"Fußball gegen Heimweh"
Patrick Goldfein (31) ist Vorsitzender des FC-Bayern-München-Fanklubs Jeckes baAretz 98 in Israel.
Herr Goldfein, die Partie des FC Bayern München in Haifa muss für Sie eine ganz besondere sein.
Goldfein: Natürlich bin ich im Stadion. Aber ich gehe die Sache entspannt an. Vor fünf Jahren, als der FC Bayern in der Champions League gegen Maccabi Tel Aviv spielte, war für mich die Situation emotionaler. Ich bin auch Fan von Maccabi Tel Aviv. Diesmal wünsche ich mir, dass der FC Bayern gewinnt.
Sie haben sich mit 19 Jahren entschlossen, München zu verlassen und nach Israel auszuwandern. Warum?
Goldfein: Mein Vater lebte schon einige Jahre in Israel. Es war ein lange gehegter Wunsch, nach dem Abitur nach Israel zu gehen. Am Anfang war es hier aber nicht ganz einfach. Der Fußball half mir gegen das Heimweh. Ein Jahr nach mir kam ein guter Freund nach Israel. Er war auch Bayern-Fan. Es entstand die Idee, einen FC-Bayern-Fanklub zu gründen. Wir stellten fest, dass es ein paar jüdische Jungs aus München hier gab. Inzwischen sind von den 30 Mitgliedern 50 Prozent ehemalige Münchner und 50 Prozent gebürtige Israeli.
Warum gerade der FC Bayern?
Goldfein: Bei mir war es der ganz normale Münchner Werdegang. Als mein Vater noch in München lebte, hat er mich ins Stadion mitgenommen. 1860 war nicht so präsent.
Der FC Bayern München hat eine jüdische Tradition. Unter anderem war Dr. Kurt Landauer, ein Jude, zwischen 1913 und 1951 viermal Präsident des Klubs.
Goldfein: Das habe ich erst später mitbekommen. Aber es stimmt, die jüdische Gemeinde in München hat eine positive Beziehung zum FC Bayern.
Trotzdem weiß in Deutschland kaum jemand, dass der FC Bayern nach seiner Gründung im Jahr 1900 lange Zeit als "Judenklub" galt.
Goldfein: Es mag schon sein, dass sich der FC Bayern München mehr damit auseinandersetzen könnte. Ich denke, dass dem Klub das imagemäßig auch nützen würde. Als die Vereinsspitze kürzlich bei der Gedenkfeier anlässlich des 125. Geburtstags von Kurt Landauer in der KZ-Gedenkstätte in Dachau erschienen ist, wurde das von der Öffentlichkeit sehr positiv aufgenommen. Der FC Bayern muss sich ja überhaupt nicht schämen. Im Gegensatz zum TSV 1860 München, bei dem ja während der Nazizeit nicht alles in Ordnung war, hat der FC Bayern ja eine relativ gute Geschichte.
Wie wird der deutsche Fußball in Israel wahrgenommen?
Goldfein: Mit einer Mischung aus Hochachtung und Furcht.
In Deutschland war befürchtet worden, dass Lothar Matthäus, der ein Jahr lang Trainer in Israel war, als Elefant im Porzellanladen das deutsch-israelische Verhältnis belasten könnte...
Goldfein: Die Angst hatte ich nicht. Matthäus hat einen sehr guten Eindruck hinterlassen, vor allem abseits des Fußballplatzes. Mit seinem Engagement hat er ein Stück Normalität geschaffen. Ich hoffe, dass bald weitere deutsche Trainer nach Israel kommen.
Das Gespräch führte Roland Wiedemann.
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