Und vor dem Schlafen eine Geschichte
Medien Familie Junghanns zwischen Büchern, Fernsehen und Internet
Lauingen Ohne Geschichte geht Luis nicht ins Bett. Komme, was wolle. Nein, Luis will nicht schlafen, bevor Mama Petra oder Papa Rainer Junghanns sich nicht mit ihm ins Bett kuscheln. Dann legt sich der Sechsjährige in den Arm seines Vorlesers und lauscht den spannenden Geschichten – zum Beispiel, wie Wale sich im Meer verständigen. Oder wie die Feuerwehr zu einem Einsatz fährt. „Das ist der Ausklang des Tages bei uns, ein Ritual“, sagt Petra Junghanns. Und auch die beiden älteren Kinder Max und Leonie haben jahrelang den Geschichten von Mama und Papa gelauscht – in Zeiten von Laptop, Internet, Spielekonsolen und Smartphones. Denn wie wachsen Kinder heutzutage eigentlich auf? Und was ist für ihre Entwicklung gut, was schädlich?
Mit dem Vorlesen liegt die Familie Junghanns aus Lauingen auf jeden Fall richtig, sagt Gerhard Kestner. Er engagiert sich beim Kinderschutzbund in Dillingen und gibt dort Medienkurse. Gerade in den ersten drei Jahren sei das Vorlesen besonders wichtig, dadurch werden der Satzbau und die Grammatik am besten gebildet. Zudem lernen die Kinder mit Bilderbüchern, Worte zu den einzelnen Gegenständen zuzuordnen: „Man kann gar nichts Besseres tun.“ Und auch, wenn die Buben und Mädchen im Kindergarten sind, sei es ideal, vorzulesen, so der Lauinger.
Natürlich schaut Luis auch mal Fernsehen. Aber mit Mama und Papa zusammen. Wickie, Pinocchio, Biene Maja und „Willi will’s wissen“ stehen ganz oben auf Luis’ Hitliste. Eigentlich ist für ihn um 20 Uhr Schlafenszeit. Aber am Wochenende, wenn es sich seine Geschwister und seine Eltern auf dem großen Sofa im Wohnzimmer gemütlich gemacht haben, schaut auch der Sechjährige mal eine halbe Stunde „Wetten dass …?“ Experte Kestner sagt: „Auf alle Fälle sollten Eltern mitschauen.“ Und er betont: „Als Kindermädchen ist der Fernseher absolut ungeeignet.“ Gerade kleine Kinder würden zwischen Fiktion und Realität nicht unterscheiden – und beispielsweise Zauberei für eine ganz selbstverständliche und normale Sache halten. Erst mit rund fünf Jahren würde sich das ändern.
Das Internet ist für Luis tabu. Seine beiden älteren Geschwister Max und Leonie dagegen sind regelmäßig online – auch beim sozialen Netzwerk Facebook. Manche, so sagt die 13 Jahre alte Leonie, würden dort eine Art öffentliches Tagebuch schreiben. „Das interessiert aber gar keinen“, meint der 15-jährige Max. Er und seine Klassenkameraden nutzen eine geschlossene Gruppe, um sich über Hausaufgaben oder Ähnliches auszutauschen. Und die Fußballmannschaft erfährt dort, wann Abfahrt zum nächsten Spiel ist. Leonie verschickt lieber private Nachrichten. Zwar gibt es Mitschüler am Albertus-Gymnasium, die keinen eigenen Account haben, doch die beiden sind sich sicher: Es sind die wenigsten. Rainer und Petra Junghanns sehen das soziale Netzwerk eher kritisch. Doch auf der anderen Seite sei es nun einmal die Plattform, über die sich die Jugendlichen austauschen.
Das sagt auch Kestner. Er rät dazu, mit den Kindern gemeinsam die Privatsphäre-Einstellungen durchzugehen und warnt: „Das Netz vergisst nichts.“ Wer beispielsweise ein Bild im Netzwerk hochlade, der trete damit automatisch seine Rechte an Facebook ab. Und die Definition von Freunden, die man dort hat, hält Kestner auch für falsch: „Ein Freund ist jemand, der mir beim Umzug hilft.“ Oder einer, mit dem man in der Kindheit auf Bäume klettert. „Mir ist es wichtig, dass Luis rausgeht und draußen spielt“, sagt Petra Junghanns. Und dann schläft der Sechsjährige abends bestimmt schon vor dem Ende der Geschichte ein.
"Kommentar, S. 28
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