Grüne: Rechtsextremismus wird verharmlost
Gründe Abgeordnete kritisieren Innenminister Herrmann in ungewöhnlich scharfer Form. Sie fordern einen Zwischenbericht zur Neonazi-Mordserie.
München Im Streit um politische Konsequenzen aus der Serie rechtsextremistisch motivierter Morde haben die Grünen im Landtag Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in ungewöhnlich heftiger Form kritisiert. Gleichzeitig legten sie ein ganzes Bündel von Anträgen und Anfragen zum Rechtsextremismus in Bayern vor und forderten darüber hinaus mehr Kontrollrechte des Landtags gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz.
Die Abgeordneten Susanna Tausendfreund und Sepp Dürr werfen Herrmann vor, die Dimension der Bedrohung durch rechte Gewalttäter zu verharmlosen. Sie verwiesen gestern im Landtag darauf, dass fünf der neun Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in Bayern begangen worden seien und erklärten: „Noch immer ist Innenminister Herrmann jegliche Aufklärung darüber schuldig geblieben, welche Erkenntnisse es bislang über die Morde der NSU in Nürnberg und München gibt, auf welches Netzwerk die Täter möglicherweise in Bayern zurückgegriffen haben und warum der ausländerfeindliche Hintergrund der Morde so lange unentdeckt bleiben konnte.“
Innenminister verweist auf den Generalbundesanwalt
Herrmann nannte die Kritik der Grünen „völlig absurd“. Die Forderung, Erkenntnisse und Ermittlungsergebnisse zur Mordserie offenzulegen, wies er zurück: „Die zur Aufklärung der Neonazi-Mordserie eingesetzte Sonderkommission unter Führung des Bundeskriminalamts ermittelt auf Hochtouren. Die Ermittlungen leitet Generalbundesanwalt Harald Range. Er hat sich jegliche Auskunft in Zusammenhang mit den Ermittlungen vorbehalten. Das wissen die Grünen ganz genau“, sagte Herrmann. Die Vorwürfe seien „absolut scheinheilig, absurd und überflüssig“.
159 Rechtsextreme werden zurzeit per Haftbefehl gesucht
Dieses scharfe Pro und Kontra dürfte nur der Auftakt für eine längere Debatte im Landtag sein. Die Grünen haben das Innenministerium mit einer langen Liste von Fragen konfrontiert, wie es um Aufklärung und Bekämpfung des Rechtsextremismus in Bayern steht. Sie betreffen zum Beispiel die Bewaffnung der Neonazis. Allein in den Jahren 2009 und 2010 seien bundesweit 811 Waffen, darunter 15 Faustfeuerwaffen und 40 Spreng- und Brandvorrichtungen, bei Rechtsextremen sichergestellt worden. Die Grünen haben den Verdacht, dass bei vielen weiteren Waffenfunden ein rechtsextremer Hintergrund bisher noch gar nicht erkannt worden sei. Beunruhigend sei auch, dass 159 Rechtsextreme in Deutschland per Haftbefehl gesucht und flüchtig seien, darunter seien sieben „untergetauchte rechte Gewalttäter“.
Gleichzeitig, so Dürr, sei es in jüngster Zeit zu einer Häufung von Angriffen oder Bedrohungen einzelner Personen gekommen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Mit dieser „individuellen Einschüchterungstaktik“ versuchten die Neonazis, „Angst zu verbreiten und ein neues Machtpotenzial zu erproben“, sagte Dürr und fügte hinzu: „Angesichts dieser Gefahren ist es völlig unverantwortlich, dass Innenminister Herrmann glaubt, so weitermachen zu können wie vor Bekanntwerden der Mordserie.“
Die Grünen-Abgeordnete Tausendfreund, die auch Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Landtags ist, kritisierte eine mangelhafte Information des Landtags über Erkenntnisse der Ermittler und Verfassungsschützer. „Das unterminiert das Auskunftsrecht und den Kontrollanspruch des Landtags“, sagte Tausendfreund. Zum PKG erklärte sie: „So, wie die Konstruktion der Rechte der einzelnen Mitglieder in diesem Gremium gestrickt ist, ist eine Kontrolle des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht möglich.“
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