
Warum ein 101-jähriger Stuttgarter noch immer durch die Welt tourt

Horst Matuszewski ist ein beneidenswertes Phänomen. Der 101-Jährige ist nicht nur körperlich völlig fit, sondern hält sich als Vielreisender mit Eindrücken aus aller Welt fit.
Glücklich strahlen die hellblauen Augen von Horst Matuszewski beim Anblick des Meers. Endlich das Kreuzfahrtschiff Vasco da Gama erreicht. Die sanfte Abendbrise weht durch seine grauen Haare. Eine Hand mit einem Siegelring am Finger liegt entspannt auf der Reling, die andere hält den messingfarbenen Gehstock mit braunem Holzknauf. Und wieder hat den 101-jährigen Vielreisenden das Fernweh gepackt, die Lust, Unbekanntes zu erleben.
101 Jahre – sein Alter sieht man dem rüstigen, kleinen Herrn bei Weitem nicht an. "Ach die Leute glauben mir eh nie, wie alt ich bin, das bin ich schon lange gewohnt. Meist denken die, dass ich sie auf den Arm nehmen will", schmunzelt Horst Matuszewski. Klaren Durchblick hat er allemal. Eine Brille braucht er nicht. Mit dem Hören wird es ein bisschen schwieriger, aber da gibt es ja kleine, feine Helferlein.
Matuszewski entdeckte früh seine Leidenschaft fürs Reisen
In Berlin hat Horst Matuszewski am 27. Februar 1922 das Licht der Welt erblickt. Auch seine Eltern waren schon gerne unterwegs. So wurde die Freude am Reisen an den Sohn weitergegeben. Mit blinzelnden Augen erzählt Matuszewski, wie glücklich er darüber ist, dass seine Frau Irmgard ebenfalls das Reisen geliebt hat; was das für ein großes Glück sei, wenn beide diese Leidenschaft teilen. Leider ist Irmgard vor elf Jahren verstorben.
Ganz früher war die Familie mit Zelt auf Reisen. Manchmal gönnte man sich auch eine kleine Pension. Großartig wurde es 1959: Mit dem nagelneuen Wohnwagen ging es in die Stadt der Liebe. Matuszewskis Blick wird hellwach: "Damals hatte ich noch einen VW, mit dem und Wohnwagen sind wir dann ab nach Paris. An der Place de la Concorde war dann fast das Ende. Mit dem Wohnwagen hinten dran bin ich beinahe nicht mehr herausgekommen. Dann ist noch das Steuerrad abgebrochen!" Es hat dann doch noch alles geklappt, das Steuerrad wurde repariert und weiter ging es nach Rom.
Mit dem Wohnwagen erkundete er fast ganz Europa
Es folgten noch unzählige Urlaube ohne und mit dem geliebten Wohnwagen. Fast ganz Europa wurde mit der rollenden Bleibe im Schlepptau erkundet. Das Reisejahr begann an Ostern mit der fast obligatorischen Fahrt an den Gardasee, es folgten Reisen zu Pfingsten, im Sommer und im Herbst. Im Laufe der Jahre kamen dann noch ein bis zwei Fernreisen hinzu. Nicht zu vergessen, die eigene Ferienwohnung am Lago Maggiore.
Der Mauerbau 1961 in Berlin – Matuszewski war damals 39 – war für die Familie ein einschneidendes Erlebnis. Sie waren in Österreich im Urlaub, diesmal in einer kleinen Pension. Die dramatischen Ereignisse sprachen sich rasch herum. Schnell wuchs die Unsicherheit, ob man denn überhaupt wieder nach Hause kommen konnte. Glücklicherweise ging alles gut.
"Es gab keine Reise, die nicht schön war"
1962 zog es die Familie dann von Berlin in den Süden Deutschlands nach Stuttgart. Matuszewski bekam ein Arbeitsangebot bei einem großen Versicherungsunternehmen. Noch heute wohnt der alte Mann allein in Stuttgart. "Natürlich versorge ich mich selbst, kochen ist kein Problem", sagt er. Fast entschuldigend ergänzt er, "eine Reinigungshilfe hab ich, das gebe ich ja zu."
Wir sitzen zusammen mit seinem Sohn Rainer, der auch schon 74 Jahre alt ist, in einer der Bars an Bord der Vasco da Gama, dem Paradeschiffe von Nicko Cruises, und ich bitte den charmanten Herrn in blauer Jacke und gelbem Poloshirt, noch ein bisschen mehr über seine Reisen zu erzählen. Was wohl die schönste war? Matuszewski schaut mich erst mal ganz nachdenklich an, dann lacht er auf und meint: "Es gab keine Reise, die nicht schön war." Sohn Rainer fügt mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, "das liegt daran, dass Papa ein so positiver Mensch ist. Man könnte fast sagen, er sieht die Welt durch eine rosarote Brille."
