
Erfahrungsbericht Homeschooling im Unterallgäu: Abends sind die Kinder platt

Plus Unterricht in Corona-Zeiten ist vor allem anstrengend: Für die Kinder, die Eltern und auch die Lehrer. Ein paar Schüler erzählen aus ihrem Alltag.

Die Weihnachtsferien waren extra verlängert worden, aber auch danach ging es nicht mehr wie gewohnt weiter. Im neuen Jahr hat noch kein regulärer Unterricht in den Klassenzimmern stattgefunden. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus müssen alle Schüler den Lernstoff daheim erlernen. „Homeschooling“ heißt das Schlagwort. Wohl bis Mitte Februar wird sich daran nichts ändern. Wie aber kommen die Kinder und Jugendlichen damit klar? Wir haben mit einigen von ihnen aus dem Raum Mindelheim gesprochen.
Homeschooling & Homeoffice: Nur mit Struktur funktioniert´s
Louis aus Bad Wörishofen ist sechs Jahre alt und geht in die erste Klasse. Seine Eltern arbeiten beide Vollzeit, haben aber das Glück, dass sie das derzeit von Zuhause aus machen können. Seine Mutter sagt, es laufe insgesamt sehr gut. Sie spricht in der Früh um 8 Uhr die Aufgaben mit ihrem Sohn durch. Weil ihre Arbeit erst um 9 Uhr beginnt, kann sie sich eine Stunde lang Zeit für ihren Sohn nehmen. Man müsse eben strukturiert arbeiten und Lösungen suchen.
„Wir machen zuerst das Schwierigste“, sagt sie. Da ist der Junge noch fit. Weil Louis Mathe leicht fällt, kommt das am Schluss. Das schafft er dann ohne Unterstützung durch seine Mutter. Sie strukturiere den Vormittag und sage ihrem Sohn auch, wann er Pause machen soll. Regelmäßig kümmert sich auch ihr Mann um den Buben. Schwieriger wird es, wenn die vierjährige Tochter im Haus ist. Meistens ist sie vormittags bei der Oma, weil auch Kitas geschlossen sind und es allenfalls wie an Schulen auch eine Notbetreuung gibt. Das Mädchen fordert dann auch seinen Teil Aufmerksamkeit. „Das lenkt dann stark ab“.
Insgesamt sei der Unterricht daheim zwar stressiger für die Familie. Aber die Mutter hat den Eindruck, dass ihr Sohn gut im Lesen, Schreiben und Rechnen vorankommt. „Er hat einen großen Sprung nach vorne getan“. Dabei würde Louis gerne wieder in die Schule gehen, um andere Kinder zu treffen. Diese fehlenden sozialen Kontakte sind eher das Problem als Lücken im Lehrstoff. Lob gibt es auch für die Lehrerin, die jeden Tag neue Aufgaben stellt und diese auch schnell korrigiert. Sie sei auch immer gut per Mail erreichbar, sagt die Mutter. Von anderen Eltern hört sie aber auch, dass der Unterricht komplett digital abläuft, was kleine Kinder überfordere. „Dann sitzt die Mutter daneben“. Nicht alle kommen damit gut klar.
So funktioniert die Notbetreuung
Leopold in Mindelheim ist beides: Schulkind und Zuhause-Kind. Weil seine Mutter an drei Tagen die Woche arbeitet, ist der Siebenjährige an diesen Tagen an der Grundschule. Notbetreuung nennt sich das. Insgesamt sind sie zu viert in der Klasse. Seine Mutter Melanie Fries ist dankbar, dass es diesen Service gibt und alles so gut klappt. „Die Grundschule organisiert das super!“, schwärmt sie, die als Arzthelferin bei einem Kinderarzt beschäftigt ist. Ihr Mann ist tagsüber bei den Fallschirmspringern in Altenstadt bei Schongau. Die Lehrerin hat für ihre Zweitklässler einen abwechslungsreichen Unterricht organisiert. Mal sitzt Leopold eine Stunde am Tablet und kann dem Unterricht in einer Videokonferenz folgen. Er macht das routiniert wie ein alter Hase. Heute ging es um den Körper, erzählt er. Dann hat er Zeit für ein Arbeitsblatt, das er bearbeiten darf. Die Lösungen verschickt dann seine Mutter an die Lehrerin. „Sie ist für Rückfragen auch telefonisch erreichbar“, sagt Melanie Fries, der sehr bewusst ist, was Corona auch den Lehrkräften an Mehrarbeit abverlangt.
Im Unterschied zum ersten Lockdown hat sich der Unterricht daheim bei Familie Fries ganz gut eingespielt. In der Früh geht es entspannter zu, weil der Weg zur Schule wegfällt. Nur seine Freunde, die vermisst der Siebenjährige schon arg. Er freut sich schon auf den Tag, an dem er wieder ganz normal in seine Klasse darf.
Ortswechsel. Wir sind in Dirlewang. Anna-Maria Maidel besucht die Hotelfachschule in Bad Wörishofen. Die 23-Jährige lernt derzeit auf den Hotelbetriebswirt. Auch sie ist im Homeschooling. Sie hat dazu einen eigenen Schreibtisch unter dem Dach. „Wir haben wirklichen Unterricht“, erzählt sie, und nicht bloß Arbeitsblätter, die zu bearbeiten sind.
Schlechtes Internet: Plötzlich ist der Bildschirm schwarz
Die Schüler schalten sich am Computer über das Programm Teams von Microsoft zu, und die Lehrer halten ihre normalen Unterrichtsstunden. Eigentlich eine feine Sache. Bei Anna-Maria Maidel allerdings bleibt der Bildschirm meistens schwarz. Sie kann die Lehrerin oder den Lehrer und ihre Mitschüler zwar gut am Tablet hören. Schaltet sie aber die Kamera ein, ist es ihr schon wiederholt passiert, dass die Leitung zusammengebrochen ist. In Dirlewang, wo sie wohnt, ist das Internet nicht stabil genug. Davon betroffen seien einige in der Schule.

Sie ist dennoch ganz zufrieden, wie es läuft. Klar wäre sie froh, wenn sie wieder in die Schule dürfte und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler treffen könnte. Sie fehlen ihr. Und sie räumt auch ein, dass das Lernen daheim viel mehr Disziplin erfordert. „Man kann sich schnell ablenken, wenn man nicht aufpasst“, sagt sie.
Aber sie will nicht klagen. Sie wohnt mit ihrer Familie in einem geräumigen Einfamilienhaus. Platz ist also genug da, so dass jeder in seiner eigenen Ecke ungestört arbeiten kann. Der wird aber auch gebraucht, weil noch zwei Brüder daheim sind und auch an ihrem Computer lernen. Ihr tun nur die Kinder leid, die allein zuhause sitzen müssen.
Ihre Mutter Nicole Maidel empfindet die Lage insgesamt als extrem schwierig. Vor allem, weil ihre Kinder gerne mit Freunden zusammen sind. All diese Treffen sind derzeit nicht möglich. Dass die Arbeit am Computer ihre Söhne und die Tochter schlaucht, das merkt sie vor allem abends. Da seien alle ausgepumpt und wollten nur noch ins Bett.
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