Der Alltag der Kontrolleure: zu wenig Zeit, zu viel Büro
Auch am Tag, nachdem der Fleischskandal in Wertingen (Kreis Dillingen) ruchbar geworden ist, können es die Menschen nicht fassen: Wie konnte ein fleischverarbeitender Betrieb aus dem schwäbischen Städtchen mit Ekelfleisch einfach so riesige Geschäfte machen? Und dann kommen die Vorwürfe. Einer davon: Wurde vor Ort nicht ausreichend kontrolliert?
Von Till Hofmann, Wertingen
Auch am Tag nachdem der Fleischskandal in Wertingen (Kreis Dillingen) ruchbar geworden ist, können es die Menschen nicht fassen: Wie konnte ein fleischverarbeitender Betrieb aus dem schwäbischen Städtchen mit Ekelfleisch einfach so riesige Geschäfte machen? Und dann kommen die Vorwürfe. Einer davon: Wurde vor Ort nicht ausreichend kontrolliert?
Dagegen wehrt sich das zuständige Landratsamt Dillingen. "Die Kontrolleure haben im Fall Wertingen nicht versagt", sagt Landrat Leo Schrell. Der Betrieb sei - auch weil verantwortliche Personen dort in der Vergangenheit wegen Fleischbetrügereien verurteilt worden waren - überdurchschnittlich häufig kontrolliert worden: in den letzten drei Jahren insgesamt 13 Mal. Allein drei dieser nicht angemeldeten Routinekontrollen seien im ersten Halbjahr 2007 gewesen, sagt der Sprecher des Dillinger Landratsamtes, Hermann Stark.
Auskunft der Dillinger Veterinäre: "Wenn wir jeden Betrieb so intensiv überprüfen würden, bräuchten wir zwei Stellen mehr." Die drei Veterinärärzte haben in ihrem Bereich mit rund 60 Metzgereien und Verarbeitungsbetrieben zu tun. Die Häufigkeit der Überprüfungen hängt von einer so genannten Risikoanalyse ab. Das Ergebnis auf Fragen wie "Um welche Art von Betrieb handelt es sich?", "Wie lange besteht die Firma?", "Wie sind die baulichen Gegebenheiten?", "Gibt es ein Qualitätssicherungs-Konzept?", spuckt der Computer aus. Die Veterinäre oder beauftragten amtlichen Tierärzte nehmen dann die hygienische Situation vor Ort in Augenschein, sie schauen sich die Dokumentation der Warenströme an und wie das tierische Material verarbeitet und gelagert wird. Fleischproben werden bei einigen der Kontrolltermine mitgenommen und untersucht. Nie habe es in Wertingen Beanstandungen gegeben.
Für exakte Kontrollen fehlt häufig die Zeit, räumen Insider ein. Bei der Begutachtung eines geschlachteten Schweins liegt der Richtwert bei 40 Sekunden - bei einer Kuh sind es unter zehn Minuten. Und selbst wenn der Amtstierarzt "beispielhaft eine Stunde in einem Betrieb eingesetzt wird. Dann bleibt immer noch eine Lücke von 23 Stunden", sagt Dr. Max Schubert vom Günzburger Veterinäramt. "Es gibt klipp und klar zu wenig Veterinäre. Wir können die momentan anfallende Arbeit nicht mehr leisten." Etwa 90 Prozent seiner Dienstzeit müsse er, durch immer neue Anforderungen und Bestimmungen, im Büro verbringen.
Fachleute fordern seit längerem, dass für den Menschen ungenießbare Schlachtabfälle eingefärbt werden. Ein Vorschlag, mit dem man beim bayerischen Verbraucherschutzministerium offene Türen einrennt, versichert dessen Sprecher Roland Eichhorn. Mehrfach habe sich Bayern in der Vergangenheit beim Bund und über den Bund bei der Europäischen Union für diese optische Kennzeichnungspflicht stark gemacht. Doch der für den Verbraucherschutz zuständige zypriotische EU-Kommissar Markos Kyprianou habe abgelehnt. "Ein Alleingang ist hier nicht möglich", sagt der Ministeriumssprecher und kündigt an, den Wertinger Vorfall zum Anlass für einen neuerlichen Vorstoß in Brüssel zu nehmen.
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