Ein Blick zurück auf das Nichts
Zwölf Wochen Bundesliga-Pause sind vorbei. Eine Zeit, die Fußball-Junkies als reines Nichts erleben. Wer das Sein nicht ausschließlich am rollenden Objekt festmacht, wird aber auch in dieser Ödnis noch Interessantes entdecken. Ein Rückblick. Von Anton Schwankhart
Von Anton Schwankhart
Augsburg Zwölf Wochen Bundesliga-Pause sind vorbei. Eine Zeit, die Fußball-Junkies als reines Nichts erleben. Wer das Sein nicht ausschließlich am rollenden Objekt festmacht, wird aber auch in dieser Ödnis noch Interessantes entdecken. Ein Rückblick.
1. Woche - Ernüchterung
Der VfB ist Meister. Das Schwabenland erwacht langsam wieder aus dem Trollinger-Delirium. Wer sichergehen will, bestellt keinen Daimler aus der Produktion dieser Tage. Gleiches gilt auch für die Folgewoche. Am Samstag will Stuttgart das Double feiern.
2. Woche - Auto bestellen
Die Party im Schwabenland ist zu Ende. Nürnberg gewinnt den Pokal. Wer mag, kann wieder bedenkenlos bei Daimler kaufen. Der Fußball-Fan spürt erste Anzeichen innerer Leere. Die Tage werden lang, die Wochenenden länger. Deutschland schlägt San Marino 13:0. Nichts, worüber man sich freuen kann.
3. Woche - Rätseltage
Kommt Ribéry zum FC Bayern? Die Zeitung Marca schreibt: "Franck will nicht nach München." Kommt Klose zum FC Bayern? Klose sagt: "Nächste Frage." Kommt Zé Roberto zurück? Manager Uli Hoeneß sagt: "Wir reden nicht, wir schaffen Fakten."
4. Woche - Chronik eines angekündigten Trainerendes
Holger Stanislawski unterschreibt beim Zweitliga-Aufsteiger FC St. Pauli einen Trainervertrag. Der 37-Jährige ist eine Kiez-Klub-Legende, seit 1993 als Spieler, Sportchef und Interimscoach im Amt. "Es klingt unromantisch, aber mit der Unterschrift beginnt mein letztes Kapitel bei St. Pauli. Meine Tage sind gezählt. Da mache ich mir nichts vor." In derart kühler Erhabenheit hat das noch keiner formuliert. Felix Magath hat daraus seine Lehren gezogen. Nach seinem Rauswurf beim FC Bayern ist er in Wolfsburg jetzt Trainer, Manager und Geschäftsführer in Personalunion.
5. Woche - Kallis Comeback
Karl-Heinz Feldkamp unterschreibt beim türkischen Erstligisten Galatasaray Istanbul einen Dreijahresvertrag. Vor einem Jahr, beim Gespräch mit Freunden auf der Terrasse seiner andalusischen Villa, hat Feldkamp die Rückkehr in den Trainerjob noch kategorisch abgelehnt ("Kommt nicht in Frage"). Damals war er 72 und offenbar noch zu jung. Ein Jahr später fühlt er sich alt genug. Nicht auszuschließen, dass ihm demnächst Dettmar Cramer (82) und Rudi Gutendorf (80) folgen werden. In München werden die Rätsel aus der dritten Woche gelöst. Der FC Bayern präsentiert Luca Toni und Franck Ribéry, die sich beide dem Charme der Landeshauptstadt sowie den finanziellen Zuwendungen des Klubs nicht mehr verschließen konnten. Sie werden das Geld brauchen können. München ist teuer. Zehn Euro kostet ein Parkplatz zukünftig im Arena-Parkhaus.
6. Woche - Scheidung auf Italienisch
Ein Traumpaar des Fußballs geht getrennte Wege. Nach Stefan Effenberg und Martina Effenberg sowie Stefan Effenberg und Claudia Effenberg scheitert auch die Beziehung zwischen Lothar Matthäus und Giovanni Trapattoni in Salzburg. Unüberbrückbare Differenzen nannte das Paar "Trapatthäus" in einer gemeinsamen Erklärung. Wie so oft stand am Beginn der Beziehung ein Missverständnis. Lothar dachte, er komme als Chef nach Salzburg, der seinem Assistenten Trapattoni auf dessen alte Tage noch Catenaccio austreiben könnte. Doch als Matthäus in Österreich ankam, war Giovanni der Boss, der "am liebsten noch einen Verteidiger einwechseln würde, wenn seine Mannschaft 0:1 zurückliegt". Mögen sich Gegensätze anziehen, auf einer solchen Basis gedeihen selten langfristige Bindungen. Lothar ist seither wieder zu haben.
