
Sieben Männer wegen Mordversuchs vor Gericht: Wie kam es zu der Gewaltorgie?


Weil sie aus einer Bar fliegen, geht eine Gruppe rumänischer Arbeiter auf drei Zufallsopfer los. Die Anklage spricht von einer "hemmungslosen Gewaltorgie".
Die Augsburger Staatsanwaltschaft nennt das, was sich am Morgen des 18. Februar 2018 vor einer Bar im Theaterviertel abgespielt hat, eine „hemmungslose Gewaltorgie “. Murat C., 27, ( Name geändert ) rechnete mit dem Tod, als er am Boden lag und von mehreren Männern geschlagen und zusammengetreten wurde. Die Tritte trafen ihn laut Anklageschrift unter anderem am Kopf, im Gesicht, am Rücken. Er verlor vorübergehend das Bewusstsein. Sein Nasenbein brach. Ebenso brachen die Böden seiner Augenhöhlen und die linke Augenhöhlenwand. Zwei Risswunden am Augenlid mussten operiert werden, er erlitt außerdem eine Quetsch-Riss-Wunde an der linken Wange. Er hatte Blutergüsse im Bereich der Schläfen, der Wangen, des Rückens und eines Schienbeins.
Murat C. ist eines von drei Opfern, die am 18. Februar offensichtlich völlig zufällig ins Visier von aggressiven Nachtschwärmern geraten sind. Seit diesem Montag wird der Gewaltexzess vor dem Augsburger Landgericht aufgearbeitet. Angeklagt sind sieben aus Rumänien stammende Männer. Sie haben, so sehen es jedenfalls die Ermittler, in jener Nacht alle Hemmungen verloren und waren bereit, aus Wut und Frust einen Menschen zu töten. Schlägereien im Augsburger Nachtleben gehören für Polizei und Justiz schon fast zum Alltag. Doch dieser Fall ragt angesichts seiner Brutalität heraus. Die Staatsanwaltschaft wertet das Verhalten der sieben mutmaßlichen Schläger als versuchten Mord. Damit drohen den Angeklagten in dem Prozess langjährige Haftstrafen, sollten sie am Ende tatsächlich so verurteilt werden.
Die Türsteher schaffen es, die Eingangstür der Bar zu verriegeln
Was ist geschehen? Die jetzt angeklagten Rumänen feiern in jener Nacht in einer Bar in der Theaterstraße. Morgens, gegen 6.30 Uhr, kommt es zu einem Streit unter Gästen. Die Türsteher des Tanzlokals werfen die Besucher daraufhin hinaus. Drei Männer attackieren laut Anklageschrift einen der Türsteher. Sie drücken ihn den Ermittlungen zufolge zu Boden, wodurch sein Kopf gegen die Ecke einer Türkante prallt, und schlagen mit Fäusten gegen seinen Hinterkopf und seinen Rücken. Als es den Sicherheitsleuten dennoch gelingt, alle vor die Bar zu befördern und die Eingangstür zu verriegeln, geht es draußen weiter.
Die Ermittler gehen davon aus, dass sich die Rumänen nun ohne weiteren Anlass nach Zufallsopfern umsehen, an denen sie ihre Wut über den Rauswurf auslassen können. Und zwar, so steht es wörtlich in der Anklage, „ungebremst und durch massivste Gewaltanwendung“. Es trifft Murat C., einen weiteren Mann und eine Frau, die zu der Zeit zufällig gemeinsam an der Bar vorbeigehen. Laut Anklage packt einer der Rumänen Murat C. zuerst von hinten an der Schulter und schlägt ihn mit einem Faustschlag nieder. Er geht zu Boden, Tritte und Schläge prasseln auf ihn ein.
Keine Hemmungen, auch die Frau zu schlagen und zu treten?
Als ihm sein Bekannter, ebenfalls 27 Jahre alt, zur Hilfe kommen will, wird auch er niedergeschlagen und zusammengetreten. Drei Männer haben laut Anklage auch keine Hemmungen, die Frau mit der Faust ins Gesicht zu schlagen und zu treten. Die Männer hören den Ermittlungen zufolge erst auf und flüchten, als sie fürchten, dass bald die Polizei kommen wird.
Die Frage, wie es zu diesem heftigen Gewaltausbruch kommen konnte, bleibt beim Prozessauftakt am Montag noch unbeantwortet. An diesem Dienstag könnte es nun aber Antworten darauf geben. Drei Angeklagte wollen erst einmal nichts zu den Vorwürfen sagen. Die anderen Männer werden allerdings eine Aussage machen, haben deren Rechtsanwälte bereits angekündigt. Offensichtlich wollen mehrere Angeklagte vorbringen, dass sie nicht so massiv in die Schlägerei verwickelt gewesen seien, wie es die Anklage ihnen vorwirft.
Hermann Kühn, einer von insgesamt acht Verteidigern, sagt, sein Mandant bestreite, die am Boden liegenden Männer noch getreten zu haben. Rechtsanwalt Moritz Bode sagt, die Anklageschrift sei sehr pauschal formuliert und unterscheide zu wenig, wie sich die einzelnen Angeklagten verhalten haben. Genau das sei aber wichtig für die angemessene Strafzumessung.
Der Verdienst in Augsburg ist deutlich besser als in Rumänien
Die Angeklagten waren alle in Augsburg, um hier auf Baustellen als Trockenbauer zu arbeiten. Sie stammen den Angaben zufolge alle aus der Region um Nausaud, einer 10.000-Einwohner-Stadt im Norden von Rumänien. In Augsburg lebten in gemeinsamen Unterkünften, etwa in einem Wohnblock in Kriegshaber. Zwischen 1300 und 2000 Euro netto hätten sie im Monat für ihre Arbeit bekommen, geben die Männer vor Gericht an. Das ist deutlich mehr, als sie in ihrer Heimat verdienen können. In Rumänien lag das Netto-Einkommen Ende 2017 nach Angaben der EU-Kommission bei im Schnitt 572 Euro.
Als die Männer kurz nach der Tat alle in Untersuchungshaft kamen, wussten ihre Angehörigen zuhause zunächst teils nicht, was mit ihnen geschehen ist. Die Verwandten der Männer waren in Sorge, weil sie von ihnen zunächst nichts mehr hörten. Eine Angehörige verfolgt den Prozess gegen die Männer nun auch im Gerichtssaal. Das Verfahren soll bis in den Februar hinein andauern. Auch die drei Opfer werden vor Gericht von einem Rechtsanwalt vertreten. Ihre körperlichen Verletzungen sind offenbar weitgehend verheilt. Anwalt Christian Schnetzer sagt, sie litten aber auch knapp ein Jahr später noch immer stark an den psychischen Folgen des Übergriffs.
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