Angehörige wollen sich gegen Boulevard-Presse wehren
Die Familien der Unfallopfer machen zurzeit die Hölle durch. Erst die Tragödie auf der Straße, dann der Skandal um die vertauschten Leichen. Jetzt erklärten Boulevardblätter den Vater des Unfallfahrers für tot. Doch er lebt.
Der Albtraum will einfach kein Ende nehmen. Jeden Tag eine neue Hiobsbotschaft für die Angehörigen der vier B-17-Unfallopfer Mathias K., Matthias H., Dominika M. und Sissy H., jeden Tag die Anrufe, die Klatschreporter vor den Türen in Diedorf (Landkreis Augsburg). Als ob der Schmerz, der Verlust eines Kindes nicht schon schlimm genug wären.
Und dann das: Gestern las der Vater des Unfallfahrers Mathias K. in Münchner Boulevardzeitungen von seinem eigenen Tod. Er war geschockt. Da stand: Er sei an einem Herzinfarkt gestorben. Angehörige aus ganz Deutschland riefen an und fragten besorgt, was denn passiert sei. Da reichte es der Familie endgültig. Die Eltern von Mathias K. gingen zum Anwalt, sie wollen sich wehren. Sie überlegen, wegen dieser Falschmeldung die beiden Zeitungen zu verklagen.
"In diesem Fall geht alles schief, was schiefgehen kann", sagt Gerhard Schöffel, Leiter des Kriseninterventionsteams Augsburg. Er ist entsetzt, was den Angehörigen der Unfallopfer zurzeit widerfährt. Erst die Tragödie auf der Straße, bei der Freitag vor einer Woche vier junge Menschen starben, weil der Fahrer zu schnell und betrunken gefahren war. Schöffel: "Allein das ist schon extrem belastend." Für das ganze Umfeld. Gestern sah er an der Unfallstelle zwei in Tränen aufgelöste junge Frauen stehen. Dann folgte der Bestattungs-Skandal (wir berichteten): Die Leichen der beiden jungen Frauen Dominika M. und Sissy H. wurden vertauscht. Im Sarg lag der Körper, der eigentlich verbrannt werden sollte. Statt Sissy wurde Dominika eingeäschert.
Wie das geschehen konnte, ist nach wie vor ein Rätsel und wird möglicherweise nie aufgeklärt werden. Polizei, Klinikum Augsburg und die Bestattungsdienste wollen es nicht gewesen sein. Wie berichtet, überlegen die Eltern von Dominika M. zu klagen. Das ist allerdings nur zivilrechtlich möglich. Der Staatsanwalt interessiert sich im Gegensatz zu den bundesweiten Medien nicht für einen Bestattungs-Skandal mit vertauschten Leichen.
Und jetzt noch die Falschmeldung vom Tod des Vaters. "Alles erstunken und erlogen!" Große Wut herrscht im engsten Familienkreis von Mathias K. Der Vater, der vor ziemlich genau einem Jahr einen Herzinfarkt gehabt habe, sei, als er die Nachricht von dem schrecklichen Unfall erfuhr, mit akuten Herzproblemen ins Klinikum gebracht worden. Inzwischen ist er aber wieder zuhause. "Wie kommen die Boulevard-Journalisten nur auf solch eine falsche Berichterstattung", fragen sich Angehörige, die aber nicht namentlich genannt werden möchten. "Was die Familie in den letzten Tagen mit der Regenbogenpresse mitmachen musste, grenzt an Terror." So würden die Eltern nahezu rund um die Uhr mit Anrufen von Medienvertretern bombardiert. "Meine Mandanten sind gesundheitlich und psychisch ganz extrem angeschlagen und in einer schwierigen Situation", sagte gestern der Augsburger Anwalt Manfred Piendl.
Die Angehörigen machen gerade die emotionale Hölle durch. "Schlimmer kann¿s nicht mehr kommen", so Schöffel. Er weiß aus jahrelanger Erfahrung im Umgang mit Hinterbliebenen von Unfallopfern, wie schwer der Weg aus dem dunklen Tal ist. In diesem Fall besonders. "Wenn die Familien nicht psychologisch betreut werden, dann sehe ich dunkelschwarz", sagt Schöffel. Immens wichtig sei nun für die Angehörigen und das ganze Umfeld der Unfallopfer, dass endlich Ruhe einkehrt.
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