Türkischer Premier ruft zur Mäßigung auf
Nach der Brandkatastrophe sind Politiker bemüht, das durch Spekulationen belastete deutsch-türksiche Verhältnis zuentspannen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan riefzur Mäßigung auf.
Ludwigshafen (ddp). Nach der Brandkatastrophe in Ludwigshafen sind sich türkische und deutsche Politiker bemüht, das durch Spekulationen über die Brandursache belastete deutsch-türkische Verhältnis wieder zu entspannen. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan rief bei seinem Besuch am Ort der Brandkatastrophe am Donnerstag Medien und Trauernde zur Mäßigung auf. "Unsere Trauer soll eine stille Trauer sein", sagte Erdogan.
Erdogan sprach den betroffenen türkischen Familien sein Beileid aus und betonte, der Schmerz über den Verlust der neun Menschen, die bei dem Brand ums Leben gekommen waren, sei "unermesslich". Zugleich dankte er der deutschen Polizei und Feuerwehr. "Unser Schmerz ist groß, und wenn es das Engagement der Polizei und der Feuerwehr nicht gegeben hätte, wäre er noch größer", sagte Erdogan.
Der Regierungschef appellierte zudem an die Medien, insbesondere die aus der Türkei, sich in ihrer Berichterstattung über den Vorfall zu mäßigen und auf reißerische Schlagzeilen zu verzichten: "Schreiben Sie nichts, was den Frieden dieser beiden Länder zerstören könnte", sagte Erdogan. Türkische Zeitungen hatten über mögliche rechtsradikale Hintergründe des Hausbrands berichtet und dies mit Hakenkreuz-Symbolen und Bildern von Graffiti mit ausländerfeindlichen Parolen illustriert.
Die Rolle der türkischen Medien war zuvor von zahlreichen deutschen Politikern kritisiert worden. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte in Mainz, er habe den Eindruck, dass die Reaktionen mancher türkischer Medien auf den Brand "zum Teil bereits feststanden, bevor die Fragen gestellt wurden". Zugleich nahm er die Hilfskräfte von Feuerwehr und Polizei gegen Kritik in Schutz, sie hätten nicht rechtzeitig geholfen.
Beim Besuch mit Erdogan am Abend in Ludwigshafen betonte Beck dann die gemeinsame Trauer um die Toten, die "genauso tief und intensiv" sei, wie wenn sich um deutsche Opfer handeln würde. Zugleich betonte der SPD-Chef, man werde alles zur Aufklärung der Brandkatastrophe tun. "Das Unglück wird uns nicht auseinander bringen", sagte Beck.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte die Berichte in türkischen Medien als "eine Art von Journalismus", die man "nur mit Empörung verurteilen" könne. Zugleich betonte er, die Entsendung türkischer Brandexperten nach Deutschland dürfe nicht als Zeichen des Misstrauens verstanden werden. Vielmehr könne dies den Türken in Deutschland "die Gewissheit vermitteln, dass alles mit rechten Dingen zugeht", sagte Schäuble.
Der Vorsitzende des deutsch-türkischen Forums in der CDU, Bülent Arslan, kritisierte dagegen die Entsendung türkischer Kriminalfachleute und warnte vor gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die gegenwärtige Atmosphäre zwischen Deutschen und Türken sei "nicht gut". "Wenn wir nicht aufpassen, wird das nachhaltige Schäden" geben, sagte der CDU-Politiker. Den türkischen Medien warf Arslan vor, sie bedienten "eine weitgehend verbreitete Einstellung in der Bevölkerung", den deutschen Behörden nicht zu trauen.
Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, kritisierte die Berichterstattung in einigen türkischsprachigen Zeitungen. Zugleich mahnte Kolat Zurückhaltung bei der Bewertung des Wohnhausbrands an. Für die These, es könnte sich um einen Anschlag handeln, sei es "zu früh", sagte er.
Die aggressive Stimmung hat nach Ansicht von Kolat jedoch auch mit politischen Ereignissen der jüngeren Zeit zu tun. Das Zuwanderungsgesetz und "die Kochsche Kampagne in Hessen" würden "natürlich gleich eine Assoziation zwischen Mölln, Solingen und Ludwigshafen" auslösen, sagte er. Arslan ergänzte, die Reaktionen auf den Brand in Ludwigshafen zeigten, dass eine bessere Integrationsarbeit erforderlich sei.
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