Naturschutz droht der Kahlschlag
Landschaftspflegeverbände und Kommunalpolitiker schlagen Alarm: Das bayerische Umweltministerium darf die Fördermittel für 2011 nicht streichen.
Sobald es das Wetter erlaubte, rückten Rudolf Sirch und Gerhard Süßmair aus, um die Lechheiden in Augsburg zu mähen. Die Landwirte arbeiten im Auftrag des Landschaftspflegeverbands Stadt Augsburg.
"Wenn wir die Königsbrunner Heide nicht mehr konsequent pflegen würden, wären in drei bis vier Jahren viele Arten verschwunden", sagt Geschäftsführer Nicolas Liebig. "Eine Heide erhält sich nicht von allein." Auch die Streuwiesen in der Allgäuer Moorlandschaft und die Feuchtwiesen im Donautal müssen regelmäßig mit großem Aufwand gemäht werden, um die Vielfalt von Pflanzen und Tieren in die Zukunft zu retten.
Nächstes Jahr könnte Schluss sein mit der Pflege. Das bayerische Umweltministerium will die Fördergelder im Haushalt 2011 streichen. Das schließen die Landschaftspflegeverbände aus einem Schreiben, das ihnen auf den Tisch flatterte. Es gilt ein sofortiger Verpflichtungsstopp - das heißt, es dürfen keine Aufträge an Landwirte erteilt werden.
Es geht um acht Millionen Euro Landesmittel. Dazu kommt eine Kofinanzierung der EU (rund vier Millionen), die auch verloren ginge, so die Befürchtung. Liebig: "Das wäre der Super-GAU für Bayerns Naturschutz."
Auch das Vertragsnaturschutzprogramm soll vom Spardiktat betroffen sein. Hier trifft es unter anderem die Wanderschäfer, die die Heiden im Ries, am Lech und im Altmühltal seit Jahren mit ihren Tieren beweiden - mit großem Erfolg für den Artenschutz und den Biotopverbund.
Landräte und Bürgermeister laufen Sturm und haben Brandbriefe an Umweltminister Markus Söder (CSU) geschrieben. Der Ostallgäuer Landrat Johann Fleschhut, Vorsitzender des Zweckverbands Allgäuer Moorallianz, warnt vor einem Glaubwürdigkeitsverlust des Naturschutzes als verlässlicher Partner. "Unsere laufenden Projekte machen einfach keinen Sinn, wenn das Vertragsnaturschutzprogramm als Basis fehlt", heißt es in dem Schreiben.
Mit "Sorge und Unverständnis" reagierte der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) auf die Pläne des Umweltministeriums. "Eine so brutale Mittelkürzung wäre ein verheerendes Signal - und das im Jahr der Biologischen Vielfalt."
Für viele Landwirte ein wichtiges zweites Standbein
Liebig, der auch Sprecher der Bayerischen Landschaftspflegeverbände ist, mag kaum glauben, dass es zu dem Kahlschlag kommt. Entschieden ist noch nichts. "Wir setzen alles daran, dass es nicht so weit kommt, und werden die Haushaltsberatungen aktiv begleiten." Es geht schließlich um die artenreichsten Flächen in Bayern, "die Kronjuwelen des Naturschutzes".
Die letzten Jahre seien die Landschaftspflegeverbände sehr gut vom Ministerium unterstützt worden. Bayern hat mit dem kooperativen Naturschutz bundesweit Pionierarbeit geleistet. 3500 Landwirte arbeiten inzwischen als Landschaftspfleger. Für viele ist es ein wichtiges zweites Standbein.
Klaus Blümlhuber, Landessprecher der Landschaftspflegeverbände, fordert von der Staatsregierung ein klares Bekenntnis zum "bayerischen Weg" im Naturschutz, der auf eine enge Kooperation mit den Landwirten und Waldbesitzern setzt - über den Vertragsnaturschutz und das Landschaftspflegeprogramm. Die Fördergelder müssten 2011 im gleichen Umfang fließen. Eine radikale Kürzung der Landschaftspflege-Mittel steht nach Ansicht der Fachleute im Widerspruch zur europäischen Naturschutzrichtlinie "Natura 2000".
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