IBS: Sandsäcke werden knapp
Viele Branchen verdienen an den Folgen des Hochwassers und am Schutz vor der Flut. Als Profiteure wollen sie nicht gelten.
Eines will Volker Weingartner gleich am Anfang klarstellen: Das Wort Profiteur, das gefällt ihm gar nicht. Seine Firma, sagt er, verdiene nicht am Leid der Menschen, sondern bewahre sie davor. Weingartners Unternehmen IBS mit Sitz in Thierhaupten im Kreis Augsburg produziert mobile Aluminiumwände, die vor Überflutungen schützen und auf mehreren zehntausend Quadratmetern an Donau, Rhein und Mosel stehen.
Mobile Aluminiumwände: Bei IBS herrscht Ausnahmezustand
Das Prinzip ist einfach, „einfacher als ein Ikea-Schrank“, sagt Weingartner, der auch Präsident des Fußballvereins BC Aichach ist. Kündigt sich ein Hochwasser an, werden Alu-Stützen in regelmäßigen Abständen in ein bereits vorhandenes Betonfundament geschraubt, zwischen den Stützen werden Alu-Balken gestapelt, maximal fünf Meter hoch. Die Schutzwände liefert IBS mittlerweile nach Australien, in die USA oder nach Thailand, allein in Köln stehen 14 000 Quadratmeter davon. Und es werden immer mehr, auch aufgrund des Hochwassers der vergangenen Wochen. Weingärtner kennt das Phänomen: Unmittelbar nach einer solchen Katastrophe werde immer mehr investiert als zuvor, sagt Unternehmer Weingartner. Vor allem, weil die Politiker den Bürgern im Wahljahr regelmäßig mehr Hochwasserschutz versprechen. In den kommenden Jahren werde sich sein Umsatz in Deutschland deshalb verdoppeln, vermutet er, von fünf auf zehn Millionen Euro.
In der Thierhauptener Firma herrscht seit vergangener Woche Ausnahmezustand. „Man fühlt mit den Leuten, man ruft an, fragt nach“, sagt Weingartner, schließlich kenne man die Betroffenen dort seit dem Aufbau der Anlagen. Einige Mitarbeiter seien sogar in ihrer Freizeit in die Hochwassergebiete gefahren für den Fall, dass jemand Unterstützung brauche.
Sandsäcke
Weingartner ist nicht der Einzige, der Gewinn macht, wenn das Wasser steigt. Viele Branchen verdienen, auf kurze oder lange Sicht, an einer Naturkatastrophe, an ihren Folgen und dem Schutz davor. Zum Beispiel Klaus Russ, Chef des Unternehmens Erco Verpackungen. Die Firma mit Sitz in Kraiburg am Inn ist einer der größten Sandsackhändler in Deutschland, er verkauft die Säcke leer und gefüllt, 600 000 Sandsäcke kann er mit einem Lastwagen durch die Republik schicken. Vier Millionen Säcke hat Russ seit der vergangenen Woche in die Hochwassergebiete geliefert – mehr als doppelt so viele wie sonst in einem ganzen Jahr.
„Jetzt ist das Lager so gut wie leer“, sagt der Unternehmer. Überall habe er noch Säcke hergeholt, von Händlern aus Italien, England und Ungarn. „Österreich haben wir abgegrast, die Schweiz hat fast nichts mehr.“
Es könnte Monate dauern, bis neue Sandsäcke kommen
In ganz Deutschland sind die Sandsäcke mittlerweile rar geworden. Der Engpass wurde nach Informationen von Spiegel Online bisher nur mit Hilfe der EU-Nachbarstaaten überstanden. Eigentlich bräuchte man jetzt noch 20 Millionen Stück, sagt Russ. Auch um die leeren Lager der Gemeinden und Städte, die ihre Reserven hergegeben hatten, wieder zu füllen. Aber bis neue Säcke produziert und nach Deutschland gebracht werden, könne es Wochen und Monate dauern: Jutesäcke werden hauptsächlich in Indien gefertigt, Kunststoffsäcke aus Polypropylen in erster Linie in China.
Russ ist seit Beginn des Hochwassers jeden Tag 18 Stunden auf den Beinen, Kunden können ihn wegen der Flut rund um die Uhr erreichen, schreibt er auf seiner Internetseite. „Wir machen ein gutes Geschäft“, räumt er ein. Als Profiteur sieht er sich aber nicht. Einer müsse schließlich auch Sandsäcke verkaufen.
Handel
Andere Produkte sind ebenfalls knapp in den Hochwassergebieten: Gummistiefel und Regenjacken etwa sind Mangelware, aber auch Trockenpumpen werden verstärkt gekauft. Das merken auch die Hersteller. Die Nachfrage der Baumärkte nach Schmutzwasserpumpen sei in den vergangenen Tagen um 25 Prozent gestiegen, sagt Susanne Schwab, Sprecherin der Alko Kober Group. Der Konzern aus Kötz im Kreis Günzburg stellt Pumpen her, die Garten und Keller nach einer Überflutung wieder trockenlegen. Alko war in den vergangenen Tagen selbst zum Opfer des Hochwassers geworden: Der vorbeifließende Kötzbach war über die Ufer getreten und hatte Teile des Fabrikgeländes überschwemmt.
Baugewerbe
Wenn in den Wochen und Monaten nach dem Hochwasser die Aufbauarbeiten beginnen, dann werden die Auftragsbücher der Handwerker vor Ort voll sein. Straßen müssen saniert, Häuser repariert und frisch gestrichen werden. Es könne durchaus sein, dass es deswegen heuer „im Umsatz einen Ausschlag nach oben“ gebe, sagt Holger Seit, Sprecher des bayerischen Baugewerbes. Der Umsatz vieler Handwerker könnte also steigen. Seit betont aber auch, dass viele Betriebe im Moment gar nicht arbeiten können, weil sie noch immer unter Wasser stehen.
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