„Friedlich – das war eine Leistung“
Ein Gespräch mit Georg Keis, dem Bürgermeister von Laugna
Von Erich Wandschneider
Laugna Die große Welt und die kleinen Dörfer in der Wertinger Region – das sind keine Gegensätze, wenn es um den Tag der Deutschen Einheit geht. Natürlich waren die Bürger Berlins den historischen Ereignissen bei der Wiedervereinigung 1989 näher, aber auch die Schwaben waren und sind hautnah betroffen von der Neuorganisation Deutschlands. Wir sprachen mit Laugnas Bürgermeister Georg Keis:
Was bedeutet der Tag der Deutschen Einheit in einer schwäbischen Gemeinde – außer dass es ein willkommener freier Arbeitstag ist?
Georg Keis: Die Leute bewegt das immer noch! Zum Beispiel beim Patrozinium in Osterbuch war das am vergangenen Sonntag ein Thema. Und für meine Generation, die den Mauerbau miterlebt hat, ist das alles nicht nur Theorie. Ich erinnere mich an den Kalten Krieg. Der Lehrer Hans Haag an der Landwirtschaftlichen Berufsschule in Wertingen sagte eines Tages: „Jetzt machen wir eine Pause. In fünf Minuten müssen die Schiffe der Russen und der Amerikaner aufeinandertreffen – oder es geschieht ein Wunder!“ Ja, das war die Kuba-Krise. Man war nahe an einer Katastrophe. Der Osten war nicht so schwach wie heute. Es ging wirklich darum, welches System die Oberhand behalten würde.
Vor 23 Jahren kam es zur Wiedervereinigung. In Berlin, im Osten, auch in Norddeutschland ein Weltereignis. Wurde es auch im Wertinger Raum als Weltereignis empfunden?
Georg Keis: Die ganze Bevölkerung hat das interessiert! Auch auf den Dörfern! Ich erinnere mich noch gut an unsere Abschlussfahrt 1964. Die ging damals nach Berlin und auch rüber in den Osten. Damals hatten wir uns nicht vorstellen können, dass es 1989 mit dem kommunistischen Machtblock aus sein würde. Die kühnsten Optimisten haben das nicht vorausahnen können.
Viele Mitbürger ärgerten sich viel über die Solidaritätsabgaben. Was kam da in Laugna zusammen? Wie sieht man diese Ausgaben angesichts der Tatsache, dass auch die kleinen Kommunen bei uns arm sind?
Georg Keis: Auch Laugna wird wohl Hunderttausende von Euro im Lauf der Jahre an Solidaritätsgeldern bezahlt haben. Manchmal wurde das Geld im Osten vielleicht nicht sinnvoll eingesetzt. Aber niemand im Gemeinderat Laugna schimpfte über die Abgaben – aber besonders glücklich war auch keiner.
Es kamen 1989 damals viele Bürger aus den neuen Bundesländern in den Westen. Auch nach Laugna?
Georg Keis: Menschen aus den neuen Bundesländern kamen auch nach Laugna. Manche hatten sich falsche Vorstellungen über unser System gemacht: Auch hier muss man sich den Wohlstand hart erarbeiten. Andere haben sich erfolgreich bei uns angesiedelt.
Menschen aus unserer Heimat gingen in den Osten: Als Geschäftsleute, als Ausbilder. Gibt es da auch Erfahrungen im Laugna?
Georg Keis: Wir hatten eine Partnergemeinde Erlbach-Kirchberg bei Chemnitz. Unsere Freunde dort erzählten uns, dass viele Geschäftemacher rüber sind und nur schnelles Geld machen wollten. Kein Wunder, dass da manchmal ein schlechtes Bild vom Wessi aufkam. Die Gemeindepartnerschaft ist übrigens nun eingeschlafen.
Haben die Leute aus Laugna Kontakte nach „drüben“? Urlaubsfahrten, Vereinstreffen?
Georg Keis: Privatpersonen halten nach wie vor Kontakt. Auf Gemeindeebene allerdings ist das Miteinander abgebrochen, nachdem drüben ein neuer Bürgermeister und Gemeinderat gewählt worden sind.
Sie als Bürgermeister selbst: Sind Sie schon zu Erkundungsfahrten in die frühere DDR aufgebrochen?
Georg Keis: Mit dem Dillinger Kreistag war ich schon 1989 drüben. Und dann öfter mal mit privaten Reisegruppen. Erst heuer war ich auf einer Rundreise. Man staunt, wie sich das Land gewandelt hat. Es wurde viel geschaffen: eine Riesenleistung!
Die Wiedervereinigung war ein welthistorisches Ereignis. Der Bundeskanzler Helmut Kohl ging dafür in die Geschichte ein. Wie sieht man die Wiedervereinigung heute in Laugna?
Georg Keis: Man hat vor 20 Jahren sicher Vieles zu blauäugig gesehen. Aber dass diese Entwicklung ohne Krieg und Gewalt und vollkommen friedlich zustande kam – das ist bemerkenswert! Friedlich – das war eine Leistung!
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