Sparer leiden unter der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Doch ein Verbot von Strafzinsen wäre populistisch - und womöglich sogar gesetzeswidrig.
Das waren selig-konservative Anlage-Zeiten. Eine Schildkröte mit Blümchen im Maul avancierte zu einem führenden Finanzexperten Deutschlands. Das Tierchen kroch in Werbespots auf einem rustikalen Schreibtisch umher und trat für die Finanzagentur des Bundes als der Geldanlage-Guru Günther Schild auf. Die Schildkröte mit der sonoren männlichen Stimme und der halben Brille fragte die Zuschauer: "Sind Sie also ein Zocker?"
Natürlich war das eine verkappte Warnung vor Aktien. Besser seien, dozierte das Tier, natürlich Bundeswertpapiere als die "entspannendste Geldanlage Deutschlands". So lasse sich in aller Ruhe ein Vermögen machen. Doch mit der Finanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009 kam eine radikale Politik der Zinssenkungen über uns. Am Schluss verschwand die Belohnung für den Sparer fast ganz. Günther Schild ward irgendwann nicht mehr gesehen, rentierten sich Bundeswertpapiere doch immer weniger.
Söders Vorstoß zu Strafzinsen ist Populismus
Der neue Günther Schild heißt Mario Draghi und ist Chef der Europäischen Zentralbank. Er senkte den Zins bis auf null und setzte eine Strafgebühr für Banken durch, die zu viel Geld bei der EZB parken. Würde Günther Schild noch leben, er fände kein Salatblatt mehr.
Da hierzulande nun aber Strafzinsen selbst für private und nicht millionenschwere Geldanlagen drohen, also der kleine Mann gefährdet sein könnte, muckte nicht Günther Schild auf, sondern Markus Söder. Dem CSU-Mann darf man ein Herz für Menschen mit weniger Geld nun wirklich nicht absprechen. Nach dem christlichen "C" im Partei-Namen und damit seiner neuen Liebe zur ökologischen Politik der Schöpfungsbewahrung verwies er auf das "S", das Soziale. Er forderte bekanntlich ein Verbot für Strafzinsen auf Einlagen bis zu 100.000 Euro.
Selbst wenn man dem Franken einiges an gutem Willen zugesteht, schwingt doch auch seine nicht zu bändigende Lust mit, sich der Gunst des Wahlvolks zu versichern. Denn hätte Söder, ehe er die Forderung erhob, länger recherchiert, wäre er auf einige Punkte gestoßen, die ihn diesbezüglich zur schildkrötenhaften Gelassenheit verleiten sollten. Denn ein Verbot könnte der Gesetzeslage widersprechen, auch weil dadurch in den ehernen Grundsatz der Vertragsfreiheit eingegriffen wird.
Ein Strafzins-Verbot führt nicht weiter
Deshalb hat ein Politiker, dem schon mal schildkrötenhafte Langeweile unterstellt wird, sofort in Aussicht gestellt, den Söder-Vorstoß rechtlich abzuklopfen. Die Rede ist natürlich von Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Prüfung hin oder her – ein Verbot von Strafzinsen führt nicht weiter. Warum soll so eine Regelung nur bis 100.000 Euro gelten? Was wäre bei 111.111 Euro? Und zahlen viele Bankkunden nicht schon längst eine Strafe für die EZB-Politik, indem Gebühren für ihre einst kostenlosen Girokonten anfallen. Will der CSU-Chef diese Gebühren auch verbieten?
Es scheint, als wäre Söder in die Söder-Populismusfalle getappt. Sein Parteifreund und früherer bayerischer Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer zeigt sich skeptisch gegenüber der Söderschen Verboteritis, auch wenn sie gut gemeint sei. Dem CSU-Mann wäre es sinnvoller erschienen, wenn sich Kanzlerin Angela Merkel und Söder für einen Deutschen als Nachfolger von EZB-Präsidenten Mario Draghi stark gemacht hätten. Das wäre Bundesbank-Boss Jens Weidmann gewesen. Doch es ist fraglich, ja es erscheint nahezu ausgeschlossen, dass er Günther Schild mit Zinskost wiederbeleben könnte.
Habeck spricht sich für Staatsfonds aus
Wie lässt sich dennoch entspannt Geld verdienen? Hier hat Grünen-Chef Robert Habeck eine interessante Idee geboren: Er möchte nach norwegischem Vorbild einen deutschen Staatsfonds, der Bürgern auf relativ sichere Weise akzeptable Verzinsung verheißt. Zuletzt waren das aber in Norwegen auch nur noch rund drei Prozent nach früher viel höheren Renditen.
Zur Wahrheit gehört: Der Aktienanteil des größten Staatsfonds der Welt ist hoch. Das birgt Risiken. Günther Schild würde sicher fragen: "Sind Sie also ein Zocker?" Da käme Habeck in Erklärungsnöte.
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Diese Überschrift ist wieder mal ein echter Stahl!!!!
Wann, bitteschön, war ein Söders'scher Vorstoss - zumindest in den letzten Monaten - nicht populistisch?
"Hier hat Grünen-Chef Robert Habeck eine interessante Idee geboren"
Schwups, springt unser Maut-Kasperl Dobrindt auf den fahrenden Zug und fordert festverzinsliche Oeko-Anleihen . . .
Allmählich schwant den rechtspopulistischen Herrschaften, das gewöhnliche Volk könnte sich die anhaltende Enteignung seiner paar Spargroschen nicht mehr lange gefallen lassen . . .