Kapitänsbinde, Schurkenstaaten und Menschenrechte. Ist ja schwierig, den Überblick zu behalten. Daher: ein Leitfaden für die WM.
War ja auch noch nie so schwer, die Orientierung zu behalten. Was gerade noch verpönt war, ist plötzlich Symbol der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Ein Zeichen des zivilen Widerstands. Die Welt dreht sich immer schneller, die Fliehkräfte können einen schnell an den Rand der Gesellschaft treiben. Aufgabe des Journalismus muss es dann auch sein, Pflöcke reinzurammen, an denen sich festhalten lässt. Oder eben einen Kompass zur Verfügung zu stellen, mit dem sich durch die Debatten lavieren lässt.
One-Love könnte Motto eines 90er-Jahre Techno-Umzugs sein
Die One-Love-Binde nun zum Beispiel: War hierzulande ja verpönt, weil sie so arg nichtssagend daherkam in ihrem wahllos farbigen Design und mit dem Sprüchlein, das auch Motto eines 90er-Jahre Techno-Umzugs hätte sein können. Die Deutschen haben ja seit den frühen 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein durchaus ambivalentes Verhalten zu Binden. Erst wollten sie alle tragen und später wollte sie dann niemand getragen haben. Zeiten ändern sich. Aber klar, Orientierung und so: "One Love" ist jetzt gut. Viel besser als "No Discrimination". Weil das nämlich die Fifa auf ihre Binde druckt. Und die Fifa ist böse. Durch und durch. Ist ganz einfach.
Im Vergleich zu Saudi-Arabien ist Katar eine Regenbogen-Nation
Schwieriger wird es schon bei der Frage, ob man dem inneren Impuls folgen darf, sich über Außenseiter-Erfolge zu freuen. Also beispielsweise über den Erfolg der Saudis gegen Argentinien. Weil: Im Vergleich zu Saudi-Arabien ist Katar eine Regenbogen-Nation. Sich also mit einem Team freuen, dessen politische Führung einen Journalisten hat zersägen lassen? Nein! Schnell wieder runter mit den Jubel-Armen.
Um was für das Gewissen zu tun und eben nicht nur maulheldig Sportlern in 5000 Kilometern zu sagen, was sie zu tun haben, rein zu Rewe. Der Edel-Konzern, dessen Vertrag mit dem DFB sowieso ausgelaufen wäre, der nun aber schon die Zusammenarbeit während der WM beendet. Tue Gutes und rede darüber. Dann mal bei den Menschenfreunden ein Kilo Hähnchenschenkel für 5,13 Euro kaufen. Waren garantiert glückliche Viecher, die von glücklichen Menschen gekeult wurden. Tönnies und so.
Und wer dann auf dem Nachhauseweg vom Supermarkt noch ein Obdachlosen-Magazin kauft, sollte sein Moral-Konto wieder so weit aufgeladen haben, dass ruhigen Gewissens die Abreise der deutschen Mannschaft aus diesem Schurkenstaat gefordert werden kann.
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht in der Kritik, auch in der Redaktion haben wir ausführlich darüber diskutiert. Eine Einordnung, warum wir das Sportevent dennoch ausführlich journalistisch begleiten, lesen Sie in diesem Text.
Die Diskussion ist geschlossen.
Moralischer Kompass-Wenn man das schon hört. DEU glaubt es ist der moralische Wertezuchtmeister und Musterbeispiel für andere Länder irrt. Am deu Wesen wird die Welt nicht genesen. Wir verderben uns da als Ergebnis nur Absatzmärkte für unsere Waren. Das gleiche gilt für Wandel durch Handel- eine Utopie ob im Fall Russland, oder auch China, Indien, Türkei usw. An so etwas können nur eingefleischte Gutmenschen jenseits von der Realpolitik glauben.
Gut, dass wir Gutmenschen haben. Und dass diese sich zu den universellen Werten der Menschheit bekennen.
Die Schlechtmenschen, denen Absatzmärkte etc. wichtiger sind als das Verhindern von Unterdrückung, Krieg und Totschlag wie auch der Schutz unserer Umwelt, hätten die Menschheit schon ausgerottet oder würden das bald tun.
Raimund Kamm
Es wäre auch schlimm wenn an dem aktuell heuchlerischen Wesen die Welt genesen würde. Gott schütze uns vor einer solchen Welt die Deutschland als Blaupause hätte. Ich meine damit nicht die Ökonomie sondern eher sie soft skills, sofern es die auch auf Nationenebene gibt. Beinahe hätte ichs noch vergessen: der erhobene Finger - 360°.
Sehr geehrter Herr Kamm
Ich gehe davon aus, dass Sie mit Gutmenschen u.a. unsere Innenministerin Nancy Faeser meinen, die ganz stolz mit Armbinde in einer Zig-Tausende Euro teuren Loge sitzt, deren Nutzung in so gut wie jedem deutschen Unternehmen den Compliance-Regeln zum Opfer gefallen wäre.
Die war ja, bevor sie sich die gut gekühlten Getränke in einem klimatisierten Stadion gegönnt hat, in Ankara. Haben Sie etwas davon gehört, dass Frau Faeser dort mit einer Armbinde gegen die aktuelle Bombardierung kurdischer Zivilisten durch die türkische Luftwaffe und die geplante Landoffensive der türkischen Armee herumgelaufen ist? Oder ist so etwas mit den moralischen Vorstellungen unserer Gutgutmenschen vereinbar?
Es sind die Doppelstandarts, die Doppelmoral, die Billigkeit des „Protest“ die zunehmend abstoßend wirken. Hinzu kommt die absolute Wirkungslosigkeit solcher Aktionen. Hat irgendeine internationale Kamera Frau Faeser mit ihrer Binde eingefangen? Geht es durch dieses Verhalten irgend einem Homosexuellen in Katar besser? Dieser alberne Auftritt diente gar nicht der Verbesserung der Lebensverhältnisse katarerischer Schwuler. Er diente einzig dem aufpolieren des Images von Frau Faeser. Das nenne ich Schlechtmensch.
Und nur so nebenbei - “ Die Schlechtmenschen, denen Absatzmärkte etc. wichtiger sind ….” Haben Lebens-Verhältnisse geschaffen, in deren Folge sich die Zahl der Menschen exorbitant erhöht hat und die Wachstumsraten steil nach Oben gingen.
Von “Ausrotten” ist da ja nun mal gar nichts zu erkennen - eher das genaue Gegenteil.