Wenn die CSU träumt...
Karl-Theodor zu Guttenberg ist quasi über Nacht vom Generalsekretär zumBundeswirtschaftsminister aufgestiegen und gibt in seinem Amt eine glänzendeFigur ab. Endet sein steiler Aufstieg im Kanzleramt? Von Jörg Sigmund
Von Jörg Sigmund, Augsburg
Sieben Jahre ist es her. Im Herbst 2002 war Edmund Stoiber ganz dicht dran, die Macht in Berlin zu erobern. Er scheiterte als Kanzlerkandidat knapp an Gerhard Schröder, so wie schon 1980 CSU-Übervater Franz Josef Strauß an Helmut Schmidt gescheitert war.
Die Tür ins Kanzleramt blieb für die CSU bisher fest verriegelt. Und im Licht der jüngsten parteiinternen Beben war zunächst keine Rede mehr davon, dass die Christsozialen - nach der Zeit Angela Merkels - irgendwelche Ansprüche anmelden könnten.
Das hat sich geändert. Seit sich ein 37-jähriger Baron in wenigen Wochen zum beliebtesten deutschen Politiker aufgeschwungen hat und mit seinem bundesweiten Popularitätswert sogar die Kanzlerin übertroffen hat, träumen sie wieder in der CSU. Karl-Theodor zu Guttenberg heißt der Hoffnungsträger, der nach dem Rückzug von Michael Glos quasi über Nacht vom Generalsekretär zum Bundeswirtschaftsminister aufstieg und in seinem Amt eine glänzende Figur abgibt.
Guttenberg, damals noch Notlösung, zwar smart und eloquent, aber nicht unbedingt mit ökonomischem Sachverstand behaftet, stieg in Rekordzeit in die belle Etage der deutschen Politik auf. "Das ist ein so phänomenaler Aufstieg, wie es ihn in sechzig Jahren Bundesrepublik nicht gegeben hat", sagt Ex-CSU-Chef Erwin Huber. Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis sieht den oberfränkischen Adelsspross leichtfüßig weitere Stufen auf der Karriereleiter erklimmen.
"Wenn er lange genug Dienst getan hat als Minister, warum sollte er dann nicht mal für die CSU als Bundeskanzler antreten?" CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl lobt Guttenberg in höchsten Tönen. "Ich kann nur sagen: Weiter so! Bis zur Bundestagswahl am 27. September und darüber hinaus." Auf die Frage nach einer möglichen Kanzlerkandidatur sagte Uhl kurz und knapp: "Jeder Katholik kann auch Papst werden." Selbst Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer wollte sich der Debatte nicht entziehen, als er betonte: "Irgendwann wird's auch bei uns wieder schnackeln."
Tatsächlich hat es die CSU nach dem 43-Prozent-Debakel bei der Landtagswahl geschafft, sich derart zu verjüngen, dass sie auch über Langfristprojekte wie eine Kanzlerkandidatur nachdenken kann. Das sind zugegeben Zukunftsszenarien, denn die Gegenwart der Union heißt Merkel. Und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein hat schon mal gewarnt. "Politik ist etwas Wechselhaftes", sagt er. Guttenberg ein möglicher Kanzler? Beckstein: "Fragen sie noch mal in 15 Jahren."
Auch in der CSU-Landtagsfraktion gibt es bereits kritische Stimmen. "Was da gerade abläuft, hat mit normalen Maßstäben nichts zu tun", betont ein Partei-Vorderer. Mit Interesse wird in München vor allem die Rivalität zwischen Guttenberg und Gesundheitsminister Markus Söder beobachtet. Der Nürnberger galt lange unbestritten als Nummer eins der jungen CSU-Garde.
Söder wisse zwar, heißt es, dass er den Machtkampf mit Guttenberg, dem "James Dean und Charmingboy der CSU", zur Stunde nicht gewinnen kann. Doch Söder sei auch überzeugt, Guttenberg werde nie in München "ankommen".
Das glauben nicht alle in der Partei. Stoiber sei nicht geliebt, sondern respektiert worden; Strauß sei entwender geliebt oder gehasst worden, aber er habe die Menschen emotional gebunden. Guttenberg wiederum habe das Zeug dazu, die Anhänger zu fesseln und die eigene Klientel zu mobilisieren. "Eine Partei", sagt Bayerns Finanzstaatssekretär Franz Pschierer (Mindelheim), "kann sich glücklich schätzen, so viele unterschiedliche Talente wie Söder und Guttenberg zu haben."
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