EM-Aufgebot ohne Härtefälle
In der Niederlage der deutschen Mannschaft gegen die Schweiz sieht unser Autor nicht nur Negatives. Ganz im Gegenteil.
Es gibt Menschen, die ohne intensive Vorbereitung nichts zustande bringen. Ein Schwarzwald-Ausflug funktioniert nicht unter acht Tagen Planung. Jedes Detail, jede Eventualität ist kalkuliert. Neben den seit einer Woche gepackten Koffern stapeln sich Listen. Erst wenn hinter jedem Punkt ein Häkchen steht, fahren sie los.
Andere wiederum setzen sich ins Auto, fingern nach der Kreditkarte und fahren los.
Joachim Löw gehört zur ersten Gruppe. Vor allem dann, wenn er die Nationalelf dabei hat. Nun ist eingetreten, was er verabscheut. Löw soll mit der DFB-Auswahl zur EM nach Polen und in die Ukraine fahren – aber die Vorbereitung holpert und stottert wie ein Lada, der auf den Felgen läuft. Wenigstens brachte die Reduzierung des Kaders gestern keine weiteren Erschütterungen. Das Quartett mit Cacau, Sven Bender, ter Stegen und Draxler zählte von Anfang an zu den Streichkandidaten. Abgesehen von Cacau haben alle ihr Fußballerleben noch vor sich. Keiner ist ein Härtefall.
Dass eine gelungene Vorbereitung der halbe Weg ins Finale ist, weiß niemand besser als der Bundestrainer. Dass Spieler, wie 1992 die lustigen Dänen, aus dem Urlaub heraus den EM-Titel abräumen, ist nur Skandinaviern vergönnt. Für deutsche Teams ist Löws Strategie zielführender. Nun ist es aber auch so, dass es keine Vorbereitung ohne Testspiele gibt. Jeder, der nicht weiß, dass ein Vorlauf exakten Aufbauten folgt, wird über den Ausgang solcher Tests meist enttäuscht sein.
In Testspielen verlieren nur die Großen
So war es auch beim 3:5 der deutschen Nationalelf gegen die Schweiz. Das DFB-Aufgebot, ohne sein Bayern-Gerüst. Dafür mit müden Beinen und leeren Köpfen, die auf frische Schweizer trafen. In solchen Testpartien verlieren nur die Großen.
Über die mögliche Entwicklung einer Mannschaft bis zum ersten EM-Spiel am 8. Juni gegen Portugal sagen sie jedoch nichts. Wenn Löw aus dem Basel-Trip überhaupt etwas gelernt hat, dann nur das, was er schon weiß. Dass die Qualitäten seiner Truppe in der Offensive liegen, die Viererkette, egal wie geknüpft, international nur gehobener Durchschnitt ist.
Im Kern also nichts Neues. Trotzdem erschüttern solche Ergebnisse die betroffenen Fußball-Republiken bis in die Grundfesten. Als Jürgen Klinsmann vor der WM 2006 mit einem 1:4-Debakel aus Italien zurückkehrte, wollten ihn Abgeordnete vor den Bundestag zitieren. Klinsmann solle dem Land erklären, wie er mit seinen Versagern bei der WM etwas erreichen wolle. So aufgeregt ist inzwischen keiner mehr. Schon gar nicht Löw. Der Bundestrainer begegnet der verkorksten Ouvertüre pragmatisch. Er stellt sie auf null. Knapp zwei Wochen bis zur EM sollten reichen, seine Listen abzuarbeiten.
Danach, darauf kann man sich verlassen, werden sich Özil & Co. anders präsentieren.
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