Dem Krieg ganz nah
Ein Vortrag über die Situation in Afghanistan soll Schüler der FOS/BOS informieren. Neben Lob gibt es auch Kritik am Referat des ehemaligen Bundeswehroberst
Eine andere Welt hautnah – die konnten die Schülerinnen und Schüler der Fach- und der Berufsoberschule (FOS/BOS) in Neusäß jetzt erleben. Eine Welt, von der die Schüler, ja die meisten Bewohner Deutschlands in der Regel nur über die Medien erfahren. Vor über 300 Zuhörern sprach mit Dr. Reinhard Erös ein Experte des von Krisen gebeutelten Landes Afghanistan. Mit seiner Vortragsreihe „Afghanistan – was geht uns das an?“ machte der ehemalige Oberstarzt der Bundeswehr ohne jegliche Bezahlung bereits an über 750 Schulen Station, um bei den Jugendlichen „Interesse für Politik zu wecken“ und sich im besten Fall auch selbst zu engagieren. Am selben Tag machte er mit seinem Vortrag auch im Begegnungszentrum DieZ in Diedorf Station. Doch warum in Neusäß? In der 13. Jahrgangsstufe der FOS/BOS-Klassen findet jedes Schuljahr ein „Nahost-Konflikt-Seminar“ statt, das eine Woche lang dauert. In diesem wird ausschließlich der seit Jahrzehnten schwelende Krieg zwischen Palästina und Israel behandelt. Auch hier lautet das Ziel, die Schüler für solche Themengebiete zu sensibilisieren und Aufmerksamkeit zu wecken. Sozusagen als Zusatzveranstaltung diente deshalb das eineinhalbstündige Referat des 72-Jährigen. Zuhörende, die den Worten des Gründers der „Kinderhilfe Afghanistan“ nicht interessiert genug lauschten, wurden von Erös einfach direkt auf das Einstellen von Gesprächen oder den unerwünschten Handygebrauch hingewiesen. Denn was der Chirurg zu erzählen hatte, war gewaltig. Er berichtete mit oftmals lauter, sich überschlagender Stimme von seiner Zeit bei der Bundeswehr, die er verließ, als er wegen des „Kriegs für Demokratie“ ins Grübeln kam. Er sprach über den selbst finanzierten Bau von Schulen im Kriegsgebiet und wie der Konflikt überhaupt erst entstand. Oder aber auch von dem zusammengebrochenen Schüler bei einem seiner Vorträge. Teile von dessen Familie waren bei einem aus Afghanistan instruierten Anschlag getötet worden. Was die Jugendlichen in Neusäß mit dem Thema zu tun haben, ist für Erös klar. Er erzählte von der schwierigen Lage in dem Land und von 200 Millionen Klimaflüchtlingen in den kommenden 30 Jahren. „Dann könnt ihr euch was überlegen“, prophezeite er den Schülern. Genau aus diesem Grund läge es auch an ihnen, etwas gegen die Fluchtursachen dieser Menschen und die Ungerechtigkeit auf der Welt zu unternehmen. „Warum haben gerade wir Deutschen es verdient, im Paradies zu leben?“, fragt Erös eindringlich. Jedem Bewohner auf der Erde solle es schließlich gut gehen. Viele Schüler nahmen das Gesprochene positiv wahr. Der Vortrag sei „sehr gut“ gewesen, meint Emre Tufan aus der 12. Klasse der FOS. „Hätte Deutschland damals geholfen, wäre das gar nicht passiert“, führt er weiter aus. In die gleiche Kerbe schlägt Lara Roth, auch aus der FOS12. „Es war sehr interessant und wichtig. Er hat Dinge verdeutlicht, die in Deutschland oft nicht so rübergebracht werden.“ Zudem sei es schade, dass Vorurteile gegenüber Ausländern immer noch da seien. In Richtung der Lehrer schielt dagegen Batuhan Demirtas aus derselben Jahrgangsstufe. „Ich habe Dinge gehört, von denen ich noch gar nichts wusste. Die Lehrer müssen das mehr vermitteln.“ Kritik an dem Vortrag gab es aber ebenfalls. Pia Wendrich, Schülerin der 13. Klasse der BOS, äußerte Zweifel an der Darstellung der geschichtlichen Hintergründe des Kriegs in Afghanistan. Darüber hinaus seien viele ihrer Mitschüler „verwirrt von den Sprüngen zwischen den Themen und dem Aufzählen von Fakten ohne Verbindung“ gewesen. Erös kommentierte diese Vorwürfe auf Nachfrage: „Ob andere Zuhörer Inhalte missverstanden haben oder Verwirrnisse zwischen Themen und Zahlen ohne erkennbare Zusammenhänge bemerkten, kann ich nicht beurteilen und auch nicht bewerten.“
Dennoch war FOS/BOS-Schulleiter Rainer Bartl zufrieden mit dem Vortrag, lediglich fehlte ihm eine Diskussion im Anschluss. Dafür reichte die Zeit aber nicht mehr. Und auch Pia Wendrich kommt am Ende doch zum Schluss, dass Erös’ lebenslanges Engagement „eine Vorbildfunktion für uns Schüler darstellen und uns ein Beispiel aufzeigen soll, wie man seine Lebensenergie zum Wohle anderer einsetzen kann.“
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