
Razzia wegen"Vergewaltigungs-Droge"


Vor allem junge Menschen trinken sich mit "Liquid Ecstasy" in einen riskanten Rausch. Jetzt hat die Polizei mit einer Großrazzia gegen Internet-Händler reagiert. Spuren führen auch nach Neu-Ulm und Augsburg. Von Jörg Heinzle
Von Jörg Heinzle
München/Neu-Ulm. Die Polizisten kamen früh. So früh, dass viele Betroffene noch friedlich schlummerten. "Die haben mich aus dem Tiefschlaf gerissen", schreibt der Nutzer eines Internetforums. Ein anderer meint: "Bei mir waren sie morgens um sechs, und ich hab Frau und Kind, ich könnt grad durchdrehen."
In den virtuellen Diskussionsrunden ist die Aufregung groß, seit bei einer Razzia am Mittwoch bundesweit rund 600 Wohnungen durchsucht und 20 Drogenlabore ausgehoben wurden. Es ist der bislang wohl größte Schlag der Polizei gegen eine Droge, die sich Experten zufolge immer mehr verbreitet: Liquid Ecstasy.
In der Partyszene ist bereits von einer "neuen Wunderdroge" die Rede. Doch die Folgen sind fatal: Wenige Milliliter können Atemlosigkeit und Ohnmacht auslösen. Bislang werden in Deutschland bis zu zehn Todesfälle mit der Droge in Verbindung gebracht.
Birgit Weckermann kennt diese Gefahr. Sie arbeitet auf der Entzugsstation des Bezirkskrankenhauses in Kaufbeuren. Drei junge Leute, alle um die 20 Jahre alt, sind in den letzten Wochen mit einer Überdosis Liquid Ecstasy eingeliefert worden. Auf der Intensivstation retteten ihnen die Ärzte das Leben. "Sie haben großes Glück gehabt", sagt Birgit Weckermann. "Sie könnten tot sein."
Was den Konsumenten an der Droge gefällt? "Die Wirkung ist so, dass Schlafstörungen gelindert werden und allgemein die Stimmung aufgehellt wird." Wer sich mit dem Stoff versorgen will, muss sich keinen Dealer suchen. Die Chemikalie kann bequem über das Internet geordert werden - auch das senkt die Hemmschwelle. Zudem ist der Stoff in vielen Putzmitteln enthalten.
Melanie Meckel, Sozialpädagogin bei der Drogenhilfe Schwaben in Augsburg, kennt Jugendliche, die Putzmittel ganz einfach mit Cola verdünnt haben. "Damit es nicht so bitter schmeckt." Liquid Ecstasy sei in der Jugendszene - damit meint sie eine Altersgruppe von 15 Jahren bis Anfang 20 - schon vor über einem Jahr in Mode gekommen.
Weil der Stoff zusammen mit Alkohol betäubend wirkt, gilt er auch als "Vergewaltigungsdroge." Melanie Meckel hatte mit drei jungen Frauen Kontakt, denen jeweils bei einer privaten Party Liquid Ecstasy ins Glas gekippt wurde. "Bei zweien kam es zu einer Vergewaltigung."
Im Zentrum der aktuellen Ermittlungen stehen, wie das Landeskriminalamt in München mitteilte, ein 37-Jähriger aus dem Raum Fürstenfeldbruck und ein Mann aus Niedersachsen. Beide sollen Chemikalien vertrieben haben, aus denen in illegalen Labors synthetische Drogen hergestellt wurden. Sie sollen zudem übers Internet Gamma-Butyrolaceton (GBL) vertrieben haben. Nimmt man GBL ein, verwandelt es sich im Köper zu Liquid Ecstasy. GBL wird in der Industrie vielfältig eingesetzt. Es ist aber verboten, den Stoff an Personen zu verkaufen, die ihn einnehmen.
Ebenfalls im Visier der Justiz: ein 37 Jahre alter Mann aus Neu-Ulm, der offenbar als Zwischenhändler fungierte. Bei ihm entdeckten die Ermittler zwei Container, gefüllt mit Chemikalien.
Die Polizei musste mit Lkws anrücken, um alles abtransportieren zu können. Bei einer Hausdurchsuchung in Augsburg wurden Chemikalien gesprengt, weil der Transport zu gefährlich gewesen wäre.
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