Berlin und Brüssel schieben das E-Auto an
Berlin/Brüssel (dpa) - Geht es nach den Vorstellungen aus Berlin und Brüssel, tanken Autos künftig häufiger Strom: Das bisher im Schleichtempo getestete Elektroauto soll jetzt endlich Fahrt aufnehmen.
In Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Industrie für Montag zu einem Gipfel nach Berlin eingeladen. Dort soll der Startschuss für eine Plattform Elektromobilität fallen. In sieben Arbeitsgruppen soll es fortan um Antriebs- und Speichertechnologien sowie einheitliche Stecker und die Stromtank- Infrastruktur gehen, wie am Mittwoch nach der Sitzung des Bundeskabinetts deutlich wurde. In Brüssel legte Industriekommissar Antonio Tajani eine Strategie zur Förderung von E-Autos, aber auch anderer sauberer Öko-Autos vor.
Schwarz-Gelb und die Industrie wollen die Voraussetzungen schaffen, "bis zum Jahr 2020 mindestens eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland auf die Straßen zu bringen". Gemessen an den etwa 44 Millionen zugelassenen Pkw zeigt dies, dass der herkömmliche Verbrennungsmotor noch auf viele Jahre beherrschend bleiben soll - wenn auch immer klimafreundlicher.
Mit einer ungewöhnlich großen Arbeits-Konferenz am Montag mit fast 500 Vertretern insbesondere aus der Automobil- und Energieindustrie sowie Technologiefirmen will die Kanzlerin beim Vorpreschen von China und Japan gegenhalten. Jetzt sei eine gemeinsame Anstrengung aller Akteure nötig. "Die Bundesregierung hat das Ziel, Deutschland bis 2020 zum Leitmarkt für Elektro-Mobilität zu entwickeln", sagte Vizeregierungssprecherin Sabine Heimbach nach der Kabinettssitzung.
Wichtige Personalien für die weiteren Gespräche konnten geklärt werden. So wird der ehemalige SAP-Chef Henning Kagermann den Lenkungsausschuss für Elektromobilität leiten, wie die dpa erfuhr. Schon jetzt ist der Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech Berater der Bundesregierung. Zu Koordinatoren bestimmt wurden Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, und IG-Metall-Chef Berthold Huber.
Zu einem Mini-Eklat kam es durch eine Absage von ADAC-Präsident Peter Meyer für Montag. Er sieht die Autofahrer in der Merkel-Runde "unterrepräsentiert", will aber dennoch künftig in Arbeitsgruppen mitarbeiten, wie Meyer in einem dpa vorliegenden Schreiben an Merkel deutlich machte. "Ich bedaure sehr, dass die Gedanken und Erwartungen des ADAC als Vertreter von rund 17 Millionen Mitgliedern, die annähernd 50 Prozent der motorisierten Haushalte in Deutschland repräsentieren, nicht berücksichtigt worden sind", schrieb er.
Die Bundesbehörden und möglichst auch Länder und Gemeinden sollen mit Beschaffungen von E-Autos für ihren Fuhrpark vorangehen. Dies werde "im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel" geprüft, heißt es in einem Regierungs-Papier, das der dpa vorlag. Bei den Forschungsausgaben ist über die mit dem zweiten Konjunkturpaket eingeplanten 500 Millionen Euro hinaus nicht mit weiteren Etatmitteln zu rechnen. Dem Vernehmen nach hatte hier insbesondere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Vorbehalte.
Zugleich soll die Kohlendioxid-Bilanz der Autohersteller durch mehrfache Anrechnung von Elektroautos (Fahrzeuge mit weniger als 50 Gramm CO2) verbessert werden. Damit können die Hersteller leichter die CO2-Grenzwerte der EU einhalten, die derzeit einen Flottenschnitt von 130 Gramm verlangen. Eine solche Regelung geht aber nur im Rahmen der Europäischen Union. Ferner will Berlin dafür sorgen, dass die Genehmigungsverfahren für Strom-Ladesäulen vereinfacht und beschleunigt werden. Die Grünen sprachen von Placebo-Maßnahmen der Regierung - gemessen an den 5 Milliarden Euro Abwrackprämien.
Allein die Automobilindustrie will 2011 und 2012 zweistellige Milliardenbeträge investieren - 40 Milliarden Euro sind im Gespräch. Davon soll der Großteil ins E-Auto gesteckt werden.
In Brüssel legte Tajani einen 40-Punkte-Aktionsplan vor. Er betrifft neben den E-Autos auch Biosprit, Biogas und Wasserstoff. "Ich glaube, dass sich die Elektroautos durchsetzen werden, aber wir müssen die Entscheidung der Industrie, den Bürgern und der Forschung überlassen." Anders als die in Brüssel vertretene Automobilbranche wiesen Vertreter in Deutschland Vorhaltungen zurück, Deutsche und Europäer hätten den E-Trend im Vergleich zu den Asiaten verschlafen.
Seite von Tajani: http://dpaq.de/1O42q
EU-Kommission zu Ökofahrzeugen: http://dpaq.de/aZ46Y
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