
Präsenzprüfungen im Lockdown: Die Angst der Studenten wächst

Plus Eine Klausur zu schreiben, ist aufregend genug. Doch aktuell plagt viele Studenten in Bayern zusätzlich die Angst, sie könnten sich bei Präsenzterminen mit Corona anstecken.
Die Unsicherheit ist groß bei vielen Studenten in Bayern. Die an den Hochschulen bereits stattfindenden und an den Universitäten anstehenden Prüfungen bereiten ihnen Kopfzerbrechen. Natürlich machen sie sich Gedanken, ob sie gut vorbereitet sind. Viel schwerer wiegt bei einigen aber die Sorge darüber, dass trotz Lockdown vielerorts Präsenzprüfungen stattfinden sollen. Und die Angst vor dem Coronavirus.
Einige junge Frauen und Männer – und auch besorgte Eltern – haben sich an unsere Redaktion gewandt. Als sie beginnen zu erzählen, spürt man, wie aufgewühlt sie sind. "Wir haben kein gutes Gefühl dabei, wenn wir, teils zu mehreren hundert, für die Prüfungen zusammenkommen sollen", sagen sie. "An manchen Unis muss man nicht mal eine Maske am Platz aufsetzen." Sie sprechen von der Angst, sich selbst anzustecken – aber auch davon, das Virus mit nach Hause zu nehmen und Familie oder Mitbewohner zu infizieren. Um sich Gehör zu verschaffen, haben einige von ihnen in Bayern eine Petition gestartet: "Wir Studierenden fordern dasselbe Recht für alle! Wie kann es sein, dass Abiturprüfungen verschoben, Schulen und Kitas geschlossen und alles verriegelt wird, wir aber weiterhin Präsenzprüfungen haben?"
Prüfungen im Corona-Lockdown als Superspreader-Events?
Einer der Studenten hat sich mit einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Ministerpräsident Markus Söder gewandt. Darin schreibt er: Monatelang fanden alle Lehrveranstaltungen ausschließlich online statt. War das jetzt alles umsonst, wenn nun Studenten aus ganz Deutschland zu den Prüfungen zusammenkommen sollen? "Wozu schränken wir uns ein, wenn wir das alles innerhalb der wenigen Wochen der Prüfungsphase wieder kaputtmachen?" Eine Kommilitonin ergänzt: "Wir befürchten, dass sich die Prüfungen im schlimmsten Fall zu richtigen Superspreader-Events entwickeln könnten."
Was sagen die Verantwortlichen zu diesen Bedenken? Hochschulen, Universitäten sowie das bayerische Wissenschaftsministerium verweisen darauf, dass "jede Hochschule auf der Grundlage des jeweiligen hochschulartspezifischen Rahmenhygienekonzepts eigene spezielle Schutz- und Hygienekonzepte ausgearbeitet hat", heißt es in einer Erklärung des Ministeriums. Dies bedeutet zum Beispiel, Maske auf dem Weg zum Platz oder sogar am Platz zu tragen, Abstand halten, Lüften und Desinfizieren. Vielerorts wurden auch extra große Hallen für die Prüfungen angemietet, um die Situation zu entzerren, oder große Zelte aufgestellt. Der bayerische Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) ergänzt: "Aus meinen Gesprächen mit Hochschulen und Studierendenvertretungen weiß ich, dass der Gesundheitsschutz bei allen an oberster Stelle steht."
Corona: Manche Präsenzprüfungen seien alternativlos
Eine Sprecherin des Verbundes Hochschule Bayern erklärt allerdings, dass Präsenzprüfungen in machen Fächer alternativlos seien, um den Studienfortschritt für alle sicherzustellen: "Präsenzprüfungen unter Einhaltung strenger Hygiene- und Schutzmaßnahmen sind zum Teil erforderlich, da nicht alle Prüfungen rein digital oder über andere Leistungsnachweise abgebildet werden können." Ein Sprecher der bayerischen Universitätenkonferenz ergänzt: "Wir unternehmen umfassende Anstrengungen, die Prüfungen unter bestmöglichen Hygienestandards durchzuführen."
