Prostituierten-Mord: Reicht es für ein Urteil gegen Stefan E.?
Plus Die Polizei hat mit Aufwand Indizien gesammelt. Sogar verdeckte Ermittler freundeten sich mit Stefan E. an. Worauf es auf der Zielgerade des Prozesses nun ankommt.
Sie müssen bald darüber entscheiden, ob Stefan E., 50, wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden soll. In den vergangenen Wochen haben die Richter der Augsburger Schwurgerichtskammer deshalb auch Dutzende Zeugen aus dem Umfeld von Stefan E. befragt. Einer dieser Zeugen, ein Bekannter des Angeklagten aus den 1990er-Jahren, hat kürzlich Stefan E. schwer belastet. Doch wird der Angeklagte, dem der Mord an der Augsburger Prostituierten Angelika Baron im Jahr 1993 vorgeworfen wird, deshalb auch verurteilt?
Während der Mordprozess langsam auf die Zielgerade einbiegt, scheint der Ausgang noch immer offen zu sein. Einen eindeutigen Beweis dafür, dass Stefan E. die Prostituierte mit einem Möbelfuß geschlagen und sie erwürgt hat, gibt es nicht. Es bleibt, das zeichnet sich ab, bei Indizien. Am Ende müssen die Richter alle Puzzleteile anschauen und bewerten, ob das Bild, das sich daraus ergibt, für eine Verurteilung reicht. Voraussetzung für ein Urteil ist aber nicht eine absolute Gewissheit der Richter. Er reicht, so hat es der Bundesgerichtshof formuliert, ein „nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt“.
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Dieser Prozess ist ein wirklich guter Beleg dafür, dass Verjährungsvorschriften sinnvoll sind. Mord verjährt nicht, ist eine gern angeführte Formel, aber so war das ja nicht immer. Vielmehr fiel die Verjährung dem Umstand zum Opfer, dass man nach Kriegsende nicht rechtzeitig aller Naziverbrecher habhaft werden konnte. Deshalb wurde die Verjährung für Mord zunächst hinausgeschoben, dann ganz aufgehoben. Dabei wäre zu unterscheiden gewesen, in welchen Fällen man lediglich eines gesuchten Täter nur nicht habhaft werden konnte (weil in Südamerika untergetaucht) und solche, wo man erst nach Jahrzehnten meinte, einen Täter ausfindig machen zu können – wie jetzt hier im Fall Baron durch das Entdecken einer DNA-Spur.
Wäre in jedem anderen Fall eine DNA-Spur einer fremden Person an einer Leiche ein ziemlich starkes Indiz so relativiert sich das, wenn das Opfer Prostituierte war. Das ist keine Abwertung des Opfers sondern trägt lediglich den Umständen Rechnung. Die maßgebliche Spur war im Bereich des Sockens zu finden? Dort wo Angelika Baron ihr eingenommenes Geld versteckte? Geld etwa, das vom Angeklagten stammte, an dem natürlich dessen DNA heftete, die sich gut durch den Druck der Socke an die Fessel auf diese übertragen haben könnte? Ist das wirklich ein ‚starkes‘ Beweismittel?
Der Möbelfuß, von dem so vieles, wenn nicht alles abhängt: Ein Zeuge will sich erinnern, dass E. so einen besaß und neben dem Fahrersitz im Auto liegen hatte – wie viele anderen in der Szene, die sich seinerzeit mit Schlagstöcken vor Übergriffe absichern wollten. Dass es genau DIESER Möbelfuß gewesen sei, kann er schon nicht mehr sagen. Auch gilt er als nicht gerade sehr zuverlässige Person. Es muss nicht mal sein, dass er absichtlich falsch aussagt – wie oft spielt einem das Gedächtnis einen Streich, wenn man meint, dass etwas so und so war – sich später aber herausstellt, es kann gar nicht so gewesen sein. Dass Zeugen (unabsichtlich) Irrwitziges aussagen, kommt schon bei Prozessen vor, die wenige Monate nach einer Straftat stattfinden. Nun will man eine Mordanklage an einer Aussage festmachen, die eine Begebenheit von vor über 25 Jahren, zweifelsfrei belegen soll.
Die Polizei hat sich reingehängt. Sie hat sogar verdeckte Ermittler eingesetzt und sich ins Vertrauen des Verdächtigen geschlichen. Ergebnislos. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft auch Fakten zugunsten eines Verdächtigen und Angeklagten zu prüfen und zu werten. Warum hat man diesen Umstand, dass der Angeklagte vehement seine Unschuld beteuert und auch im Vorfeld in einem privaten Telefonat von einem unrechtmäßigen Verdacht sprach nicht stärker berücksichtig?
Man kann nur hoffen, dass man hier nicht einen Unschuldigen verurteilt, weil die Erwartungshaltung (von Öffentlichkeit wie Angehörigen) einen Täter für die schreckliche Tat hinter Gitter bringen zu können, ungemein hoch ist, die Polizei ungeheuren Aufwand betrieben hat und sich eine gewisse Abschreckungswirkung verspricht (ein Täter darf sich niemals sicher sein).
Im Zweifel für den Angeklagten müsste nach solchen Zeiträumen zwischen Tat und Gerichtsverhandlung deutlich schwerer wiegen als in anderen Fällen.