Koalitionsrunde bei Merkel: Viele Themen, kaum Einigkeit
Wie viele Vorhaben kann die große Koalition bis zur Bundestagswahl noch umsetzen? Bei einem Treffen zeigte sich, dass die Zeichen auf Wahlkampf stehen - nicht auf Konsens.
In einem ihrer letzten Treffen vor der Bundestagswahl haben die Spitzen der großen Koalition bei einer Reihe strittiger Projekte nach Einigung gesucht. Die Bereitschaft zum Konsens schien am Mittwochabend aber eher gering zu sein - zu stark ist das politische Klima schon vom Wahlkampf bestimmt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor dem Treffen deutlich gemacht, dass in den sechs Monaten bis zur Wahl ohnehin nicht mehr viele Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht werden können. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nahm am Mittwoch im Berliner Kanzleramt erstmals an einer solchen Koalitionsrunde teil.
Homo-Ehe spaltet die Koalition
Linke und Grüne, die beide als mögliche Koalitionspartner der SPD gehandelt werden, forderten von Schulz, beim aktuellen Koalitionspartner Union die uneingeschränkte Ehe für gleichgeschlechtliche Partner durchzusetzen, also mit vollem Adoptionsrecht. Vor der abendlichen Runde wurde eine Einigung in diesem Punkt als aussichtslos eingeschätzt.
Linken-Chefin Katja Kipping sagte der Deutschen Presse-Agentur, von Schulz erwarte sie eine klare Ansage für die letzten Meter der großen Koalition. "Wer nach der Wahl als Bundeskanzler mehr soziale Gerechtigkeit wagen möchte, sollte vor der Wahl nicht so tun, als wäre er der Vorsitzende der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag." Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte den Umgang der SPD mit dem Adoptionsrecht für Homosexuelle als "reines Showprogramm".
An dem Treffen wollten auch CSU-Chef Horst Seehofer, Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD), die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) und Thomas Oppermann (SPD), CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sowie Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) teilnehmen. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wurde erwartet. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und andere Ressortchefs sollten je nach Themenlage hinzugezogen werden.
Das Verhältnis von Merkel und Schulz nach der Saarland-Wahl
Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, wie Merkel und Schulz drei Tage nach dem unerwartet deutlichen Sieg der CDU bei der Landtagswahl im Saarland miteinander umgehen. Beim ersten Testlauf des Superwahljahres war am Sonntag der erhoffte Rückenwind durch den sogenannten Schulz-Effekt ausgeblieben.
Schulz wollte ursprünglich wegen einer zeitgleichen Festveranstaltung der SPD-Fraktion nicht an der Koalitionsrunde teilnehmen. Er sagte sein Kommen erst zu, nachdem ihm von mehreren Seiten vorgehalten worden war, er wolle sich aus wahltaktischen Gründen nicht in die Koalitionsarbeit einbinden lassen. Die SPD ist nach Schulz' Nominierung zum Kanzlerkandidaten und seiner Wahl zum Parteichef bundesweit deutlich im Umfrage-Aufwind und hat die Union teils schon überholt.
Auf der Tagesordnung der Runde standen nach Informationen aus Koalitionskreisen mehr als 20 Punkte, bei denen Einigungschancen ausgelotet werden sollten. Dabei war von vorneherein absehbar, dass bei Streitthemen wie der von der SPD geforderten Solidarrente oder der "Ehe für alle" eine Lösung so gut wie unmöglich war. Als eher gering wurden die Konsensmöglichkeiten bei der Begrenzung von Managergehältern angesehen.
Für Donnerstag (8.00 Uhr) hatten Union und SPD getrennte Sondersitzungen der Bundestagsfraktionen angesetzt, bei denen die Partei- und Fraktionsspitzen über die Ergebnisse der nächtlichen Verhandlungen informieren wollten.
Verdi-Chef: Regierung soll trotz Wahlkampf ihre Arbeit machen
Verdi-Chef Frank Bsirske forderte Union und SPD auf, trotz Wahlkampfs ihre Arbeit zu machen. "Die Koalitionsparteien müssen abarbeiten, was zwischen ihnen einigungsfähig ist", sagte er der dpa. Konkret forderte er, dass die Koalition Nahles' Gesetzentwurf zur befristeten Teilzeit auf den Weg bringt. Denn "der Plan, ein Recht auf befristete Teilzeit und Rückkehr in Vollzeit zu schaffen, ist zu begrüßen."
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall warnte vor einer Umsetzung der Nahles-Pläne. "In der Metall- und Elektro-Industrie scheitert die Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit in unter zwei Prozent der Unternehmen", sagte Hauptgeschäftsführer Oliver Zander der dpa. "Und dort, wo sie scheitert, gibt es betriebliche Gründe, die kein Gesetz abschaffen kann." dpa
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