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Schule
24.07.2018

Warum haben so viele Kinder Probleme mit dem Lesen?

Andrea Bakovic, 10, hat sich anfangs sehr schwer getan mit dem Lesen. Aber jetzt, wo sie besser Deutsch spricht, macht sie Fortschritte.
Foto: Ulrich Wagner

Andrea, 10, kommt aus Kroatien und musste erst Deutsch lernen. Aber es gibt noch andere Gründe, wenn das mit den Buchstaben und den Büchern nicht klappen will.

Christa Baumann unterschreibt gerade wieder einmal Zeugnisse. Ihr Haus, die Friedrich-Ebert-Grundschule im Augsburger Stadtteil Göggingen, besuchen über 300 Schüler. „Das dauert“, sagt die Rektorin – und lächelt trotzdem. Baumann liest alles nach, was ihre Lehrer in die Vordrucke geschrieben haben. Erst den Abschnitt zum Sozialverhalten, dann den zum Lernverhalten. An dritter Stelle in den Zeugnissen kommt der Punkt, über den in den vergangenen Monaten so viel diskutiert wurde: „Lesen – mit Texten und weiteren Medien umgehen“. Genau das, so hat es zuletzt beispielsweise die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) bestätigt, können viele Kinder nicht richtig.

Am Ende der Grundschule liest demnach jedes zehnte Kind in Bayern nicht so gut wie es sollte. Nimmt man ganz Deutschland, ist es sogar jedes fünfte. „Die große Mehrheit der EU-Staaten“ weise „signifikant bessere Leistungen auf“, schreiben die Forscher. Das sei „besorgniserregend“, denn: Probleme beim Lesen werden oft zu Problemen im Leben. Es sei davon auszugehen, dass betroffene Kinder „erhebliche Schwierigkeiten“ in weiterführenden Schulen bekommen.

Schulleiterin Christa Baumann legt den Füller zur Seite. Rechnet man die bayerische Statistik herunter, müsste sie also mit jedem zehnten Zeugnis an die Leseschwäche im Schulsystem erinnert werden. Doch die Schule hat Leseförderung zu ihrem Schwerpunkt gemacht. Das zeigt Wirkung. Regelmäßig kommen freiwillige Lesepaten an die Schule und üben gezielt mit einzelnen Kindern.

Leseförderung in Schulen - mit dem „Pisa-Schock“ fing alles an

An diesem Tag liegt die ganze Aula voller Papierbahnen, Kinder hüpfen drum herum. „Leserollen“, sagt die Rektorin, als sie vom Sekretariat im ersten Stock auf die Papeterie hinunterschaut. Blatt für Blatt kleben die Schüler aneinander, darauf erzählen sie in eigenen Worten und Bildern den Inhalt ihres Lieblingsbuchs. Meterlang sind die Rollen. Warum manche Kinder dennoch meilenweit von guten Leseleistungen entfernt sind? Christa Baumann muss nicht lange überlegen. Erstens, sagt die Frau mit dem seriösen schwarz-weißen Kleid, werde heute mehr getestet als vor dem „Pisa-Schock“ Anfang des Jahrtausends, als deutsche Schüler im internationalen Vergleich versagten. Soll heißen: Schlechte Leser gab es schon immer, aber weniger Statistiken, in denen sie auftauchten.

Außerdem „sind Kinder heute sehr viel früher digital unterwegs“. In den sozialen Medien herrsche ein „restriktiver Code“, erklärt die Schulleiterin, die selbst ihren Urlaubskoffer lieber mit Büchern füllt statt ein – zugegeben ja praktisches – Tablet mitzunehmen. Die Art, wie Kinder auf dem Smartphone schreiben, ist weit weg von der Schriftsprache. Man könnte auch sagen: Wo ein grinsender Kothaufen einen Satz ersetzt, ist es auch um die Lesefähigkeiten bescheiden bestellt.

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Als dritten wichtigen Grund für mangelnde Lesekompetenz nennt Baumann, die seit 40 Jahren im Dienst ist: „Die Zusammensetzung der Klassen ist heute anders als früher.“ In den Klassenzimmern treffen also mehr denn je Kinder aus den unterschiedlichsten Familien und mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten und Problemen aufeinander. Und wenn in einer bayerischen Klasse 30 Kinder lernen, sind im Schnitt drei darunter, deren Probleme in der Lesekompetenz liegen.

