Roboter "Ekso" lässt Querschnittgelähmte gehen
Für manchen Rollstuhlfahrer scheint ein Lebenstraum in greifbare Nähe gerückt: Die erste Schritte auf eigenen Beinen - ein neuer Roboter soll es möglich machen.
Amanda Boxtel juchzt. "Ganz schön aufregend, nicht wahr", ruft sie begeistert, lacht und läuft auf die Zuschauer zu. "Ich hätte es nie erträumt in meinen wildesten Vorstellungen, dass ich in meinem Leben jemals wieder laufen würde." Die 43-Jährige aus Colorado sitzt seit rund 20 Jahren im Rollstuhl. Seit einem Skiunfall ist sie querschnittgelähmt. Jetzt ist sie "Testpilotin" für einen Roboter, der wie ein äußeres Skelett - ein sogenanntes Exoskelett - auf den Körper angelegt wird und Querschnittsgelähmten und anderen Patienten wieder eigene Schritte ermöglichen kann. Eine Wunderheilung sei dies aber nicht und die Technik auch nur bei bestimmte Patienten anwendbar, betonen Experten.
Mehrere Firmen weltweit arbeiten an solchen Gehhilfen, unter anderem in Israel, Japan und Neuseeland. Die US-Firma Ekso Bionics stellte am Donnerstag in München ihren Roboter Ekso vor. Das Gerät solle nun in amerikanischen und europäischen Rehakliniken an Querschnittgelähmten, aber auch an Schlaganfall- und Multiple-Sklerose-Patienten oder anderen gehbehinderten Menschen getestet und für den heimischen Gebrauch weiterentwickelt werden, kündigte Geschäftsführer Eythor Bender an.
"Wir haben die führenden Reha-Zentren auf unserer Seite." Rund ein halbes Dutzend Roboter sind nach Angaben der Firma schon für die Erprobungsphase ausgeliefert. "Hier in Europa fangen wir gerade an." Im Frühjahr könnten auch hier die ersten Roboter zum Einsatz kommen.
In den Kliniken soll unter anderem untersucht werden, ob die Geräte einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben. Etwa könnten Wundstellen vermieden, die Durchblutung gefördert, Osteoporose eingedämmt und Gelenke flexibel gehalten werden. Amanda Boxtel sagt, sie spüre den positiven Effekt: "Im Rollstuhl sind meine Beine kalt und lila, wenn ich mit Ekso gehe, sind die warm und rosa."
Ursprünglich eine militärische Entwicklung
Ursprünglich ist der Roboter eine militärische Entwicklung. Studenten der Universität von Berkeley hatten die Idee, die US-Armee zeigte Interesse. Soldaten sollen mit der Gehhilfe rund 100 Kilogramm Last tragen können, ohne gesundheitliche Schäden zu riskieren - neue Möglichkeiten in unwegsamen Gebieten. Derzeit wird das Gerät laut Ekso Bionics noch für das Militär getestet. Hauptproblem ist die Batterie, die maximal acht Stunden hält, bei dem Exoskelett für Patienten sind es vier Stunden.
Experten warnen vor zu hohen Erwartungen. Derartige Gehhilfen seien nicht für alle Patienten geeignet, sagte Leiter der Abteilung für experimentelle Neurorehabilitation am Querschnittszentrum des Universitätsklinikums Heidelberg, Rüdiger Rupp. "Man muss sehr aufpassen mit Vorstellungen, dass das nun die Wunderheilung für alle Patienten ist - das ist es nicht." An der Uniklinik in Heidelberg würden stationäre Exoskelette ausschließlich zum Training von Patienten und nicht als Gehhilfe eingesetzt.
Weltweit gebe es mindestens vier andere Systeme, die ähnlich funktionieren wie Ekso, eines sei bereits im Handel. Insgesamt gebe es rund 60 000 querschnittgelähmte Patienten in Deutschland. "Davon kommen weniger als zehn Prozent dafür infrage - wenn ich sehr wohlwollend rechne", sagt Rupp. Etwa dürften die Patienten keine zu starken Muskelkrämpfe haben, die mit Querschnittlähmung einhergehen. Zudem müsse der Brust- und Lendenwirbelbereich ausreichend stabil die Gelenke beweglich sein. "Wenn jemand dafür infrage kommt, darf man ihm das nicht absprechen", betont Rupp. "Man muss ihn aber darüber aufklären, dass die Spätschäden unklar sind." Druckstellen und Belastungen der Gelenke etwa müssten untersucht werden - der Test in Reha-Einrichtungen sei deshalb der richtige Weg.
Das biblische Wunder, Lahme zum Gehen zu bringen oder ihnen wenigstens mehr Mobilität zu verschaffen, beschäftigt Ärzte und Forscher seit langem. Ein anderer Weg führte über Elektrostimulation: Auch damit hätten Gelähmte eigene Schritte machen können, berichtet Thomas Schauer vom Fachgebiet Regelungssysteme an der TU Berlin, wo Elektrostimulation aber nur für die Rehabilitation eingesetzt wird. Beim stimulierten Gehen fehle die Stabilität, zusätzlich sei deshalb ein Rollator nötig. Und: "Es sieht einfach anders aus als normales Gehen." Deshalb hätten die Ansätze der Robotik durchaus Vorteile.
Für den heimischen Gebrauch soll Ekso etwa ab 2013 zu haben sein. Er rechne mit Kosten zwischen 50 000 bis 60 000 Euro, sagte Bender - "wie für ein neues Auto". Der Roboter soll dann auch Treppen steigen können.
In der Reha-Version geht ein Helfer hinter dem Patienten, steuert die Schritte über eine Fernbedienung. Vier Motoren bewegen die Beine des Exoskeletts. Testpilotin Amanda ist schon einen Schritt weiter: Mit den Krücken, an denen Sensoren sitzen, kann sie selbst ihre Schritte steuern. "Diese fantastische Technik hat mein Leben verändert. Sie gibt mir eine neue Chance", sagt Amanda und strahlt die Zuhörer an: "Ich bin wieder auf Augenhöhe mit Euch!"
Fünf Jahre habe sie gebraucht, ihre Behinderung zu akzeptieren. Akzeptanz und Hoffnung gehörten zusammen, sagt sie - und sie hofft: Auf Schritte draußen, in der Natur, in den Rocky Mountains vor ihrer Haustüre. "Ich war eine Athletin, eine Tänzerin." Trotz der Lähmung hat sie weitergemacht: Klettern und Gleitschirmfliegen, Langlauf, bei dem sie mit den Armen anschiebt, und trotz des Unfalls Pistenskilauf. "Ich fahre besser als damals", sagt sie stolz. Als Skilehrerin zeigt sie anderen Behinderten, wie Skifahren ohne Beineinsatz geht. Im Sommer organisiert sie Kajak- und Raftingtouren für Behinderte, um auch ihnen zu zeigen: "Man kann ein gutes Leben leben."
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