Eine gespaltene Junge Union und ein attackierter Stoiber
Augsburg (dpa) - Buh-Rufe und demonstrative "Edmund, Edmund"-Rufe haben den Deutschlandtag der Jungen Union in Augsburg zu einem Wechselbad der politischen Gefühle gemacht. Zwischen der bayerischen JU-Delegation und den anderen Landesverbänden kam es zu einem offenen Schlagabtausch um die beiden exponierten CSU-Politiker Edmund Stoiber und Horst Seehofer. Die angekündigte Analyse des schlechten Abschneidens der Union bei der Bundestagswahl vor gut vier Wochen geriet zeitweise zu einer Abrechnung mit der CSU.
Als eine JU-Delegierte aus Nordrhein-Westfalen Stoiber und der CSU eine einseitige Belastung der Geschlossenheit der Union vorwarf, die mit ihrer Quertreiberei im Wahlkampf hinderlich gewesen sei, gab es laute "Aufhören"-Rufe aus der bayerischen Ecke. Und als ein Delegierter aus Hessen Seehofer als "notorischen Störer" und "9. Sozialdemokraten" im zukünftigen Kabinett Merkel bezeichnete, hagelte es Buh-Rufe aus dem Bayern-Lager.
CSU-Chef Stoiber hatte seinen Redebeitrag für den Unions-Nachwuchs strategisch geschickt angelegt. Er verteidigte zwar einen späteren Termin zur Analyse des enttäuschenden Ergebnisses, präsentierte dann aber überraschend Kernpunkte zu dieser Debatte, die von der Unionsspitze bislang abgelehnt worden war. Zu wenig emotional sei der Wahlkampf geführt worden, zu ehrlich bei der Mehrwertsteuererhöhung oder der Abschaffung der Steuerfreiheit von Sonn- und Feiertagszuschlägen. Die Union sei mit ihren sozialen Theman zu wenig durchgedrungen, so das Resümee. Es schien, als wollte Stoiber Druck aus der angespannten Situation nehmen.
Genau das Gegenteil trat ein. Die Delegierten nahmen den Ball auf und hauten kräftig drauf. Vor der Wahl habe die CSU Geschlossenheit vermissen lassen, nach der Wahl seien wesentliche Positionen schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen aufgegeben worden, musste sich Stoiber anhören. Ein Delegierter bemängelte, dass in der Koalition der SPD die Bereiche Gesundheit, Soziales und Finanzen überlassen worden seien. "Da wünsche ich mir eine starke Richtlinienkompetenz einer Kanzlerin Merkel in diesen Bereichen", sagte er unter dem Beifall der Delegierten mit einer deutlichen Spitze auf Stoiber, der die Richtlinienkompetenz der designierten Kanzlerin relativiert hatte. Das wiederum erzeugte Unmut unter den bayerischen JU- Delegierten, die wiederum in "Edmund"-Rufe ausbrachen.
Einmal wurde Stoiber, der sich bemühte, geduldig die schwierige politische Situation zu erklären, richtig böse. Als er darauf hingewiesen hatte, dass er das "schönste Amt" in Bayern für eine Regierungsbeteiligung in Berlin aufgebe, erntete er müdes Lachen und ein ironisches Geraune. Urplötzlich wurde sein Gesicht auf der großen Leinwand hart, mit scharfer Stimme entgegnete er: "Ich stelle fest, dass nicht sehr viele Ministerpräsidenten ins Kabinett eintreten." Johlender Beifall unter den bayerischen Delegierten, eisiges Schweigen beim Rest. Der bayerische JU-Vorsitzende Manfred Weber sprach von einem Scherbenhaufen und bedauerte, dass die Wahlanalyse die Junge Union "gespalten" habe.
Am Ende war JU-Chef Philipp Mißfelder dennoch voll des Lobes für Stoiber. "Ich habe das noch nicht erlebt, dass sich jemand so offen und mutig der Diskussion gestellt hat. Sie sind keiner Frage ausgewichen." Das wünsche sich die JU auch von anderen Spitzenpolitikern. Am Sonntag kommt CDU-Chefin Angela Merkel.
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