Wahlausschuss kontra Weißinger
Der Abend des 2. März zählt zweifellos zu den bitteren Momenten in Thomas Weißingers Leben. Der 30-jährige Kissinger CSU-Bürgermeisterkandidat unterlag am Wahlsonntag haushoch dem amtierenden Rathauschef Manfred Wolf von der SPD. Dennoch sagte er zuversichtlich, er wolle nun eben im Gemeinderat etwas für Kissing erreichen. Am folgenden Tag stand sein Einzug in das Gremium fest - mit 2982 Stimmen. Doch daraus wird möglicherweise nichts.
Der Wahlausschuss der Gemeinde (besetzt mit Wahlleiter Hubert Geiger, Adolf Gaugg für die CSU, Christine Wieser-Jakubovsky für die SPD, Laura Hofberger für die Grünen und Josef Baumüller für die Freie Wählergemeinschaft Kissing, FWG) erklärte Weißingers Stimmen für ungültig, da sich dessen Lebensmittelpunkt nicht in Kissing befinde. Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen, denn durch sie ändert sich die Sitzverteilung im Rat. Die CSU verliert einen Sitz und kommt auf acht Mandate, die FWG gewinnt einen Sitz und damit Fraktionsstärke. Profiteur ist der parteilose Georg Lechner (FWG-Liste), der seit seinem Weggang von der CSU im Streit nach eigenen Angaben mit Weißinger auf Kriegsfuß steht.
Seit Bekanntwerden der CSU-Gemeinderatsliste hält sich in Kissing - quer durch alle Parteien - ein Gerücht hartnäckig: Weißingers Lebensmittelpunkt ist nach wie vor in Horgau, seinem früheren Haupt- und jetzigen Zweitwohnsitz. Georg Lechner dichtete in einem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt: "Vom Plakat lächelt er als Netter /Doch weiß jeder, er hat Dreck am Stecker/Nach der Wahlschlacht wird er sich bescheiden/Und wieder in Horgau bleiben." Einen Tag vor der Wahl schaltete das frühere CSU-Mitglied Johann Oberhuber gar eine Anzeige, in der zwar Weißinger nicht namentlich genannt wurde, die aber unmissverständlich ausfiel: "Wählen Sie keinen Bürgermeisterkandidaten, der seinen Lebensmittelpunkt immer noch nicht in Kissing hat."
Daraufhin sah sich Wahlleiter Geiger gezwungen, zu reagieren. Er forderte Weißinger zu einer schriftlichen Stellungnahme auf. Weißinger gab diese ab - und lud Geiger, die Kreis-Wahlleiterin Anja Ißbrücker und den für die Rechtsaufsicht zuständigen Leiter des "Sachgebiets 20" im Landratsamt, Claus Simon, am vergangenen Donnerstag zu sich nach Kissing ein. Dazu Geiger: "An diesem Tag hätte ich keinen Zweifel daran gehabt, dass in dieser Wohnung gewohnt wird."
Weißinger selbst reagiert auf die Vorkommnisse mit Unverständnis. "Ich werde in Kissing als Lügner und Heuchler dargestellt. Ich habe aber nichts falsch gemacht." Auf die Frage, ob es sich um eine Intrige des politischen Gegners handele, antwortet er: "Sicherlich stimmt das Wort. Hier läuft etwas, das von langer Hand geplant wurde." Aus welcher Ecke die Vorwürfe kommen, könne er sich denken, wolle er aber nicht sagen. "Entweder will man die CSU schwächen oder man mag mich als Person nicht. Warum, weiß ich nicht", sagt er. Am 10. August habe er jedenfalls seinen Erstwohnsitz in Kissing angemeldet; seitdem wohne er mit seiner Familie in einer Einliegerwohnung im Haus seiner Eltern. In der Horgauer Wohnung stünden nur noch Umzugskartons, er sei vielleicht einmal im Monat dort. "Ich bin mir sicher, dass ich im Gemeinderat arbeiten werde. Jetzt erst recht", sagt er. "Man kann ja nicht den Wählerwillen verneinen."
Derzeit wird der Fall von der Regierung von Schwaben geprüft. Die Kernfrage lautet: Wo hatte Weißinger in den vergangenen sechs Monaten seinen Lebensmittelpunkt? Der ist in der Regel dort, wo sich die Familie aufhält. Die Frist gilt als Wahlvoraussetzung.
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