Probleme beim Lesen werden oft zu Problemen im Leben. Umso wichtiger ist es, dass Kinder frühzeitig mit Büchern in Kontakt kommen.
Foto: Ulrich Wagner

So wie bei Andrea, Moritz und Julia. Sie alle besuchen Grundschulen in Augsburg und sind ungefähr gleich alt. Und sie zeigen, dass hinter jeder Zahl in der Statistik ein Kind mit eigener Geschichte steckt. Nennen wir sie also Julia, auch wenn das nicht ihr richtiger Name ist. Sie besucht die Friedrich-Ebert-Schule – die, an der Christa Baumann Rektorin ist – und liest unterdurchschnittlich. Ihre Mitschüler sind gerade Richtung freien Nachmittag gerannt, die Drittklässlerin mit den lockigen blonden Haaren dagegen holt ihr Schulbuch noch einmal aus dem pinkfarbenen Scout-Ranzen. Nach Unterrichtsschluss paukt sie regelmäßig mit ihrer Lernhelfern Beate Forster. Zunächst mal stehen die Mathe-Hausaufgaben an. Es ist mühsam. Dann heißt es lesen: „Wie Eulenspiegel Eulen und Meerkatzen buk“. Laut solle sie sprechen, sagt ihre Lernhelferin, damit sie ein Gefühl für die Wörter bekommt.

Wie gut ein Kind liest, hängt von den Familienverhältnissen ab

„Eu-len-spie-gel“, ganz leise flüstert sich die Zehnjährige den Namen vor, dann spricht sie ihn aus. „Eulenspiegel arbeitete in einer Bäckerei.“ Langsam geht das, vor allem Doppellaute wie „ei“ oder „eu“ bremsen Julia aus. „Die anderen Kinder lesen viel schneller als ich“, sagt das Mädchen. Es hat den Kopf in die Hände gestützt. Wie gut ein Kind liest, hängt entscheidend von seinen Familienverhältnissen ab. Je besser die finanziellen Möglichkeiten und der Bildungshintergrund der Eltern, desto besser kann ein Kind auch mit Büchern umgehen.

Doch Julia kommt nicht aus einer bildungsfernen Familie, im Gegenteil. Ihre Mutter war selbst Konrektorin. Auf dem Dachboden bei ihnen zu Hause gebe es eine kleine Bibliothek, erzählt Julia. Als die Eltern gemerkt haben, dass sie in der Schule nur schwer mitkommt, haben sie die Lernhelferin engagiert. Eltern wie aus dem Bilderbuch also. Auch Schulleiterin Baumann kann nicht recht erklären, woran es hakt. „Manche Kinder tun sich einfach schwerer als andere.“

Andrea hingegen hat sich lange mit dem Lesen geplagt, weil Deutsch für sie eine neue Sprache ist. Die Zehnjährige kam vor zweieinhalb Jahren mit ihrer Familie aus Kroatien. Ihr Vater hat hier Arbeit gefunden. In Deutschland war Andrea zuerst in einer Übergangsklasse mit anderen Kindern, die neu hier waren. Heute besucht sie die Centerville-Grundschule im Augsburger Stadtteil Kriegshaber. In einem ruhigen Zimmer erzählt das Mädchen mit dem blonden Pferdeschwanz seine Geschichte, auch ihre Mutter ist dazugekommen.

„Nach der Übergangsklasse konnte ich nicht so flüssig lesen“, erinnert sich Andrea. Immer wieder seien neue Schüler hinzugekommen, die gar kein Deutsch sprachen. Immer wieder hätten sie mit den Übungen von vorn angefangen. „Das hat keinen Spaß gemacht.“ Als sie an die Regelschule wechseln durfte, hatte Andrea deswegen in vielen Fächern Probleme. Sie verknotet die Arme und lächelt schüchtern: „Textaufgaben in Mathe waren schwierig, weil ich die Wörter nicht verstanden habe.“ Auch im Heimat- und Sachunterricht kam sie nicht richtig mit. Entsprechend waren ihre Noten.

Dass sich Schüler mit Wurzeln im Ausland mit dem Lesen schwerer tun, zeigt auch die internationale Lesestudie. Kinder, bei denen beide Eltern im Ausland geboren sind, liegen im Schnitt beim Lesen ein Schuljahr zurück. Insgesamt aber haben sie sich in den vergangenen 15 Jahren stetig verbessert. Dennoch sei es, so schreiben die Bildungsforscher, bisher nicht gelungen, zuwanderungsbedingte Leistungsunterschiede zu verringern.

17 Prozent der Viertklässler sprechen zu Hause nie oder nur manchmal Deutsch – auch Andrea. „Kroatisch ist unsere Muttersprache“, sagt ihre Mutter Miana Bakovic und lächelt fast entschuldigend. Sie wolle nicht, dass ihre drei Kinder diese verlernen, erklärt die zurückhaltende Frau mit der leisen Stimme. Doch sie hat deutsche Lernbücher für Andrea gekauft und Übungsblätter aus dem Internet ausgedruckt. Zu Hause lesen sie oft gemeinsam. Andreas Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass Eltern und Schule zusammenarbeiten. Dort bekam Andrea speziellen Unterricht für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, eine zweite Lehrkraft unterstützte sie im Klassenzimmer. Manchmal übten sie in kleinen Gruppen das Lesen, statt am normalen Unterricht teilzunehmen. Heute hat sich Andrea auf eine Zwei in Deutsch verbessert – auch wenn sie weiter nicht ganz so gut liest wie ihre Klassenkameraden. „Manchmal erklärt sie mir jetzt, was die deutschen Wörter bedeuten“, sagt ihre Mutter und lächelt wieder, diesmal stolz statt entschuldigend.

