5 Uhr schlugen die Ermittler dann gleichzeitig in Süddeutschland, in der Region Bielefeld und in Wien zu. Polizeichef Waltrich geht es vor allem um die "Abwehr eines gewaltigen Gefährdungspotenzials". Unabhängig von der Motivlage der bislang 18 Beschuldigten dürfe nicht akzeptiert werden, dass so eine Menge gefährlicher Waffen gebunkert und zum Krieg spielen verwendet würden. "Allein die Verfügbarkeit ist eine Gefahr."
Nach bisherigen Ermittlungen haben die Waffennarren, die im Alter von 25 bis 52 sind, gegen das Waffen- und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Einige von ihnen seien bereits polizeibekannt wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen wie Hakenkreuz und ähnlichem so genannte Propagandadelikte. Konkrete Anschläge hätten die Männer nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht geplant, sagte Kripochef Bayerl.
Doch die Ermittlungen dauern an und sie sind umfangreich. Eine Menge Schriftenmaterial sowie Datenträger des Vereins wurden gefunden und müssen ausgewertet werden. Auch daher hüllen sich die Ermittler teilweise noch in Schweigen. Sie verraten zum beispiel partout nicht, welches Militärgelände im Landkreis Augsburg durchsucht wurde. Nach Informationen unserer Zeitung handelt es sich um ein ehemaliges Munitionsdepot der Bundeswehr auf dem Lerchenberg, an der Landkreisgrenze zwischen Augsburg und Dillingen. Daneben sind offenbar etliche Wohnungen in der Region durchsucht worden, unter anderem bei Neuburg, Neu-Ulm, Donauwörth, Meitingen (Kreis Augsburg).
Die Augsburger Ermittler sind mit ihrem Schlag einer für Anfang Mai geplanten, groß angelegten Kriegsspiel-Aktion in Tschechien zuvorgekommen. Da hätten die Männer sich wieder in ihre Uniformen geworfen, den Stahlhelm aufgesetzt und eine Schlacht der Leibstandarte Adolf Hitler nachgespielt. Scharfe Munition werde bei solchen Spielen, obwohl vorhanden, nicht benutzt, heißt es bei der Polizei.
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