Die Reise mit einem alten Schaufelrad-Dampfer über den Mississippi war für Matuszewski ein besonderes Erlebnis
Ein ganz besonders schönes Erlebnis beschreibt Matuszewski dann doch noch: "Mit dem alten Schaufelrad-Dampfer den Mississippi von Memphis nach New Orleans runter. Das war schon ein tolles Erlebnis." Dann fällt ihm noch die Tour in die Antarktis oder die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Peking ein. Sehr gerne erinnert er sich auch an die beeindruckenden Reisen in die USA. Sohn Rainer lebte dort 17 Jahre, so war das Land der unendlichen Möglichkeiten über Jahre hinweg ein beliebtes Ziel. "Ich war so hin und weg von der unglaublichen Vielfalt dieses Landes, die Amerikaner waren so nett und hilfsbereit. Ein Vorurteil musste ich auch ganz schnell ablegen. Die amerikanischen Frauen kochen viel besser, als ich gedacht habe."
Und schon erwacht wieder eine Erinnerung: "In drei Wochen Mexiko waren wir mit den günstigsten Bussen unterwegs, zwischen gackernden Hühnern und blökenden Ziegen und haben auf Säcken mit Mai gesessen. Dann sind wir an einem steilen Hang angekommen, da war die Straße komplett überspült. Mit einem Tau wurde der Bus an der gegenüberliegenden Seite festgezurrt und mit einer Winde durch den Strom gezogen. Wir mussten aufstehen, denn das Wasser ging uns im Bus bis an die Hüften!"
Reisen ist für Matuszewski wie Therapie
Durchaus überraschend ist die spontane Antwort auf die Frage, wo er denn auf keinen Fall nochmals hin wollte. "Thailand," kommt es prompt. "Das reicht einmal", fügt er energisch hinzu. Aber es gibt auch noch Sehnsuchtsorte. Neuseeland und die Südsee möchte er noch gerne sehen. "Vielleicht schaffe ich das ja noch", sagt er hoffnungsvoll. Ich drücke auf jeden Fall die Daumen, am liebsten würde ich auch den liebenswerten Senior einmal ganz fest drücken.
Natürlich möchte auch ich wissen, wie man es schafft, so fit alt zu werden. Matuszewski denkt nur kurz nach und meint: "Na ja, gesund leben halt." Da legt Sohn Rainer seine Hand auf den Arm seines Vaters und widerspricht: "Na ja, gesund leben tust du eigentlich nicht. Ich kenne aber das Geheimnis: Deine unglaublich positive Lebenseinstellung, du bist enorm kommunikativ und bei allen Leuten beliebt. Und das Reisen ist für dich eine Therapie für Kopf, Geist und Körper." Da nickt der alte Mann zustimmend.
Sohn Rainer ist seine liebste Begleitung
Gut gelaunt sitzen wir noch immer in der Bar an Bord und ich frage, warum sich Vater und Sohn für die Vasco da Gama entschieden haben. Natürlich kennt Horst Matuszewski das Schiff bereits von anderen Reisen. "Hier gibt es ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis", lobt er. "Ich brauche auch mal meine Ruhe, und es werden tolle Preise für Einzelkabinen angeboten." Auch die überdurchschnittlich langen Liegezeiten an den Häfen findet der Reiseprofi toll.
Schon seit einigen Jahren hat er das bequeme Reisen mit einem Kreuzfahrtschiff für sich entdeckt. Auch dank Sohn Rainer, der ein Reisebüro eröffnet hat und meist mit auf den Touren ist. "Meine liebste Begleitung", schwärmt Matuszewski. Immer wieder wird er gefragt, warum er keine Flusskreuzfahrten macht, sondern nur auf hoher See herumkreuzt. Die einfache Antwort: "Na, auf dem Rhein rumschippern kann ich auch noch, wenn ich alt bin!"
Die nächste halbe Weltreise hat der 101-Jährige bereits gebucht
Die Technik spielt bei dem hohen Alter aber schon mal verrückt. So war beim Buchen der Kreuzfahrt das Eingeben des Geburtstagsdatums 27.02.22 kein Problem. Problematisch wurde es aber, als die freundliche Kellnerin die Kabinennummer eingab und sah, dass das System nur alkoholfreie Getränke freigegeben hatte. Horst Matuszewski wollte aber sein wohl verdientes Bierchen schlürfen. Und die nette Servicekraft in adretter weißer Bluse mit schwarzer Weste fragte ungläubig, ob es wirklich in Ordnung gehe, dass ein einjähriges Baby Bier bekomme …
Horst Matuszewski macht inzwischen nur einen kleinen Teil der an Bord angebotenen Ausflüge mit – aus Rücksicht auf die Mitreisenden, die ihren Urlaub unbeschwert genießen sollen. Er will unbedingt vermeiden, dass die anderen Gäste auf ihn warten müssen. Auch wenn er mit seinem Stock noch gut unterwegs ist und gerne allein über Bord schlendert. Auf gar keinen Fall möchte Matuszewski in Zukunft einen Rollator benutzen! "Da sehen mir die Leute dann womöglich noch mein Alter an.", meint der 101-Jährige kopfschüttelnd. Die nächste halbe Weltreise auf der Vasco da Gama ist übrigens schon gebucht. "Vielleicht sehen wir uns da ja wieder", sagt Horst Matuszewski noch und verschwindet lächelnd um die Ecke.
Die Autorin Susanne Timmann recherchierte mit Unterstützung/auf Einladung von Nicko Cruises.
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.