Acht Millionen Kleidungsstücke werden jährlich im Donau-Ries weggeworfen
In der Nördlinger Hauswirtschaftsschule entwickeln Lehrkräfte und Studierende Ideen für einen nachhaltigen Umgang mit Kleidungsstücken.
Durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke legt sich jeder Donau-Rieser Landkreisbürger jährlich zu und ebenso viele Kleidungsstücke entsorgt er auch wieder. So entsteht allein im Donau-Ries-Kreis Jahr für Jahr ein Müllberg von rund acht Millionen Kleidungsstücken. Dabei wird gerne vergessen, dass jede Hose und jedes Hemd nicht nur aus einem Stück Stoff bestehen. In diesem Stoff stecken auch Erdöl, Wasser, Chemikalien, Kohlendioxid und die Arbeitsleistung vieler Menschen.
Die angehenden Hauswirtschafterinnen an der staatlichen Landwirtschaftsschule in Nördlingen zeigen Alternativen auf, mit denen einer Wiederverwertung der Vorzug vor dem Mülleimer gegeben wird. „Damit lässt sich auch der weihnachtliche Konsumrausch in nachhaltigere Bahnen lenken“, betont Cornelia Stadlmayr vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Nördlingen-Wertingen.
Ihre Statistik spricht Bände: Jeder Deutsche im Alter von 18 bis 69 Jahren besitzt heute im Schnitt 95 Kleidungsstücke in Form von Oberbekleidung und Schuhen. Zwischen den Jahren 2000 und 2015 hat sich die Anzahl der Kleidungskäufe weltweit von 50 auf 100 Milliarden Kleidungsstücke verdoppelt und allein in Deutschland werden jährlich rund 70 Milliarden Euro für Kleidung ausgegeben. Das entspricht rund 820 Euro pro Person. Und damit nicht genug: Der World Wide Fund For Nature (WWF) prognostiziert einen weiteren Anstieg des Kleidungskonsums von 62 Millionen Tonnen im Jahr 2015 auf 102 Millionen Tonnen im Jahr 2030.
Kleidungsmüll im Landkreis Donau-Ries: Ein Grund sind die schnellen Modetrends
Als Ursache führt Stadlmayr die „Fast Fashion“ an: „Ständig bringen die großen Mode-Labels neue Modetrends heraus, die dann wieder neue Kaufwünsche wecken.“ Die günstigen Preise trügen dazu bei, dass sich fast jeder in Deutschland diese Kleidung leisten könne und mehr kaufe, als er tragen kann. „Damit entsteht eine Kultur des Wegwerfens.“ In der Bundesrepublik werden, so Stadlmayr, jährlich 1,3 Millionen Kleidungsstücke entsorgt. „Drei Viertel davon landen im Müll oder werden verbrannt.“
Die stellvertretende Schulleiterin erinnert daran, dass die Produktion von Kleidungsstücken jede Menge Ressourcen verbraucht, angefangen von der Energie über Wasser und Erdöl bis hin zur menschlichen Arbeitskraft. „Unser unbedachter Kleidungskonsum trägt zur Umweltverschmutzung, zum Klimawandel und zur Ausbeutung von Menschen in ärmeren Produktionsländern bei.“ Laut Stadlmayr verbraucht die Erzeugung eines einzigen Kilogramms Baumwolle bis zu 20.000 Liter Wasser. Weitere 60 Liter Wasser werden benötigt, um ein Kilogramm Garn zu färben – und am Ende ist das Wasser stark chemisch verunreinigt.
137.000 Landkreisbewohner verursachen über 40 Millionen Kilo Kohlendioxid durch Textilien
Allein die rund 137.000 Einwohner des Landkreises Donau-Ries verursachen jährlich mehr als 40 Millionen Kilo Kohlendioxid-Emissionen durch Kleidung und Textilien. Für die Produktion von synthetischen Textilfasern werden weltweit jährlich rund 100 Millionen Tonnen Erdöl benötigt. Für Stadlmayr gibt es nur ein Fazit: „Wer Klima und Umwelt schützen will, muss dafür sorgen, dass weniger Kleidung produziert wird. Das heißt, ich kaufe weniger Kleidung und diese Kleidung ist mir etwas wert.“
Diese Einstellung treibt Lehrkräfte und Studierende der hauswirtschaftlichen Teilzeitschule in Nördlingen zu immer neuen Ideen an. Aktuell entwickeln sie Alternativen zum Wegwerfen. Fachlehrerin Edith Auchter und Fachlehreranwärterin Lena Emmert zeigen, was möglich ist, wenn Kleidungsstücke kaputtgegangen sind, wenn sie nicht mehr gefallen, nicht mehr in Mode sind oder einfach nur zu viel Platz im Kleiderschrank wegnehmen.
An einem Tag Anfang Dezember sitzen neun Frauen in einem Unterrichtsraum der Landwirtschaftsschule vor ihren Nähmaschinen. Das Anfertigen von Applikationen, mit denen sich etwa ein Loch in der Hose überdecken lässt, steht auf dem Unterrichtsplan. Emmert erklärt, worauf sie bei der Materialauswahl achten müssen und dann geht es auch schon ans Nähen. Vor Nina Hillenmeyer aus Birkhausen liegt ein Stück Stoff, das nicht mehr gebraucht wird. Daraus fertigt die angehende Hauswirtschafterin eine Applikation, die mit beidseitig klebendem Haftvlieses das Loch in einer Hose abdecken soll.
Second-Hand-Läden aufsuchen und Klamotten verkaufen
Nina Hillenmeyer wirft ihre Nähmaschine an. Und das ist der Punkt, wie Fachlehrerin Edith Auchter erklärt: „Wenn ich sie selber nähe, dann wird die Applikation so, wie ich sie haben will.“ Besonders bei wertvollen Kleidungsstücken lässt sich durch Instandsetzen viel Geld sparen. „Außerdem ist ein Kleidungsstück umso nachhaltiger, je länger es getragen wird. Eine Hose mit Loch muss man nicht gleich wegwerfen.“
„Nicht jeder will oder kann mit der Nähmaschine aus alten Stoffen neue Textilien nähen“, zeigt Cornelia Stadlmayr Verständnis. „Aber es gibt ja auch noch andere Alternativen.“ Damit meint die Hauswirtschaftsoberrätin etwa den Verkauf auf dem Flohmarkt oder die Weitergabe an ein Sozial-Kaufhaus. Außerdem gebe es Tauschbörsen und Second-Hand-Portale im Internet. „All das ist besser als Wegwerfen, und so kann ein Weihnachtsfest mit neuer Kleidung unterm Christbaum auch ein Fest der Nachhaltigkeit werden.“ (AZ)
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