
Mitarbeiter sind beunruhigt: Audi droht ein stürmischer Herbst

Plus Die Audi-Belegschaft will allmählich wissen, wie es mit ihren Jobs und dem Standort weitergeht. Bei der anstehenden Betriebsversammlung könnte es zur Sache gehen.

Albert Mayer war bis Ende September Leiter des Ingolstädter Audi-Stammwerks. Kurz bevor er in den Ruhestand ging, betonte er in einem Abschiedsgespräch: „Ich blicke nicht düster in die Zukunft.“ Und das sagte das Audi-Urgestein nicht, weil er nun die Verantwortung für das wichtigste Werk der VW-Tochter abgegeben hat, sondern weil er überzeugt ist, dass der Standort nach der – teilweise noch laufenden – kompletten Umstrukturierung der Fertigung sehr gut vorbereitet ist, um „wirtschaftlich Fahrzeuge herzustellen“. Unabhängig von der Antriebstechnologie der künftigen Audis, seien es nun Stromer oder Verbrenner.
Fehlen also nur noch die entsprechenden Entscheidungen, dann kann die Zukunft von Audi beginnen, oder? Genau darum wird es bei der dritten regulären Betriebsversammlung dieses Jahres in Ingolstadt an diesem Mittwoch gehen. Die Audianer seien „erwartungsfroh“, war am Dienstag zu hören. Ziemlich ungeduldig trifft es wohl eher.
Zur Erinnerung: Audi durchlebt schwere Jahre. Die gesamte Branche ist zwar wegen der Digitalisierung und der Umstellung auf die E-Mobilität schwer unter Druck. Bei Audi kommt der Abgas-Skandal dazu, die zweite Runde in der Umstellung auf den neuen Abgastestzyklus WLTP läuft noch. Und – im Vergleich zu den nicht allzuweit zurückliegenden Rekordjahren – sind die Absatzzahlen nach 2018 auch im laufenden Jahr eingebrochen. Der Audi-Betriebsrat rechnet nach wie vor damit, dass am Standort Ingolstadt 2019 nur noch rund 460.000 Autos vom Band laufen werden. Am Mittwoch wird Audi die Absatzzahlen für September bekannt geben.
Audi-Betriebsrat: "Qualität geht vor Schnelligkeit"
Der nicht mehr ganz neue Audi-Chef Bram Schot baut das Unternehmen zudem kräftig um: Man will bis 2022 15 Milliarden Euro an Kosten einsparen, Personal abbauen und sehr viel elektrischer werden. Bis 2025 sollen 40 Prozent aller verkauften Autos Elektro- und Hybridfahrzeuge sein. Außerdem will Audi bis spätestens 2050 CO2-neutral produzieren. Das Ganze läuft unter dem Slogan „Konsequent Audi“. Diese Strategie hatte Schot bei der Hauptversammlung präsentiert.
Der Fahrplan war: Erst kommt die Strategie, danach das Produktportfolio und im Anschluss wird es um die Werkbelegung gehen. Allerdings, und das macht die Betriebsversammlung am Mittwoch so spannend, so weit ist man noch nicht. Ziel war eigentlich, dass sich Unternehmensspitze und Arbeitnehmervertreter bis zum Herbst in Sachen Werksbelegung und -auslastung einigen. Nun ist der Herbst zwar da, allerdings befindet man sich noch immer auf Gesprächs- und nicht auf Verhandlungsebene, wie beide Seiten auf Anfrage bestätigen. Warum dauert das alles so lange? Ein Sprecher des Betriebsrates sagt: „Es handelt sich um eine komplexe Materie mit langfristigen Auswirkungen. Für den Betriebsrat gilt: Die Qualität der Entscheidungen geht vor Schnelligkeit.“
Dem wird niemand widersprechen. Allerdings trägt die Tatsache, dass es noch dauert, bis die „Standortzukunftsvereinbarung Audi.Zukunft“ fertig ist, auch nicht gerade zur Beruhigung der Belegschaft bei. Solange nichts entschieden ist, bleibt viel Zeit für Gerüchte und Spekulationen.

Gerüchte über das Ausmaß des Stellenabbaus bei Audi verstummen nicht
Nur ein Beispiel: der geplante Stellenabbau. Hier sind immer wieder unterschiedliche Zahlen zu hören. Zwar gilt für die Beschäftigten an den deutschen Standorten die Beschäftigungsgarantie bis 2025. Das Unternehmen will entlang der „demografischen Linie“ abbauen, „schlanker und effizienter“ werden, zugleich aber weiter ausbilden und wo nötig auch wieder einstellen. Allerdings: Ende Dezember 2018 arbeiteten am Standort Ingolstadt 44.526 Beschäftigte. Ende August 2019 waren es Unternehmensangaben zufolge nur noch 44.300 Mitarbeiter.
Zudem sind laut Unternehmen seit Anfang des Jahres am Standort Ingolstadt Mitarbeiter im mittleren dreistelligen Bereich in die erste Phase ihrer Altersteilzeit eingetreten. Was Abbau „entlang der demografischen Linie“ heißen könnte, bleibt aber unklar. Die Zahl 10.000 hört man in Ingolstadt immer wieder, sie wird regelmäßig von Unternehmen und Arbeitnehmern als Spekulation nicht kommentiert.
Auch neueste Gerüchte, dass eine weitere Schicht gestrichen werden könnte, werden zurückgewiesen. Ein Betriebsratssprecher sagt auf Anfrage: „Ein Antrag auf Schichtstreichung liegt nicht vor.“ Und ein Unternehmenssprecher sagt: „Uns ist nicht bekannt, dass etwas zur Disposition steht.“ Im März war in Ingolstadt eine von drei Dauernachtschichten gestrichen worden, was am Standort für große Aufregung gesorgt hatte.
IG Metall Ingolstadt startet Kampagne im Audi-Werk
Wie geht es dort weiter? Die Mitarbeiter wollen Klarheit. Die bei Audi überaus mächtige IG Metall Ingolstadt hat pünktlich in den Tagen vor der Betriebsversammlung eine größer angelegte Kampagne gestartet. Slogans: „Sicherheit. Für uns und unsere vier Ringe“. Oder: „Ich will eine sichere Zukunft für mich und meine Familie“. Die Plakate wurden im ganzen Werk ausgehängt. Und wie es in einem Positionspapier heißt, werde man eine Umstrukturierung „alleine auf Kosten der Beschäftigten“ nicht mittragen. Die Gewerkschaft macht Druck. Nicht nur mit Blick auf die Betriebsversammlung, sondern auch auf die anstehenden Verhandlungen. Die sollen nun bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.
Dass das Standortthema immer wichtiger wird, machen auch Äußerungen von Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel deutlich. Er setzt unter anderem auf Hochtechnologie und Wissenschaft. Am Dienstag sagte er bei gleich zwei Terminen in dringlicherem Ton als sonst: „Wir haben ein Riesenproblem. Um einem Abschwung entgegenzutreten, brauchen wir dringendst neue Arbeitsplätze!“
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