Und Mama lernt mit: Die Kroatin Miana Bakovic (links) liest viel mit ihrer Tochter Andrea und verbessert dadurch auch ihr eigenes Deutsch.
Foto: Ulrich Wagner

Dass nicht alle Kinder eine so intensive Förderung bekommen wie an der Centerville-Schule, beklagen Bildungsforscher als Manko des deutschen Schulsystems. Zwei Drittel der leseschwachen Schüler erhalte keinerlei spezielle schulische Hilfe, heißt es in der Iglu-Studie, die in Deutschland unter der wissenschaftlichen Leitung des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der Technischen Universität Dortmund durchgeführt wurde.

Auch bei Moritz Seitz hat es etwas gedauert, bis er die richtige Förderung bekam. Moritz hat Legasthenie. Nach Angaben des Bundesverbands Legasthenie und Dyskalkulie leiden vier Prozent der Kinder in Deutschland an dieser dauerhaften Leseschwäche. Bei einer Schulklasse von 30 Kindern also im Grunde ein Kind. Moritz’ Mutter erinnert sich am Telefon noch gut, wie es war, als sie das Problem des heute Zehnjährigen schleichend erkannte. „Als erstes ist uns aufgefallen, dass Moritz Buchstaben verwechselte – B und P etwa“, sagt Stephanie Mahler-Seitz. „Und er kannte zwar alle Buchstaben, konnte sie aber nicht aneinanderreihen.“ Sie wusste nicht, ob das normal war. „Lesen die alle so?“ habe sie sich mit Blick auf seine Klassenkameraden an der Grundschule gefragt. Bald erfuhr sie es von Moritz’ Klasslehrerin: Nein, die lesen nicht alle so.

Es wollte nicht klappen mit den Buchstaben

Heilen kann man Legasthenie nicht. Die Probleme verringern aber, das geht. Immer und immer wieder haben Moritz’ Eltern zu Hause mit ihrem Sohn geübt. Doch es wollte einfach nicht klappen mit den Buchstaben. Moritz habe viel geweint damals, immer wieder gesagt: „Ich kann nicht, ich bin dumm.“ Er bekam auch in anderen Fächern Probleme, weil er Aufgabenstellungen nicht lesen konnte.

In der zweiten Klasse beschlossen Moritz’ Eltern, dass es so nicht weitergeht. Sie meldeten ihr Kind an der Förderschule an, trotzten der Angst davor, dass andere ihm einen Stempel aufdrücken würden. Auch sie selbst habe sich gegen Vorurteile wehren müssen, sagt Mahler-Seitz. Kinder, die nicht richtig lesen können, seien einfach nur faul und säßen ja nur vor dem Computer oder dem Tablet. Solche Dinge habe sie sich anhören müssen. Die Statistik belegt es ja auch: Leseschwache Kinder sind gleichzeitig die Gruppe, die nie oder fast nie in ihrer Freizeit liest. Nur dass das eben in Wirklichkeit nicht immer der Grund für ihre Schwierigkeiten ist.

Auf der Förderschule wurde es besser. Moritz gewann sein Selbstvertrauen zurück. Parallel begann der Zehnjährige eine Lerntherapie, mit einer Therapeutin nur für sich allein. Sie nimmt sich Zeit für Moritz, fragt nach seinen Interessen. „Im Moment zum Beispiel findet er U-Boote toll“, sagt seine Mutter. Natürlich sprudeln die Sätze nicht plötzlich aus Moritz heraus, aber wenn er Texte über U-Boote liest, fällt ihm zumindest das Üben leichter. Moritz hat viel geübt in der vergangenen Zeit – und tut es immer noch. Heute ist er zurück in der dritten Klasse der Regelschule.

Zwei Wochen nach seiner Rückkehr schrieb die Klasse einen bundesweiten Vergleichstest zum Lesen und zum Textverständnis. Millionen Drittklässler nahmen daran teil. Moritz’ Ergebnis ist nur ein winziger Teil in der Gesamtstatistik. Er ist im Mittelfeld gelandet – und seine Eltern sind unglaublich stolz auf ihn.

Um die Lage an Bayerns Schulen geht es auch in unserem Podcast. Hier können Sie reinhören:

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