Warum islamische Verbände in Deutschland zum Taliban-Regime schweigen
Islamische Verbände reagieren zurückhaltend auf die Machthaber in Afghanistan. Das Schweigen stößt auf Kritik. Warum fällt die Ablehnung so schwer?
Seit über einem Monat regieren die Taliban in Kabul. Sie schließen Schulen für junge Frauen, verfolgen Gegner ihres Regimes, foltern und morden. Das Ausland reagiert weitestgehend mit Ablehnung, darunter auch Deutschland. Auffallend ist aber, dass Islamverbände sich zurückhalten mit Statements zu den neuen Machthabern.
Die Taliban begründen ihr Handeln durch die traditionelle muslimische Normenlehre, auf die sich auch deutsche Verbände berufen
Das stößt auf Kritik. "Das laute Schweigen einiger in den Dachverbänden hierzulande finde ich fürchterlich", sagte kürzlich Grünen-Außenpolitiker Cem Özdemir im Interview mit dem Handelsblatt. Anders als bei den Umtrieben des Islamischen Staats in Syrien, die die Verbände verurteilten. Auf Anfragen unserer Redaktion an die großen Verbände in Deutschland reagierte nur der Zentralrat der Muslime. Ein Vertreter des Verbands spricht von einem "Desaster". Und meint: "Die allermeisten Muslime wollen keinen Steinzeit-Islam." Andere Verbände wie Ditib oder die Milli-Görus-Bewegung, die auch Moscheen in Augsburg betreiben, reagierten nicht.
Murat Kayman war bis 2018 Justiziar des Ditib-Verbands – die größte sunnitisch-islamische Organisation in Deutschland. Kayman erklärt das Schweigen der Verbände mit den Rechtsvorstellungen des Islam. In Deutschland würden Organisationen wie der IS mit den Taliban als Extremisten gleichgestellt. Doch aus Sicht der muslimischen Verbände gebe es einen bedeutenden Unterschied: die rechtliche Legitimation.
"Die Taliban begründen ihr Handeln durch die islamische Jurisprudenz, die Fiqh", sagt Kayman. Eine Normenlehre des Islam, auf die sich auch Verbände in Deutschland berufen. "Die Taliban legen diese zwar in besonders extremer Weise aus, das grundlegende Rechtssystem ist aber das gleiche." Für die muslimischen Verbände in Deutschland, insbesondere für die türkeistämmigen Verbände, seien die Taliban damit im theologischen Sinne uneingeschränkt Glaubensbrüder.
Der bayerische Verfassungsschutz sorgt sich, die Taliban könnten "Vorbild oder Orientierungspunkt" für Islamisten in Bayern sein
Anders der IS. "Der IS ist ein modernes Phänomen und legitimiert sich durch eine eigene Auslegung des Koran und einzelnen Prophetenzitaten." Nicht durch die traditionelle Fiqh. Er reihe sich nicht in diese klassische Normenlehre, dadurch fällt eine Abgrenzung leichter, sagt Kayman.
Der bayerische Verfassungsschutz sorgt sich deshalb, die neuen Machthaber in Afghanistan könnten "Vorbild oder Orientierungspunkt" für Islamisten in Bayern sein. Die Verfassungsschützer beobachteten einzelne Solidaritätsbekundungen in Bayern. "Bayerische Einzelpersonen, sowohl aus dem legalistischen als auch aus dem salafistischen Spektrum, haben sich negativ zu afghanischen Ortskräften der Bundeswehr geäußert", so ein Sprecher des Verfassungsschutzes. "Sie brandmarken sie als Verräter, deren Evakuierung die Taliban nicht hätten zulassen dürfen." Die Situation werde man weiter im Blick behalten.
Die Diskussion ist geschlossen.
>>Für die muslimischen Verbände in Deutschland, insbesondere für die türkeistämmigen Verbände, seien die Taliban damit im theologischen Sinne uneingeschränkt Glaubensbrüder.<<
Aber der Islam gehört ja zu Deutschland. Leider ist es nicht möglich, überall und immer genau hinzuhören, wer da was predigt. Und selbst wenn das Fach "Islam" in manchen Schulen als Unterrichtsfach angeboten wird - was zuhause gelehrt wird, findet hinter verschlossenen Türen statt. Dass sich gerade Ditib nicht äußert, wenn's um extreme Auswüchse des Islam geht, fällt immer wieder auf. Aber man muss ja vorsichtig sein, wenn man so etwas laut sagt.
Vielen Dank an Cem Özdemir, dass er diesen Missstand anprangert!
Der Ditib-Verband und dessen Nähe zur Türkei sind besorgniserregend. Wenn sich dieser Verband auch noch zu den Taliban hingezogen fühlt, stellt er eine reale Gefahr für die demokratische Welt dar. Auch wenn die Katholische Kirche im Mittelalter mordend durch die Welt gezogen ist, ist das keine Rechtfertigung für Handlungen in der heutigen Zeit.
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