Familie im Kirchenasyl: Hilfe für Folteropfer
Dekan Helmut Haug erklärt, warum eine Familie aus Tschetschenien den Schutz der Kirche erhält. Und wieso das geheim bleiben sollte.
Über Wochen war es ein gut gehütetes Geheimnis. Erst seit wenigen Tagen ist bekannt, dass eine Flüchtlingsfamilie seit März in Augsburg im Kirchenasyl lebt. Es ist bereits der zweite Fall in diesem Jahr. Im Februar hatte die Polizei ein erstes Kirchenasyl einer alleinerziehenden Mutter nach wenigen Tagen auf Anordnung des Ausländeramts beendet. Dieses Mal soll es anders laufen. Stadt und Polizei haben angekündigt, dass sie das Kirchenasyl nicht zwangsweise auflösen werden.
Nach Informationen unserer Zeitung geht es im aktuellen Fall um eine sechsköpfige Flüchtlingsfamilie aus Tschetschenien. Einfach ist deren Situation im Kirchenasyl nicht: Die Eltern können das Gelände der katholischen Pfarrgemeinde St. Peter und Paul in Oberhausen derzeit nicht verlassen. Sonst bestünde die Gefahr, dass sie festgenommen und nach Polen abgeschoben werden. Die vier minderjährigen Kinder dürfen sich aber auch außerhalb der Pfarrei aufhalten und können zur Schule gehen – das wurde so mit den Behörden vereinbart.
Die Familie ist in einer "besonderen Situation"
Dass die Familie nun unter dem Schutz der Kirche steht, begründet Stadtdekan Helmut Haug mit der „besonderen Situation“. Die Familie sei in ihrer Heimat verfolgt worden, der Vater habe Folter erlitten. Die Eltern befürchten, dass sie auch in Polen nicht sicher sind vor den Kriminellen aus Tschetschenien. Die Familie war bei ihrer Flucht in den Westen über Polen weiter nach Deutschland gereist. Weil die Flüchtlinge aber in Polen erstmals das Gebiet der Europäischen Union (EU) betreten haben, ist dieses Land auch für das Asylverfahren zuständig. So sehen es die Gesetze vor.
Die Aktivisten des Flüchtlingsprojekts Grandhotel Cosmopolis, wo die Familie lebte, sind aber der Ansicht, dass der traumatisierten Familie eine Abschiebung nicht zugemutet werden kann. Bei der Kirche sieht man dies ebenfalls so. Seit der Auflösung des Kirchenasyls im Februar ist es so geregelt, dass Vertreter der Kirchen, das sind der katholische Stadtdekan Helmut Haug und seine evangelische Amtskollegin Susanne Kasch, über die Fälle beraten, ehe eine Entscheidung fällt. Pfarrer Haug betont: „Kirchenasyl kann nur in begründeten Einzelfällen ein Weg sein.“ Eine Flut von neuen Fällen soll es nicht geben.
Das Kirchenasyl in diesem Fall ist ein stilles
Dass die katholische Kirche aus der Flüchtlingsfamilie in Oberhausen lange ein Geheimnis machte, sei eine bewusste Entscheidung gewesen, sagt Stadtdekan Haug. Fachleute sprechen in solchen Fällen von einem stillen Kirchenasyl. „Wir wollten, dass alles ruhig und ohne Aufregung abläuft.“ Offenbar wollte keiner der Beteiligten nach dem Eklat im Februar Öl ins Feuer gießen – da holte die Polizei eine Mutter mit ihren vier Kindern aus dem Pfarrhaus und fuhr sie nach Polen. Das löste bundesweit Schlagzeilen aus.
Der für die Oberhauser Gemeinde zuständige Pfarrer Karl Mair schweigt. Er hat offenbar die Sorge, er könnte mit öffentlichen Äußerungen die Behörden gegen sich aufbringen. In Stadtbergen, wo seit März ebenfalls eine tschetschenische Mutter mit ihren Kindern im Keller der Kirche lebt, hat man sich für einen anderen, offensiveren Weg entschieden. Dort ging man rasch an die Öffentlichkeit und unterstützte die Mutter dabei, mit Journalisten über ihre schwierige Lage zu sprechen. Dass erst machte es möglich, die ganze Dramatik des Falles zu erkennen: Der Ehemann der Frau wurde in Tschetschenien erschossen. Weil sie flüchteted, droht ihr jetzt Blutrache durch die Familie.
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