7. Woche - Eine Bastion fällt
Der Fußball gilt als Hochburg der Bewahrer. Neues hat es auf diesem Feld schwer. Deshalb verbreitete die Nachricht von der ersten Zweitliga-Schiedsrichterin an deutschen Fußball-Stammtischen einen ähnlichen Aufruhr, wie ihn die Verkündigung der Sperrstunde ab 17 Uhr nach sich ziehen würde. "Es gibt keinen Grund, sie nicht in Profispielen einzusetzen", begrüßte der Vorsitzende des DFB-Schiedsrichter-Ausschusses, Volker Roth, die Kollegin Bibiana Steinhaus.
Mehr Begeisterung kann eine Frau, die Männer nach ihrer Pfeife tanzen lassen soll, zum Einstand nicht erwarten. Gaby Schuster könnte ein Lied davon singen. Als Ehefrau des Augsburgers Bernd Schuster war sie einst dessen Managerin, was konservative Fußballer-Kreise schäumen ließ und ihren Bernd wiederum der Nationalelf entfremdete. Schuster fand in Spanien sein Glück. Real Madrid will ihn als Nachfolger für Fabio Capello. Schuster sagt selbstbewusst: "Falls sie sich für mich entscheiden sollten, können sie mich ja anrufen."
8. Woche - Klose kommt nach München
Die Bayern rufen an. Nicht bei Schuster, den Beckenbauer nach Magaths Entlassung verdächtig gelobt hat, sondern bei Klose. In Bremen sind die Münchner Zusammenkünfte mit dem Stürmer in irgendwelchen Flughafen-Hotels überhaupt nicht gerne gesehen. Ort der Verhandlung dieses Mal: ein Hinterzimmer am Flughafen Bremen. Für 12 Millionen Euro Ablöse, die sich unter Umständen noch auf 15 Millionen erhöhen können, zieht der Torjäger nach München. "Da muss man nicht neidisch sein", sagt Stuttgarts Trainer Armin Veh, "da kann man die Bayern nur beglückwünschen." Der Meistercoach muss sich mit der spanischen Leihgabe Ewerthon begnügen. In Köln entschuldigt sich Präsident Wolfgang Overath schriftlich bei allen 35 000 Vereinsmitgliedern für die Leistungen der vergangenen Saison. Real Madrid entlässt Capello. "Schuster hat einen guten Ruf, aber er ist nur einer der Kandidaten", sagt Sportdirektor Pedja Mijatovic. Weil sich Politiker in ihren Bildern gerne des Fußballs bedienen, sagt Bayerns Innenminister Günther Beckstein etwas Ähnliches: "Auch wer zur Halbzeit 3:0 führt, kann am Ende noch verlieren." Gemeint ist nicht Schuster, sondern Wirtschaftsminister Huber und dessen Wettstreit mit Seehofer um den CSU-Vorsitz.
9. Woche - Abschied
Der FC Bayern verscherbelt Roy Makaay an Feyenoord Rotterdam. Kein Platz mehr für den erfolgreichsten Münchner Torjäger nach Gerd Müller. Auch Jupp Derwall muss gehen - allerdings für immer.
10. Woche - Wünsche
Glaubt man den Spielern, gibt es viele Gründe, einen Verein zu wechseln. Die neue Sprache, wenn ein polnisch-stämmiger Pfälzer wie Klose nach München kommt, das kulinarische Abenteuer oder das Neue im Allgemeinen. Der Münchner Neuzugang Marcell Jansen sagt: "Ich will hier Dinge erleben, die ich aus Mönchengladbach nicht kenne: Auswärtssiege zum Beispiel." Seine ersten Träume erfüllen sich bereits mit den Gastspielen beim FT Gern sowie beim Fanclub der "13 Höslwanger".
11. Woche - Stehplatz auf dem Friedhof
Das "Großhamburger Bestattungsinstitut" bietet den Anhängern des Hamburger SV auch nach deren Ableben die Chance, ihrem Klub nahe zu bleiben. Unweit der Arena soll ein HSV-Friedhof entstehen, auf dem sich Hamburg-Fans in "Stehplatz"-, "Sitzplatz"- und VIP-Versionen zur letzten Ruhe betten lassen können.
12. Woche - Das alte Gefühl kehrt zurück
Der Fußball-Freund fühlt wieder Leben in sich. Vorbei die elenden Tage, in denen er sich von Häppchen aus dem UI-Cup nähren musste. Für ihn spricht Mehmet Scholl: "Ich durfte viele Tiefen durchmachen, aber auch viele Höhen. Und die Tiefen waren tiefer als die Höhen hoch waren. Aber deshalb bin ich der Mensch geworden, der ich heute bin." Scholls Abschiedsspiel findet am nächsten Mittwoch in München statt. "Es hat alles einen Sinn gehabt", sagt er nach 15 Jahren Profikarriere. Das erleichtert auch den Fußball-Junkie.
Die Diskussion ist geschlossen.