Einigung mit dem Iran in greifbarer Nähe
Westliche Außenminister eilen nach Genf, um persönlich zu verhandeln
Genf Nach jahrelangem Stillstand könnte es bei den Atomgesprächen mit dem Iran einen historischen Durchbruch geben. Mehrere westliche Außenminister, allen voran US-Ressortchef John Kerry, reisten am Freitag überraschend ins schweizerische Genf, um an den Verhandlungen teilzunehmen. Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hatte zuvor gesagt, er halte eine Übereinkunft in den Verhandlungen für möglich, was auf vehementen Widerstand Israels stieß.
Mit seiner Teilnahme wolle Kerry dazu beitragen, „die Gegensätze in den Verhandlungen zu überwinden“, sagte ein US-Regierungsvertreter. Er folge einer Einladung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, die die Verhandlungen mit dem Iran ursprünglich allein hatte fortsetzen wollen. Kerry dämpfte aber Erwartungen, eine Einigung könne schon unmittelbar bevorstehen. Neben Kerry reisten auch der amtierende Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) und seine Kollegen aus Großbritannien und Frankreich, William Hague und Laurent Fabius, nach Genf.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow will nun am Samstag doch zu offensichtlich verlängerten Verhandlungen nach Genf fliegen. Russland hoffe auf ein Ergebnis, auf das die ganze Welt warte, sagte Vizeminister Sergej Rjabkow.
Das Auswärtige Amt gab in Berlin an, die Verhandlungen befänden sich in einer wichtigen, aber schwierigen Phase. Es gebe „Bewegung“, aber es sei „noch ein Weg zu gehen“. Westerwelle gehe es darum, „den Versuch zu unternehmen, konkret über erste Vereinbarungen über das iranische Nuklearprogramm einig zu werden“.
An den sogenannten 5+1-Gesprächen mit Teheran sind die fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China sowie Deutschland beteiligt. Westliche Regierungen verdächtigen den Iran seit Jahren, insgeheim an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten.
Teheran bestreitet dies und beharrt auf seinem Recht zur friedlichen Nutzung der Kernenergie. Der Iran erhofft sich von den Verhandlungen eine Aufhebung der in dem Konflikt verhängten internationalen Sanktionen, die schwer auf dem Land lasten. Der iranische Außenminister Sarif hatte dem US-Nachrichtensender CNN am Donnerstag gesagt, er halte eine Vereinbarung bei den Gesprächen bis Freitagabend für möglich. Die Teilnehmer hätten sich bereits auf Rahmenbedingungen geeinigt, eine gemeinsame Erklärung könne am Freitag ausgearbeitet werden.
Nach israelischen Angaben will der Iran in Genf anbieten, die Urananreicherung auf 20 Prozent zu stoppen. Im Gegenzug solle der Westen erste Sanktionen aufheben. US-Präsident Barack Obama sagte dem Fernsehsender NBC, ein Abkommen mit dem Iran könne in mehrere Stufen unterteilt sein.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versuchte bei einem zweistündigen Treffen mit Kerry am Flughafen in Tel Aviv, eine Einigung noch zu verhindern. Der Iran bekomme den „Deal des Jahrhunderts, weil der Iran nichts gibt und den ganzen Druck aus dem Dampfdruckkocher der Sanktionen herausbekommt“, warnte Netanjahu. Israel werde sich an keinerlei internationale Vereinbarungen gebunden fühlen und alles Nötige zu seinem eigenen Schutz unternehmen. Schon am Vortag hatte Netanjahu geschimpft: „Ich bin völlig fassungslos. Das ist ein monumentaler Fehler.“
Die Atomverhandlungen hatten nach dem Amtsantritt des neuen iranischen Präsidenten Hassan Ruhani neuen Schwung bekommen. Bei dem Treffen der 5+1-Gruppe vor weniger als einem Monat legte Teheran einen Zeitplan für die weiteren Verhandlungen vor und akzeptierte grundsätzlich das Prinzip unangekündigter Kontrollen seiner Atomanlagen. Die Verhandlungen wurden von beiden Seiten als konstruktiv bezeichnet. (afp, dpa)
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