Warum der Staat den Gashändler Uniper mit Milliardensummen rettet
Deutschland übernimmt 30 Prozent an Uniper. Das Problem des Energiekonzerns drohte zum Problem für Bürger und Industriebetriebe zu werden. Was nun auf Verbraucher zukommt.
Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren prägte der damalige Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, einen Satz für die Geschichtsbücher. Der Euro stand damals auf der Kippe, nachdem mehrere Mitgliedsländer dem Staatsbankrott entgegen taumelten. Man werde die gemeinsame Währung retten, versprach Draghi und fügte mit reichlich Pathos hinzu: „Whatever it takes“ – koste es, was es wolle. Am Freitag hat Deutschland einen neuen „Whatever it takes“-Moment erlebt.
Bundeskanzler Olaf Scholz unterbrach seinen Urlaub im Allgäu, um zu verkünden, dass der Staat den Gashändler Uniper mit bis zu 15 Milliarden Euro vor dem Kollaps retten will. Das Unternehmen ist laut Scholz von „überragender Bedeutung“ für die Energieversorgung in Deutschland. Tatsächlich beliefert es mehr als 100 Stadtwerke und Industriebetriebe mit Gas. In der Weltfinanzkrise, die schließlich in Draghis dramatischem Euro-Rettungsversprechen mündete, wurde für solche Unternehmen der Begriff „systemrelevant“ erfunden. Damals stieg der Staat bei den wankenden Finanzriesen Hypo Real Estate und Commerzbank ein, um einen Zusammenbruch des Bankensystems mit unkalkulierbaren Kettenreaktionen zu verhindern.
Nun will sich der Bund mit rund 30 Prozent an Uniper beteiligen und über die staatliche Kfw-Bank weitere Milliarden in Form von Darlehen oder zusätzlichem Eigenkapital zur Verfügung stellen.
Uniper machte zuletzt jeden Tag einen Millionenverlust
Der Krieg in der Ukraine ließ das Geschäftsmodell von Uniper implodieren. Etwa die Hälfte des importierten Gases bezog die frühere Eon-Sparte, die heute mehrheitlich einem finnischen Energiekonzern gehört, bis vor kurzem aus Russland. Seit Wladimir Putin die Lieferungen massiv gedrosselt hat, muss Uniper teures Gas an der völlig überhitzten Energiebörse zukaufen, um seine Verpflichtungen gegenüber den eigenen Kunden einhalten zu können.
Unter dem Strich steht ein riesiges Verlustgeschäft, denn in den Lieferverträgen mit Firmen oder Stadtwerken hat Uniper die Tarife meist langfristig festgeschrieben – weit unter den aktuellen Marktpreisen. Der Gashändler mit Sitz in Düsseldorf machte zuletzt nach eigenen Angaben jeden Tag ein Millionenminus – und beantragte Staatshilfe.
Verbraucher müssen mit massiven Mehrkosten rechnen, Staat will entlasten
Dass die Bundesregierung tatsächlich ein Rettungspaket geschnürt hat, dem die EU-Kommission übrigens noch zustimmen muss, liegt daran, dass die Probleme von Uniper zum gravierenden Problem für viele Deutsche zu werden drohten. Um ungeheizte Wohnungen und lahmgelegte Fabriken im Winter zu verhindern, springt nun also der Staat ein – und letztlich auch die Verbraucherinnen und Verbraucher
Denn der Kanzler kündigte am Freitag nicht nur die Milliardenhilfen an, sondern auch eine neue Umlage, die es Gashändlern wie Uniper spätestens ab 1. Oktober ermöglichen soll, einen Großteil ihrer gestiegenen Kosten weiterzugeben. Am Ende der Kette stehen auch die Bürgerinnen und Bürger. Eine vierköpfige Familie muss laut Scholz mit einer zusätzlichen Belastung von etwa 200 bis 300 Euro pro Jahr rechnen.
Das Energiepreis-Vergleichsportal Verivox rechnet damit, dass sich die Gaspreise inklusive der angekündigten Umlage unter dem Strich im Vergleich zum Vorjahr dann sogar verdreifachen. Für eine Familie mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattsunden ergeben sich demnach bereits jetzt Mehrkosten von 1.963 Euro im Vergleich zu 2021.
„Kämen die von Kanzler Scholz angekündigten zwei Cent pro Kilowattsunde dazu, lägen wir aktuell bei Kosten von 3.599 Euro – der Anstieg läge bei 191 Prozent“, erklärte das Unternehmen. Laut Verivox müsste die Durchschnittsfamilie im Vergleich zum Vorjahr damit 2363 Euro mehr für ihren Jahresgasverbrauch bezahlen.
Der Kanzler versprach, es solle niemand wegen der steigenden Gaskosten in Existenznot geraten und kündigte unter anderem eine Wohngeld-Reform mit integrierter Heizkostenpauschale an. Niemand werde allein gelassen, betonte der SPD-Politiker und bemühte – wie einst Draghi – dafür eine englische Zeile, die man sonst eher in Fußballstadien hört: „You’ll never walk alone.“
Die Diskussion ist geschlossen.