Doch gibt es tatsächlich keine Alternativen zu Präsenzprüfungen? Hochschulen und Universitäten teilen ihren Studenten mit: Wer Angst hat, sich anzustecken, ist nicht verpflichtet, teilzunehmen und kann die Klausur nachholen. "Alle Präsenzprüfungen werden nochmals zum Ende des Sommersemesters angeboten", erklärt die Hochschulsprecherin. "Weiter sind die Fristen für die Studierenden ausgesetzt, sodass das jeweilige Semester nicht auf die Studienzeit angerechnet wird."
Erste Universitäten reagieren auf die Kritik der Studierenden
Der Unmut bei den Studenten sei trotzdem groß, sagen sie: "Es gibt keinerlei Garantie dafür, dass im kommenden Semester alles seinen gewohnten Gang gehen wird. Zweitens geht es hier nicht um die Höchststudiendauer, sondern um ein halbes Jahr Leerlauf, das angesichts der einfach zu ergreifenden Alternativen vermeidbar wäre." Die Studenten haben sich bereits Gedanken gemacht, wie solche Alternativen aussehen könnten: Essays oder Hausarbeiten schreiben, Hausaufgaben einreichen, Online-Prüfungen oder eine digitale Abgabe mit einer beschränkten Bearbeitungszeit. Oder – vor allem mit Blick auf das kommende Halbjahr – Leistungen über das Semester hinweg erbringen.
Einige Universitäten und Hochschulen in Bayern haben mittlerweile auf die Kritik ihrer Studenten reagiert. In Passau und Regensburg beispielsweise wurde beschlossen, "bereits geplante Präsenzklausuren weitestmöglich durch digitale Alternativen zu ersetzen. Ziel ist es, so wenig Präsenzprüfungen wie möglich abzuhalten", heißt es beispielsweise in einem Schreiben der Universität Regensburg. Auch an der Hochschule Neu-Ulm hat die Leitung beschlossen, dass deutlich weniger Prüfungen mit Anwesenheitspflicht stattfinden sollen als regulär.
Unmut regt sich allerdings nicht nur, was die Semesterprüfungen anbelangt, sondern bei einigen auch in Sachen Staatsexamensprüfungen für Lehramt, die in ein paar Wochen ebenfalls in Präsenz stattfinden werden. Neben der Gefahr, sich dabei anzustecken, bemängeln viele Studenten einen unzureichenden Zugang zur Literatur in der Vorbereitungszeit, da Bibliotheken im Lockdown geschlossen wurden und sie erst seit Kurzem wieder Bücher per Abholung ausleihen dürfen. Sie fordern deshalb – mit Unterstützung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft –, die Termine für die Examensprüfungen zu verschieben.
Kultusministerium: Staatsexamensprüfungen werden nicht verschoben
Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt das Kultusministerium allerdings mit, dass die Staatsexamensprüfungen nicht verschoben werden: "Das wäre ein Eingriff in die Prüfungsvorbereitung sowie in die sonstigen Planungen der Prüfungsteilnehmer", sagt Ministeriumssprecher Daniel Otto. Er verweist "zum Ausgleich möglicher Erschwernisse" auf eine Reihe von Sonderregelungen:
Alle Teilnehmer erhalten einen Freiversuch. Das Fernbleiben von einzelnen Prüfungen kann genehmigt werden, sodass diese zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden können. Außerdem plane das Ministerium ein Hinweis auf die Sondersituation der Prüfungsteilnehmer in Bezug auf den zeitweise eingeschränkten Zugang zu Fachliteratur, "sodass eine möglichst einheitliche Berücksichtigung der Umstände im Rahmen der Korrektur erfolgen kann".
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Die Diskussion ist geschlossen.
Die Schüler verlieren ein Jahr (mindestens), die Studenten verlieren ein Semerster (mindestens) => so will es die Politik.
Es müssen geeignete Räume gefunden werden, um die Abstände der Prüflinge zu gewährleisten! Alles andere wäre nicht nur gröblichst fahrlässig sondern auch verwerflich!