Warum ein Familienvater 80.000 Euro vom Vereinskonto holte
Als Vorstandsmitglied eines Friedberger Vereins griff der Angeklagte über 80.000 Euro ab. Was den bis dahin unbescholtenen Familienvater zu seiner Tat trieb.
18 Monate Freiheitsstrafe wegen 23 Fällen der Untreue - eigentlich kein besonderes Ergebnis eines Prozesses vor dem Augsburger Amtsgericht. Dennoch barg das Verfahren gegen einen 42-jährigen Mann Ungewöhnliches. Über 80.000 Euro hatte der Techniker vom Konto eines Vereins aus dem Friedberger Stadtgebiet entwendet. Und den Betrag am Tag nach seinem Auffliegen komplett wieder zurückerstattet. Stimmt alles, gestand der 42-jährige Vater zweier Kinder unumwunden ein und blieb damit auch vor Gericht seiner Linie treu, reinen Tisch zu machen. In Ergänzung zur Anklageschrift erzählte er dem Gericht spürbar angegriffen über sein Schicksal, das ihn zum Straftäter machte. Sein persönliches Drama begann, als sich sein jüngerer Bruder Anfang 2019 das Leben nahm.
Plötzlich habe er mit dieser Situation für sich selbst klarkommen und zudem die Familienangelegenheiten regeln müssen. Ablenkung habe er in dieser belastenden Zeit gefunden beim Online-Spiel mit dem Computer. Allerdings habe er dabei große Summen Geld verspielt. Da traf es sich gut, dass der Angeklagte zu jener Zeit Vorstandsmitglied eines Vereins war - und Zugriff auf dessen Konto hatte. Innerhalb eines Dreivierteljahres habe er zwischen Oktober 2019 und Juli 2020 mal einige Hundert, dann einige Tausend Euro vom Vereins- auf sein Privatkonto geleitet, um seine Spielschulden zahlen zu können.
Spielsucht trieb den Angeklagten in die Kriminalität
Niemand merkte etwas, bis im Juli 2020 die Bank bei ihm anrief - und bei der Polizei. Fast wie eine Erleichterung habe es sich angefühlt, entdeckt worden zu sein, sagte er. Noch am selben Tag habe er seine Ehefrau ins Vertrauen gezogen, noch in derselben Nacht seinen Schwiegervater um Hilfe gebeten. Mit einem Privatkredit in entsprechender Höhe habe er die veruntreuten 83.500 Euro samt Zinsen umgehend zurückgezahlt und dann im Verein klaren Tisch gemacht.
Der Angeklagte steht zu seinen Taten
Auch bei der Polizei habe sein Mandant, so Verteidiger Robert Chasklowicz, bei der Aufklärung geholfen und ein lückenloses Verzeichnis der veruntreuten Beträge vorgelegt. Entsprechend forderte der Verteidiger eine deutlich niedrigere Strafe als der Staatsanwalt. Chasklowicz charakterisierte seinen Mandanten gleichsam als Musterangeklagten, dem für sein Verhalten im Nachgang der Straftaten Lob gebühre. Ja, es habe Straftaten gegeben, aber der Angeklagte habe die Verantwortung übernommen und stehe für alles gerade. Allein rund 1500 Euro monatlich zahle er derzeit an Schulden zurück.
Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, sei angemessen. Staatsanwalt Martin Neumann hatte zuvor eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wegen gewerbsmäßiger Untreue gefordert. Wären die Taten von 23 verschiedenen Tätern begangen worden, hätte es angesichts der Schadenshöhe 23-mal mindestens sechs Monate Gefängnis geben können.
Gericht verordnet Therapie gegen Spielsucht
Richterin Susanne Scheiwiller verurteilte den Angeklagten schließlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die sie zur Bewährung aussetzte. Der Angeklagte weise eine positive Sozialprognose auf, zeige sich reuig und war bisher nicht vorbestraft. Zusätzlich soll der Techniker 3000 Euro Wiedergutmachung an den geschädigten Verein bezahlen, wobei freiwillig bereits gezahlte Beträge eingerechnet werden können. Nicht zuletzt wurde der Angeklagte verpflichtet, die bereits ohne Verordnung begonnene Therapie gegen seine Spielsucht fortzusetzen. Sowohl der Angeklagte als auch der Staatsanwalt nahmen das Urteil noch im Gerichtssaal an, das somit rechtskräftig ist.
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