Die Bürokratie bereitet der Stiftung St. Johannes Kopfzerbrechen
Neue gesetzliche Anforderungen bereiten der Behinderteneinrichtung aus Schweinspoint Schwierigkeiten. Geschäftsführer Freiberger warnt: Es geht um viel Steuergeld.
Es ist ein soziales Dorf, könnte man sagen. Die Häuser tragen nette Namen wie "Hopfengarten", "Lindenhof" und "Brunnenhof". Hier oben in Schweinspoint ist es ohne Zweifel idyllisch. Viel Grün, ein großzügiges Gelände mit Parkanlagen und gepflegten Wegen, ein weiter Blick bis tief hinein ins Lechgebiet. Seit über 160 Jahren kümmert man sich hier, bei St. Johannes, um Menschen mit Behinderungen. Doch neue Gesetze machen der traditionsreichen christlichen Stiftung das Leben zunehmend schwer. Dahinter steckt auch – wie so oft – eine ganze Fülle an Bürokratie.
Von Anfang an haben in Schweinspoint Menschen mit Behinderungen im Zentrum gestanden. Die Stiftung wurde 1860 durch den katholischen Orden der Barmherzigen Brüder gegründet, sie ist heute Teil des Caritasverbandes in der Diözese Augsburg. St. Johannes gilt als Topadresse in Bayern bei der Betreuung von Menschen mit Behinderungen. In verschiedenen Wohngruppen und Häusern gibt am Zentralstandort oberhalb von Marxheim fast 200 Wohnheimplätze für Menschen mit geistiger Behinderung sowie gut 90 Wohnplätze für Menschen mit psychischer Behinderung.
Die Bewohner von St. Johannes sind ein fester Teil des Dorfes
Die Menschen, die hier leben und die selbstverständlicher Teil der dörflichen Gemeinschaft sind, wohnen in Häusern, die von Fachpersonal betreut und verwaltet werden. Viel getan hat sich hier in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Aus der Doppelbelegung der Zimmer ging man – außer in Ausnahmefällen, bei denen es ausdrücklich anders erwünscht war – zur Beherbergung in Einzelzimmern über. Doch das reicht den Gesetzgebern auf Bundes- und EU-Ebene längst nicht mehr.
Robert Freiberger arbeitet im alten Zentralhaus, einem wunderschön restaurierten, hellen Schlossgebäude, das der Orden im 19. Jahrhundert erworben hatte. Drumherum ist jenes soziale Dorf mit all den unterschiedlichen Häusern für die Wohngruppen entstanden. Hier liege nun, so Freiberger, der Kern des Problems. Die Wohngruppen in den Häusern sind in den Augen des Gesetzgebers zu groß. Im Haus "Hopfengarten" etwa gibt es bis zu 100 Plätze. In der Tat, schon von außen ist zu sehen: Es ist ein weitläufiges Haus, ein echter Komplex. Aber: Warum muss sich daran etwas ändern, wenn die Menschen dort gut und würdig betreut sind?
Ideologische Gründe für Änderungen bei Behindertenwerken?
Freiberger mutmaßt, die neuen Anforderungen hätten ideologische Gründe. Man wolle die klassischen Einrichtungen (sie sind oft in kirchlicher Hand) nicht mehr, weder bei den entsprechenden Organisationen der Vereinten Nationen noch auf EU-Ebene. Inklusion solle ohne jeden Kompromiss durchgedrückt werden, gleich, ob sich die Arbeit einer Einrichtung bewährt habe oder nicht. Gleich, ob die großen Einrichtungen Heimat geworden oder seit jeher seien.
Bürokratisch ist das gesetzliche Ansinnen im wahrsten Sinne des Wortes, wie Geschäftsführer Freiberger erklärt. Die meisten Zimmer aus den 1980er-Jahren haben zwölf Quadratmeter. Daraus müssen fortan 14 werden – mit direktem Zugang zu den sanitären Einrichtungen. Die liegen in den Schweinspointer Bestandsgebäuden – sämtlich in gutem, saniertem Zustand – teils aber über dem Gang. Es geht um wenige Meter und Quadratmeter, die aber heftige Auswirkungen auf die Einrichtung an sich haben könnten, in den kommenden Jahren. Ab 2036 muss alles umgebaut sein. Ein Umbau würde die Stiftung, wie Freiberger es diplomatisch ausdrückt, vor "enorme" Herausforderungen stellen. Eigentlich sei absehbar, dass das alles "nicht zu schaffen" ist. Denn auch die Größen der Wohngruppen sollen auf 24 Personen beschränkt werden.
Die Stiftung St. Johannes in Schweinspoint sucht Kompromisse
Er stemme sich zwar nicht generell gegen Veränderungen, sagt Freiberger, aber diese müssten sinnvoll sein und eben nicht ideologiegetrieben. So sei das Umschwenken auf Einzelzimmer durchaus richtig gewesen im Großteil der Fälle. Die Stiftung habe in den vergangenen zehn Jahren denn auch 150 neue Plätze geschaffen, doch das, was nun gefordert werde, das sei eben schlicht nicht machbar. Obendrauf spielten Kosten scheinbar keine Rolle für den Gesetzgeber: "Es ist Wahnsinn, was auch dem Steuerzahler damit zugemutet wird." Es müssten 200 Plätze in Schweinspoint aufwendig umgebaut werden. Faktisch sei auch das letzten Endes nicht möglich.
Die Stiftung habe ihre Einwände auf der Suche nach Kompromissen und gangbaren Wegen über Eingaben kund- getan. Das bisherige Ergebnis: "Kein Jota" seien die zuständigen Stellen bis dato abgewichen von ihren Vorhaben, die auf dem Papier mit einem Federstrich festgesetzt werden können, aber viele Einrichtungen – vor allem die kirchlichen mit den größeren Einheiten – in Nöte stürzen könnten.
In einer Stellungnahme der Stiftung St. Johannes, die der Redaktion vorliegt, wird klar aufgezeigt, dass die Finanzmittel für jene fest geplanten Anforderungen nicht ausreichten – und dass letztlich auch die Grundstücke für nötige Neubauten fehlten. Zudem seien jene Komplettumbauten "auch im Sinne der Nachhaltigkeit" kaum sinnvoll und vermittelbar.
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