Gashändler Uniper muss am Leben bleiben, denn wer sonst kann die Verbraucher zur Kasse bitten?
Dann soll Uniper gefälligst die 774 Millionen Gewinn aus 2020 mit einsetzen. Alles andere wäre reiner Betrug.
Wieviel wird denn Uniper vom deutschen Staat geschenkt. Falls es Ihnen nicht bekannt ist: Kredite müssen zurückgezahlt werden.
Die Beteiligung sieht vor, dass keine Dividenden und Boni ausgeschüttet werden dürfen.
@Wolfgang B. und L.
und wie schaut die Praxis aus?
@Martin M.: das muß sich noch zeigen. Aber wenn es nach dem Plan geht zahlt der Steuerzahler ausnahmsweise mal wenig. Es sei denn der Plan geht total schief, so daß die Beteiligung und die Kredite den "Bach runter gehen". Sehe ich derzeit aber nicht. Oder wie sehen Sie das?
Ich kann mir nicht vorstellen , dass dann Verträge plötzlich nicht mehr gelten. Ich sehe eine Riesen-Prozesswelle kommen.
Diese Rettung ist alternativlos. Uniper kann nichts dafür, dass Gazprom langfristig geschlossene Verträge grundlos bricht. Würde Uniper Pleite gehen, würden massenhaft regionale Energieversorger und Stadtwerke folgen. Am Ende würden doch die Bürger die Rechnung bezahlen, aber die finanziellen Belastungen wären ungerecht verteilt. So wie es jetzt läuft, wird der flächendeckende Zusammenbruch der regionalen Energieversorger vermieden und die Belastungen werden zwischen Aktionären, Steuerzahlern und Verbrauchern gleichmäßig verteilt. Gute Arbeit der Bundesregierung!
Man glaubt es nicht mehr...
Erdogan hat einen Kompromiss zwischen Selensky und Putin zur Getreidelieferung ausgehandelt! Er füttert damit die Münder von Millionen Hungrigen.
Und was macht diese verlogene deutsche Politikerkaste? Rettet Uniper! Sagt mal, wann gibt es endlich ein Klimacamp gegen Scheinheiligkeit?
Haben Sie die Gründe verstanden, warum unser Staat diese Notmaßnahme ergreift?
Und wo kaufen Sie die Energie und wie viel, um ihre Wohnung zu heizen?
Raimund Kamm
@Raimund Kamm,
Laut Beitrag von Reiner S. ist zu bezweifeln, dass er überhaupt weiß um was es geht, ganz zu schweigen wer Uniper ist und wo der Strom herkommt.
Der Verbraucher möchte es aber auch im Winter warm und im Sommer kühl haben in seinen Behausungen. Und irgendwo muss die Energie ja herkommen. Vielleicht wird uns rot-grüne Kompetenz weiter bringen als jahrelanger "schwarzer" Stillstand. Denn das ist es doch, was uns nun auf die Füße fällt und wofür nun alle zahlen müssen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde doch nicht von rot-grün ausgebremst, schon gar nicht von "grün".
An Ihnen ist wohl komplett vorbei gegangen wer in den letzten 20 Jahren die Bundesregierungen (und auch die Landesregierungen, die über den Bundesrat mitmischen) gerstellt hat.
Nein, das ist an mir nicht vorbeigegangen, aber ich weiß auch, wer die Kanzlerin, die die Richtungskompetenz hatte, und wer ihre Lakaien waren.
Der Verbraucher muss wieder wegen rotgrüner Inkompetenz zur Kasse gebeten werden. Wir kommen immer mehr in staatliche Planwirtschaft. Kein Unternehmen darf pleitegehen. Whatever it takes. Na toll.
Es werden noch genügend Unternehmen Insolvenz anmelden müssen. Leider. Nicht jedes Unternehmen hat halt das Glück als systemrelevant eingestuft zu werden. Planwirtschaft? Wenn man sich so die Eingriffe der letzten Jahre ansieht - Ludwig Ehrhard würde sich vermutlich im Grabe umdrehen.
Wolfgang B.,
du bist doch schlau genug um zu wissen was passiert wenn Uniper pleite geht.
Wie wichtig systemrelevante Betriebe für unsere Gesellschaft sind ist doch für Dich sicher nichts Neues.
@Richard M.: wenn SIE weniger überinterpretieren => ich habe mich nicht gegen die Rettung wirklich systemrelevanter Unternehmen entschieden. Uniper gehört dazu. Mein Hinweis auf den Weg in Richtung Planwirtschaft zielte darauf ab, daß es fast täglich "Eingriffe" in den Markt gibt und daß den Einzelhändlern und Unternehmen immer mehr die Hände gefesslt werden.